Chance verpasst, dachte ich Ende letzten Jahres, als ich es unterließ eine Reihe an Beiträgen zu veröffentlichen, die mir zugeschickt wurden. Beim Lesen der Texte fast genau ein Jahr später – Déjà-vu. Reisen ins Ausland bleiben vermutlich auch in diesem Jahr eingeschränkt. Vielleicht denken wir sogar wehmütig an den Sommer 2020 zurück. Wenn auf die ersten Mutationen des Covid-Virus neue Verordnungen folgen und die Impfung der Bevölkerung gegen die Ausbreitung von Corona weiterhin schleppend vorangeht. Wie man – wenn schon nicht alle Eventualitäten dieses Jahres – zumindest das Reisefieber in den Griff bekommt, beschreibt uns Tom Jacob.
Tencora, Corana & Goethe (Tom Jacob)
Von einer Japanreise 2019 habe ich das „Tenkara“-Fischen mitgebracht, in das ich mich unsterblich verliebt habe. Und plötzlich geht bei mir nach über 30 Jahren Fliegenfischen und nunmehr 20 Jahren, in denen ich fast ausschließlich mit gespließtem Bambus und Seide gefischt habe, wieder einmal eine völlig neue Tür auf: das Fischen mit langen, weichen, äußerst filigranen Teleskopruten aus Kohlefaser. An deren Spitze befestigt wird eine dünne, monofile Wurfschnur und ein kurzes Vorfach mit einer einzelnen künstlichen Fliege. Eine Rolle sucht man vergebens, ebenso, wie die unzähligen mehr oder weniger (meist un-)wichtigen Gadgets für die man eine Fliegenweste benötigt, um sie überhaupt alle unterzubringen. Alles, was man für die Tenkara-Fischerei braucht, hat buchstäblich in einer Hosentasche Platz.
Aufgrund des sehr stark eingeschränkten Radius‘ beim Werfen (dieser wird nicht durch die Fähigkeiten des Werfers begrenzt, sondern durch die fixe Schnur, die ungefähr der Länge der Rute entspricht) ist man dazu verdammt, vor den eigenen Füssen zu fischen. Dadurch sieht man sein Gewässer wie durch ein Vergrößerungsglas, das dem Angler jeden Stein, jede Krautfahne, jede Strömung und jeden Wasserwirbel unaufhaltbar quasi ins Bewusstsein schiebt. Plötzlich sehe ich Fische an Stellen, an denen ich die letzten Jahre einfach vorbeigelaufen bin.
Womit wir beim nächsten Gedanken wären: Eigentlich hätte das Jahr anders laufen sollen, doch ein Virus, nicht größer als der 160-Millionste Teil eines Millimeters, hat uns allen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. So fällt mein Trip nach Kanada leider aus. Auf der anderen Seite habe ich plötzlich Zeit. Viel Zeit. Und die verbringe ich nun an meinen – wie heißen sie so schön: „Hausgewässern“. Der Begriff wird von den meisten Anglern im Mund hin- und hergeschoben, wie eine heiße Kartoffel; Hausgewässer … für sie gibt es eigentlich nur zwei schlüssige Bedeutungen: für die wenigen, extrem Glücklichen sind sie die Erfüllung ihrer Anglerträume ohne nennenswerte Anreise. Für den großen Rest von uns sind sie der ebenso halbherzige wie meist hoffnungslose Versuch, sich nicht eingestehen zu müssen, dass man der ersten Gruppe nicht angehört.
Ich selbst zählte mich bisher eigentlich immer zu denen, die erst weit weg fahren mussten, um am Wasser ihr Glück zu finden. Was bisher auch immer tadellos funktioniert hat. Doch wenn ich jetzt überhaupt irgendwo ans Wasser kommen möchte, habe ich im Zuge der Pandemie gar keine andere Wahl, als die Vereinsgewässer in meinem Dorf zu befischen. Und wissen Sie was? Mir war vor lauter Fernreisen überhaupt nicht mehr bewusst, wie schön es keine fünf Minuten von meinem Haus entfernt ist!
