Der heurige Winter scheint trotz der lange anhaltenden milden Temperaturen langwierig. Ob es an der Erinnerung an den von unseren Bächen, Flüssen und Grundwasser so dringend benötigten Regen des Januars liegt, lässt sich schwer sagen. Abgesehen vom kurzen Kälteeinbruch vor Weihnachten und den etwas kühleren Morgen der letzten Tage, ermöglichen die Temperaturen der letzten Monate es mühelos, der Regierungsaufforderung nachzukommen: Energie zu sparen indem man die Heizkörper etwas zurückdreht. Für Fliegenfischer sowieso keine Herausforderung. Wem ist schon das mehrlagige Ankleiden nach dem Zwiebelprinzip fremd. Nein, nein – auch an den dicken Pullovern und der kuscheligen Decke am Sofa kann es nicht liegen, dass ich die Eröffnung der Forellensaison herbeisehne wie seit Jahren nicht mehr.
Ich mache die Erinnerung an den allerletzten Angeltag im vergangenen Jahr dafür verantwortlich. Auf Einladung eines Lesers dieser Seite stand ich bis zur Hüfte in der Rur – der ohne ‘h’. Dem Eifelfluss der oben in den Ardennen entspringt, der erst durchs malerische Monschau fließt, wo viele der in ‘Nymphenfischen – Geheimnisse entlarvt’ abgebildeten Forellen und ihre Nachfahren schwimmen. Wenn sie das noch unbeschwert können, angesichts der unerbittlichen niedrigen winterlichen Niederschlagsmengen seit 2018. Zumindest der Januar 2023 war laut Statista ein kleiner statistischer Ausreißer.
Vielleicht haben wir alle uns schon an den Anblick trockengelegter Bachbetten mit tröpfelnden Rinnsalen während der Sommermonate gewöhnt. Haben ab Juni/Juli nervös Wasserstände mittelgroßer Flüsse beobachtet, die weit unter dem zu erwartenden Mittelwasser lagen. Ich hatte es auf jeden Fall in den letzten Jahren als Normalität empfunden. Andere haben ab der Zeit aus Rücksicht das Fliegenfischen auf Salmoniden eingestellt. Wandten sich den Barben zu, widmeten sich Rapfen, Zander, Barsch und sogar Waller mit der Fliege. Bleibt zu hoffen, dass sich der regenarme Februar nun nicht weiter fortsetzt und sich der laut Geologen ohnehin schon gefährlich niedrige Grundwasserspiegel noch weiter absenkt. Ich für meinen Teil hoffe, dass sich die angekündigten niederschlagreichen Tage nächste Woch bewahrheiten.
Etwas unabhängiger von Niederschlagsmengen sind Flussabschnitte die sich unterhalb von und zwischen Talsperren befinden. Aus dem amerikanischen stammt für diese Art von Fließgewässern der Begriff Tailwater. Er bezeichnet Flüsse die meist von Kaltwasser gespeist werden und somit konstante Wasserstände bei niedriger Temperatur führen. Wie auch die Rur flussabwärts von Monschau, wo sie sich durch den Nationalpark Eifel schlängelt. Dabei wird sie erst von der Rurtalsperre, einem Fixpunkt der sogenannten Rureifel, und später dem Stausee Obermaubach mit Wasser beliefert. Das verleiht dem Fluss in diesem Abschnitt den Charakter eines Tailwaters. Angesichts stetiger Erwärmung der Mittelgebirgsflüsse könnte man es – trotz des menschlichen Eingriffs – als Segen ansehen, wenn wir uns ehrlich sind.
Als ich an jenem Tag letzten Oktober zum krönenden Abschluss meines Glücksempfindens über Natur und Ruhe eine Äsche der besseren Art im Kescher betrachten durfte, war mir klar: Die Einladung, Teil einer Pächtergemeinschaft zu werden, kann ich nicht ausschlagen. Das “Vorstellungsgespräch” wenige Wochen danach bestand ich erfolgreich und so darf ich seit dem 1.Januar behaupten, ein kleines Stück Paradies gepachtet zu haben, das durch ein Naturschutzgebiet fliesst, aber das Fliegenfischen erlaubt. Ich kann mein Glück, und das Privileg eingeladen worden zu sein, noch gar nicht wirklich fassen.
