Noch während ich mich auf die neue Saison am Wasser vorbereitete, wurde ich durch einen Newsletter auf die nächste Wahl des Fisch des Jahres aufmerksam gemacht. Einer seit 1984 durchgeführten Auswahl, um auf die Bedrohung für Fischarten durch die Schädigung von Lebensräumen, bedingt durch menschliche Einflüsse hinzuweisen. Seit 1991 ist der frühere VDSF und jetzige DAFV (Deutscher Angelfischerverband e.V) für die Benennung des Fisch des Jahres verantwortlich. Und als für die Forelle am 31.12.2013 die Kür zum Fisch des Jahres 2013 zu Ende ging, stellte ich mir beim Lesen einer Untersuchung zum Äschenbesatz in bayerischen Gewässern die Frage: Wie steht es eigentlich um den Fisch des Jahr 2011 – die Äsche? Wen sonst sollte ich fragen als Dr. Sebastian Hanfland, Autor der Studie und zugleich Geschäftsführer des Landesfischereiverband Bayern?
F&Ä: Innerhalb von fünfzehn Jahren – erstmals 1997, zuletzt 2012 – wurde die Äsche vom Verband Deutscher Sportfischer zum Fisch des Jahres erkoren. Gibt es Belege, dass die Ernennung zum Fisch des Jahres, besonders positive Konsequenzen für diese Art nach sich zog?
Dr. Hanfland: Mir persönlich sind keine entsprechende Belege bekannt. Sicherlich hat es an einzelnen, begrenzten Gewässerabschnitten in Deutschland eine Erholung der Bestände geben. Hier und da mag auch die Ernennung der Äsche zum Fisch des Jahres mit dazu beigetragen haben. Eine weitreichende Bestandserholung in einzelnen Bundesländern oder gar deutschlandweit, hat sicher nicht stattgefunden. Von naturnahen Beständen sind wir weit entfernt.
F&Ä: Bereits 2003 schrieben Sie in Ihrer Arbeit für den Landesfischereiverband Bayern e.V. ‘Äschenbesatz in bayerischen Gewässern’, von einer akuten Bedrohung für den Weiterbestand der heimischen Äsche. Mit welchen Mitteln gelänge es Fischereiverbänden und anderen affinen Organisationen sich Gehör zu verschaffen, um weitere Interessens- gruppen an heimischen Gewässern für das Schicksal der Äsche aufmerksam zu machen.
Dr. Hanfland: Ehrlich gesagt, haben sich die Fischereiverbände schon Gehör verschafft. Kleinräumig hat man seit 2003 schon eine Reihe von Erfolgen erzielt. Die Verantwortlichen für den Rückgang der Äschenbestände haben allerdings eine sehr starke Lobby. Da wären die Agrarindustrie, die Bauernverbände, der Vogelschutz, die Wasserkraft etc. Ihr Einfluss ist zu groß, um wirklich weitreichende Maßnahmen in Gang zu setzen. Mit mehr Geld könnte man natürlich mehr zum Schutz der Äsche erreichen. Das gilt für Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und konkrete Hilfsmaßnahmen. Allerdings tun sich die Fischerei- verbände sehr schwer, Mittel zu akquirieren, die auch nur ansatzweise mit denen ihrer Konkurrenten vergleichbar sind. Die Mitgliedsbeiträge der Angelfischer an ihre Landes- und Bundesverbände sind nur ca. 10 % so hoch wie die der Mitglieder von Bund Naturschutz und NABU. Daher haben die auch xfach so viele Mitarbeiter. Vom Spendenaufkommen ganz zu schweigen. Um wirklich etwas auf politischer Ebene zu erreichen, werden professionelle Lobbyisten benötigt. Und die will sich die Fischerei derzeit nicht leisten.
F&Ä: Als eine weniger bekannte Gefährdungsursache für den Äschenbestand erwähnen Sie eine falsche fischereiliche Nutzung (GUTHRUF 1999). Wie ist das zu verstehen?
Dr. Hanfland: Mir liegt die Arbeit von Dr. Guthruf derzeit leider nicht mehr vor. Soweit ich mich erinnere und gestützt auf Gespräche mit Schweizer Fachleuten war das wohl folgendermaßen gemeint. In der Schweiz gab es zumindest 1999 Äschengewässer, in denen mit natürlichen Ködern und/oder mit Tiroler Hölzl auf Äschen gefischt werden durfte. Gleichzeitig waren die Fanglimits zum Teil sehr hoch. In natürlichen Gewässern ohne Vogelfraßdruck mag so eine Nutzung auch nachhaltig sein. Bei angeschlagenen Beständen, beschleunigt eine unangepasste Entnahme und laxe Beschränkungen den Populationsrückgang. Soweit ich weiß, wurden in der Schweiz nicht zuletzt wegen der Studie von Dr. Guthruf Beschränkungen zum Schutz der Äsche – bis hin zu einem totalen Fangmoratorium – eingeführt. Ich schlage vor, dass Sie sich diesbezüglich mit Ihrer Frage noch mal direkt an Dr. Guthruf wenden.
F&Ä: Für den Laien drängt sich die Stützung der Äschenbestände durch gezielte Maßnahmen auf. In Ihrer Publikation schreiben Sie jedoch von einem starken Rückgang der Nachfrage nach Äschen durch Fischereiberechtigte in den letzten Jahren. Wie lässt sich das in Ihren Augen erklären?
Dr. Hanfland: Ganz einfach: Äschenbesatz ist sehr teuer und vergleichsweise ineffizient. Ein Verein kann es sich schlichtweg nicht leisten, jahrelang Fische für zig-tausende von Euro in die Gewässer zu kippen, wenn sich der Bestand nicht erholt. Zu oft fressen Vögel die Jungfische oder sie wandern einfach ab. Die Mitglieder machen das natürlich nur eine begrenzte Zeit mit. Sie fordern dann Investitionen in Fischbesatz, der sich auch im Fangergebnis wiederspiegelt.
F&Ä: Interessant fand ich die Erkenntnis Ihres Forschungsberichts, dass die Besatzäschen weit über ihr Besatzgebiet hinaus abwandern. Bei 10% der besetzten Fische wurden Wanderungen zwischen 4-8km gemessen. Verlangt diese Einsicht nach einer Konsolidierung der mitunter fischereirechtlich, sehr fragmentierten Flussabschnitte?
Dr. Hanfland: Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Gewässersysteme sollten ganzheitlich bewirtschaftet werden. Allerdings steht hier das Eigentumsrecht der Umsetzung oft entgegen. In Bayern versucht man diesem Zustand durch vorgeschriebene Genossenschaften entgegenzuwirken, beispielsweise in Schwaben und Unterfranken. In Oberbayern bilden sich freiwillig Bewirtschaftungsgemeinschaften, wie zum Beispiel an der Ammer. Aber auch Genossenschaften und Bewirtschaftungsgemeinschaften haben ein Problem: es fehlt ihnen schlicht an schlagkräftigen Instrumenten wie Geld und Lobby!
F&Ä: Die in Ihr Forschungsprojekt involvierten Fischzüchter stellten erschwerte Produktionsbedingungen, durch einen qualitativen Rückgang der Laichfische fest. Wodurch erklärt sich dieser Qualitätsverlust?
Dr. Hanfland: Der Rückgang der Laichqualität wurde vor allem in Niederungsgewässern festgestellt, welche stark von der Landwirtschaft geprägt waren. Zu nennen wäre hier die Moosach oder die Sempt im Norden von München. Dies könnte sowohl mit der Nahrung als auch mit Schadstoffen zu tun haben. Wissenschaftliche Belege liegen mir nicht vor. Allerdings sind in den meisten klassischen Äschengewässern die Befruchtungsraten nach wie vor sehr hoch, sie liegen bei 90 % und mehr. Das Artenhilfsprogramm Äsche belegte dies Ende der 90er Jahre klar und auch die Praxis bei der Äschenvermehrung der Landesfischzucht Mauka des LFV Bayern bestätigt es regelmäßig. Der flächendeckende Rückgang geht also nicht auf eine mangelnde Eiqualität der Laichfische zurück. In einzelnen Gewässern wie der Moosach ist dies sicherlich anders zu bewerten.