Es war nicht das einzige Vorstellungsgespräch im letzten Jahr, das ich mit Bravour meisterte. Seit November bin ich beim Deutschen Angelfischerverband (DAFV) als Sachbearbeiter für die Einführung eines Digitalen Mitgliedsausweises angestellt. Ähnlich überglücklich fühle ich mich über die Chance, meine Büropräsenz – dem Wandel in der Arbeitswelt seit Corona sei Dank – zwischen Köln und Berlin aufteilen zu können. In einem Betätigungsfeld das meinen tiefsten Interessen entspricht und wofür mein Herz brennt.
In einer Organisation die sich auf übergeordneter Ebene für die Interessen aller Angler einsetzt – ob vereins- und verbandsgebunden oder auch nicht. Bei einem Verband der sich mit politischen Entscheidungsträgern an den Verhandlungstisch setzt, um sich gegen den mächtigen Einfluss von Lobbyisten aus der Energie- und Agrarwirtschaft Gehör zu verschaffen. Der mit der Lautstärke anderer Natur- und Umweltschutzverbände mithalten muss, um vor der Politik die Interessen von uns Anglern vertreten zu können. Das kann er dann am effektivsten, wenn seitens der Anglerschaft die Bereitschaft besteht, sich in örtlichen Vereinen und den dazugehörigen Landesverbänden zu organisieren.
Denn auf die Anzahl der deutschen Angler bezogen, die zumindest 1-2 im Jahr zur Rute greifen, sind mehr als sechs Millionen Wählerstimmen vor der Politik eine nicht zu ignorierende Größe. Ein Schulterschluss aller angelnden Fraktionen, um mit vereinter Stimme zu sprechen, würde dem DAFV mächtigen Rückhalt geben, damit er für unsere wirklichen Interessen einstehen kann: Gesunde Gewässer und Fische, also die Grundlage zur Ausübung unserer Leidenschaft, zu bewahren.
Das soll jetzt kein Aufruf sein, aber lohnen tut es sich allemal, die Seite des DAFV zu besuchen. Nur so wird man die Verbandsbemühungen erkennen, Angeln, als eine Tätigkeit die mitten in der Gesellschaft passiert, in der Öffentlichkeit zu positionieren. Denn ob Angeln auch in Zukunft so stattfinden wird, wie wir es lieb gewonnen haben, bestimmen nicht nur wir Angler, sondern auch zunehmend Außenstehende, denen nicht nur unsere Leidenschaft ein Rätsel ist. Auch der hohe gesellschaftliche Wert unseres Hobbys – Natur- & Umweltschutz, Gesundheit, Inklusion, wirtschaftliche Faktoren – bleibt ihnen verschlossen. Das zu ändern, dazu kann jeder Einzelne im Kleinen, oder auch im großen Verbund beitragen.
Es war ein langer Weg seit dem Moment im Jahr 2015, als ich erkannte, dass ein simpler Jobwechsel pure Kosmetik wäre. Nach vielen Höhen und Tiefen seitdem habe ich aber das Gefühl, im Spätsommer meines Berufslebens, endlich angekommen zu sein. An einem Ort an dem man mich versteht, an dem die gleiche Sprache gesprochen wird.
Die Zeit die ich in der Bundeshauptstadt verbringe, tut mir auch gut. Denn trotz des gewaltigen Verlangens nach Natur und Ruhe bin ich im Herzen auch ein Stadtjunge. Anschlussgelegenheiten an das Fliegenfischen gibt es auch in Berlin jede Menge. Der Bambusrutenbauer Peer Doering-Arjes, der Fliegenfischerclub Fario e.V. und nicht zu übersehen, die umtriebigen Jungs von Flyrus. Die eben mit dem RISE Flyfishing Film Festival durchs Land touren. Abgesehen von der Unterhaltung durch eine Auswahl an hochwertigen Kurzfilmen, hat jeder Besucher einer Vorführung in einer der sechzehn Städte der Tour die Chance, ein Exemplar von Der Forellensammler zu gewinnen.
Für das Buch erhalte ich ganz viele Komplimente, wie dieses von Justus Wehmer das ich freundlicherweise abdrucken darf.