F&Ä: Hätten Sie alle verfügbaren finanziellen als auch politischen Mittel, mit welchen Ansätzen würden Sie sich für eine Wiedererstärkung der Äschenpopulation einsetzen?
Dr. Hanfland: Zunächst würde ich dafür sorgen, dass im Rahmen der legalen Möglichkeiten in der Äschenregion eine flächendeckende und dauerhafte Vergrämung der Kormorane und Gänsesäger erfolgt.
Dann würde ich ein Aufzuchtprogramm für alle evolutionären Einheiten der Äsche ins Leben rufen, also nördliche und südliche Donau, Main und Elbe. Damit bekämen die Fischerei- berechtigten kostenlos viele Millionen an extensiv aufgezogenen Äschensetzlingen für den Besatz.
Als drittes Standbein kämen umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen hinzu, die insbesondere Äschenlaichplätze und –jungfischhabitate schaffen würden.
Mit allen politischen Mitteln, würde ich den derzeitigen Schutzstatus von Kormoran und Gänsesäger aufheben, allerdings ohne diese Arten zu gefährden. Man könnte alle Wasserkraftanlagen mit fischfreundlichen Rechen ausstatten und die Landwirtschaft zu wirksamen Erosionsschutzmaßnahmen verpflichten.
Leider ist das nur eine Utopie…
F&Ä: Ganz provokativ gefragt? Wenn eine eigenständige bestandserhaltente Reproduktion der Äsche aufgrund der fehlenden Bestandsdichte nicht mehr möglich scheint, wäre es nicht an der Zeit für eine Umbenennung der Äschenregion? Wäre dieser Vorschlag vielleicht der Weckruf den jene brauchten, die sich dem Problem der vom Aussterben bedrohten Äsche bislang gegenüber taub stellen?
Dr. Hanfland: Die Äschenregion entspricht in Deutschland ja dem Hyporhitral. Dieses ist gekennzeichnet von der durchschnittlichen Breite, dem durchschnittlichen Gefälle und der Entfernung von der Quelle. Außerdem von der Durchschnittstemperatur im wärmsten Monat und dem Gewässeruntergrund bzw. der Korngröße des Bodensubstrats. Und hier hat sich ja in aller Regel nicht wirklich viel geändert – mit Ausnahme von erwärmten Seeausläufen wie dem Traunsee in Österreich, dem Bodensee, dem Ammersee und der Alz oder dem abnehmenden Gefälle in Staustrecken.
Die Region ist also weiterhin für die Äsche als Hauptfischart geeignet. Aber vielleicht haben Sie Recht. Es wäre sicherlich ein politisches Signal, aber von Amtswegen wohl nicht zu machen. Für die Fischereiverbände ist das aber zugegebener Maßen eine interessante Anregung.
Mein herzlicher Dank für die Zeit und Mitarbeit an diesem Beitrag gilt Dr. Sebastian Hanfland, Geschäftsführer des Landesfischereiverband Bayern.
Sebastian Hanfland ist seit Kindesbeinen an begeisterter Angler und hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Nach dem Studium (Fischwirtschaft und Gewässerbewirtschaftung) an der Humboldt Universität zu Berlin, promovierte er 1998 -2002 an der Technischen Universität München über den Erfolg von Besatzmaßnahmen mit Äschen.
Seit 2000 ist Sebastian Hanfland beim Landesfischereiverband Bayern hauptamtlich -zunächst als Referent für Arten und Gewässerschutz – und später als Geschäftsführer tätig. Er hat 2 Fachbroschüren zum Thema Äsche veröffentlicht. Neben seiner Verbandstätigkeit ist er u.a. Vorsitzender eines Fischereivereins, der seit 30 Jahren ein oberbayerischer Äschengewässer bewirtschaftet.
In punkto Äsche kennt Sebastian Hanfland Theorie und Praxis aus dem Blickwinkel der Angler und Bewirtschafter genauso gut, wie aus dem der Wissenschaftler und Verbandspolitiker.
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