“ Ich würde mich sicher nicht als Experte für Fliegenfischerliteratur bezeichnen, aber doch als jemanden, der seit fast vierzig Jahren ein waches Auge auf alles hat, was sich mit dem Fliegenfischen in gebundener Buchform befasst. Der Forellensammler‘ war das Buch, auf das ich immer gehofft hatte, aber niemals fand! In keiner Sprache jedenfalls, die ich zu lesen imstande wäre. Und dann das!!! Endlich einmal jemand, der mit Hirn und Humor geistreich über unsere fantastische Leidenschaft schreibt. Seit den Tagen von Ingo Karwath, dessen Beiträge in ‚FliegenFischen‘ vor langen Jahren noch ein regelmässiges Highlight waren, ist mir nichts mehr in deutscher Sprache begegnet, das mich so gut unterhalten hat, so treffend und berührend, aber eben oft auch urkomisch unsere Fliegenfischerei als Kulturgut beschreibt.”
Es heißt, dass 10% aller Angler 90% aller Fische fangen. Wenn es zutrifft, dann ist Der Forellensammler für 90% aller Fliegenfischer geschrieben. Ich bin stolz, Tom Jacobs erzählerisches Erstlingswerk veröffentlicht zu haben – ein irrsinnig unterhaltsames Buch, in dem sich wirklich (fast) jeder wiederfinden wird.
Da dieses Buch nun doch auch auch schon beinahe ein Jahr lang erhältlich ist, kann ich die Katze aus dem Sack lassen. Weitere Buchveröffentlichungen befinden sich längst in unterschiedlichen Phasen der Realisierung. Allerdings sind diese schon so weit fortgeschritten, dass ich durchaus mit 1-2 Titeln noch in diesem Jahr rechne. Um welche Autoren und welche Themen es sich dabei dreht, werde ich demnächst vorstellen. Wie viele Unternehmen der Medienbranche bin aber auch ich als Independent-Verlag von steigenden Rohmaterial- und Energiekosten betroffen, was leider für wenig finanzielle Planungssicherheit sorgt. Irgendwie wird es schon gelingen. Vielleicht auch wieder mit einer Crowd-Funding Kampagne. Das hat 2019 schon sehr gut funktioniert.
Aber natürlich frage ich mich, wie lange ich die emotionalen und finanziellen Strapazen eines Buchverlags noch auf mich nehmen möchte. Denn während der letzten Jahre diente der Verlag auch dazu, meinem beruflichen Leben – wenn auch nur als Nebenerwerb – etwas mehr Sinnhaftigkeit zu verleihen. Diese innere Leere zu füllen, die aus dem tief verankerten Wissen entstand, beruflich wenig Erfüllung erfahren zu haben, die über die Bereitstellung von einem Dach über dem Kopf und ausreichend zu essen auf dem Tisch für meine Familie und mich hinausging. Zugegeben, einige Kurzausflüge und Reisen im Jahr, sowie die Ausübung einer nicht ganz billigen Leidenschaft schauten sich dabei schon raus. Und angesichts der existenzbedrohenden Verluste die viele Menschen während der Corona-Jahre erleben mussten, fühle ich mich selbstverständlich auch an der Stelle privilegiert, während der letzten drei Jahre konstant aus dem Home-Office in einer relativ konjunkturunabhängigen Konsumgüterbranche meinem Haupterwerb nachgegangen zu sein. Die jüngste Veränderung tut aber in vielerlei Hinsicht gut.
Zur überwältigenden Zufriedenheit mit dem neuen Beruf gesellt sich die große Freude, meine sechsjährige Tochter für das Fliegenbinden begeistern zu können. Die sonntägliche Session gehört seit einigen Monaten zum Vater-Tochter Ritual, das aus unserer beider Sicht nicht ausfallen darf. Wir erzielen zwar nicht die von mir erhoffte Auffüllung meiner von Hindernissen im und am Wasser dezimierten Fliegenbox – noch nicht. Es erfüllt mich aber mit großer Freude, dass wir unsere ohnehin enge Bindung mit einer Tätigkeit vertiefen, die mir wirklich viel Spaß macht, auch wenn ich meilenweit davon entfernt bin ein Meister darin zu sein. So sitzen wir am Esstisch, hören stundenlang BBC 6 und füllen nach und nach ihre erste Fliegenbox – ein Besitz voller Stolz – mit ihren eigenen Kreationen.
Alles in allem kann ich also behaupten, ja mir geht es hervorragend, trotz der ein oder anderen Baustelle unterschiedlichen Ausmaßes. Allen voran der in das persönliche Wohlbefinden reingrätschende, brutale und durch nichts zu rechtfertigende Krieg in der Ukraine. Ich hatte immer gehofft, während meines Lebens nie in die Situation zu geraten, politisch Stellung zu beziehen und sich klar positionieren zu müssen. Wir sind uns aber hoffentlich einig: von einem Schulhofraufbold darf man sich trotz aller Unbehagen nicht einschüchtern lassen, von einem Mafioso und seinen Vergünstigungen darf man sich nicht einkochen lassen. Darum gilt: Standhaft bleiben Europa – ein Leben unter der Knute ist auch keines.
Da es letztlich wenig bringt, sich über Dinge zu sorgen, auf die man sowieso wenig Einfluss hat, stellt meine seit zwei Saisonen immer stärker durchlässige Wathose ein viel größeres Problem dar, als ein möglicher atomarer Erstschlag. Anstatt die Beine der Hose mit Luft aufzupumpen, um in der gefüllten Badewanne herauszufinden, an welcher Stelle wohl sich die Nähte dehnten, oder Mikrolöcher die 2-3 lagige Hose perforierten, habe ich sie (inklusive der Watschuhe für neue Besohlung) zu WadersRepair nach Slowenien zum Flicken geschickt. Reparieren statt wegwerfen ist ein Motto das für das Überleben unseres Planeten zunehmend von ganz großer Bedeutung ist. Sei also achtsam, sei wachsam und vergiss nie – das Leben ist trotz Hürden immer für positive Überraschungen gut!
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Ingo Karwath says
Lieber Tankred Rinder,
ich war schon in Sorge wann Forelle & Äsche sich wieder meldet, weil ich es viel schöner finde in einer Familie von Blogs und Online Magazinen zu sein, als irgendwie so allein da draußen. Es gibt zu viele stille Blogs. Mir wird immer wieder vermittelt, dass allein Instagram und YouTube die Zukunft seien, aber das muss ich ja nicht glauben. Wozu 13 Minuten Gefummel anschauen, wenn drei Bilder und etwas Text das in vier Minuten auch vermitteln können. Ich wollte mich ganz herzlich für das Kompliment bedanken, welches mich innerhalb eines Zitates betraf. Ich bin gefühlt Vergangenheit. Amüsant zu sehen, dass anscheinend viele meinen Blog noch nicht gefunden haben. Ich Mühe mich ja nach Kräften auch als Senior am Ball zu bleiben, aber man bückt sich halt nicht mehr so schnell nach runtergefallenen Fliegen wie mit fünfzig. Viel Freude an Ihren neuen Aufgaben in der Hauptstadt. Herzliche Grüße Ingo Karwath
Tankred Rinder says
Lieber Ingo Karwath,
welch große Freude von Ihnen zu hören. Ich freue mich über (fast) jeden Kommentar auf dieser Seite. Kommt er jedoch von prominenter Stelle, wertet es das eigene Tun noch ein klein wenig mehr auf. Es ist also wirklich schön zu erfahren, dass ich vermisst werde.
Ihre Sorge kann ich verstehen. Habe ich mich selbst doch auch immer öfter gefragt, wann F&Ä wieder (regelmäßig) von sich hören lässt – die Gründe dafür versuche ich, auch hier hinlänglich zu dokumentieren. Aber ja, es wurde in der Tat still auf der Seite und das ganz ohne Abwerbeversuche anderer Plattformen. Ich bin vollkommen bei Ihnen und Ihre Worte bestätigen, womit ich mich seit Jahren beruhige, wenn ich gelegentlich mit ganz klein wenig Neid auf die vermeintliche Reichweite von Social Media schiele: Bewegtbild und Hochglanz sind nicht das Maß aller Dinge.
Es war mir eine sehr große Freude, das Kompliment an Sie, verpackt in ein Zitat eines begeisterten Lesers auszusprechen. In Wahrheit stelle ich mich unter den Schein Ihres Glanzes! Kenne ich doch einige Menschen, die z.B. die ‘FliegenFischen’ nur Ihrer geistreichen und humorvollen Beiträge wegen gekauft haben. Falls es für Mitleser nun zu geheimnisvoll wird: Besuche doch die Seite ‘Der Fliegenbinder‘. Sich darin zu vertiefen ist ein wahrer Genuss. Und unter uns – und doch ganz öffentlich – ich wünschte ich hätte Ihr sprachliches, handwerkliches und vermutlich auch fischereiliches Geschick. Meine Freude über Ihre Worte ist also aufrichtig und die herzlichen Grüße sende ich dankend zurück. Tankred Rinder