Auf der Höhe von Strasbourg, wo ich auf deutscher Seite wohne, ist der Hauptstrom des Rheins einst von Tulla begradigt und seit den 1970er-Jahren in ein doppeltrapezförmiges Bett gezwängt worden, in das des „Grand Canal d’Alsace“, um ihn, mithilfe von Staustufen, zur Stromerzeugung zu nutzen. Bedingt durch den technischen Ausbau – der Rhein hat bei uns eine Breite von rund 130 Metern und ist voll schiffbar – gleicht er heute einer Autobahn und hat für die Schifffahrt eine entsprechende Bedeutung. Für den Angler ist er, wenn auch nicht völlig wertlos, zumindest ein trauriges Bild.
Entlang des Hauptdammes, der den Kanal begrenzt, fließt an dessen Fuß ein kleiner, flacher, ebenfalls trapezförmiger Graben, der Rheinseitengraben, von Wackersteinen eingefasst und mit einer Sohle aus Kies. Mit seinem emsig ziehenden Wasser und dem abwechslungsreichen Bewuchs aus flutendem Hahnenfuß und anderen langblättrigen Unterwasserpflanzen könnte man sich mit etwas gutem Willen vorstellen, es sei ein Kreidefluss in der Normandie. (Zugegebenermaßen ist das ein Rückfall ins Schönreden).
Die Insektenpopulation ist gut, das Wasser top-sauber, einzig Salmoniden beherbergt der Graben aufgrund der hohen Temperaturen im Sommer und der damit einhergehenden geringen Sauerstoffsättigung nicht. Doch das ist nicht schlimm, denn: der Döbel ist die Forelle des kleinen Mannes! Und vor allem größere Döbel stehen der Forelle in Sachen Vorsicht, Selektivität, Zickigkeit und purer Ignoranz gegenüber dem schlecht präsentierten Köder in fast nichts nach. Und genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Denn wer pirscht denn noch wirklich vorsichtig am Ufer entlang, geht auf die alten Knie und wartet gefühlt ewig auf den einen Wurf? – wegen eines Döbels! (der bei uns regional übrigens auch „Scheißhaus-Forelle“ heißt).
Ein Tag am Wasser beginnt hier regelmäßig mit dem starken Gefühl, dass ja sowieso keine Fische im Bach sind. Man beginnt mit der Tenkara-Rute zu werfen um dann schnell ernüchtert festzustellen, wie klein der Radius wirklich ist, den man mit seiner Fliege abdeckt … ich komm‘ ja gerade mal bis zur anderen Uferseite! Bis plötzlich die ersten Fische davon zischen. Es sind also doch welche da, man war nur wieder zu unvorsichtig und zu zappelig. Also runter mit dem Kopf, auf den Damm sitzen, die eigene Silhouette verkleinern, langsamer bewegen, intensiver beobachten und siehe da: plötzlich sieht man die ersten Fische im Wasser stehen; hinter dem Stein, neben der Krautfahne. Irgendwann wird man ruhiger, fängt an, das Wasser zu „lesen“ und befischt gezielt die Stellen, die aussehen, als ob sich dort Fische halten können. Langsam kommt auch der sechste Sinn zum Tragen, das berühmte Bauchgefühl, wenn eine Stelle förmlich nach Fisch „riecht“, man hinwirft und tatsächlich auch einen Biss bekommt.
Der erste hängt plötzlich an der Fliege, ein aufgeregter, kleiner Döbel von vielleicht 20 Zentimeter Länge, der um sein nacktes Leben kämpft. Im Gegensatz zu mir weiß er (noch) nicht, dass ich ihn wieder laufen lasse. Unser Jagdprofessor an der Forstschule sprach in diesem Zusammenhang einmal von einen „traumatischen Erlebnis“ für den gehakten Fisch und diese Formulierung ist mir bis heute haften geblieben. Ich konnte mich noch nie wirklich für den Drill begeistern, bei dem es für den Fisch um alles geht. Für den Angler bedeutet es gefühlsmäßig zwar dasselbe, was aber faktisch nicht der Wahrheit entspricht. Der Unterschied ist nämlich, dass ein verlorener „Lebensfisch“ den Angler in keinem Fall sein Leben kostet! (Aber das nur am Rande).
Nach zwei weiteren Knirpsen ist die Stelle „verbrannt“ und es geht ans Weiterziehen. Dabei gilt: langsam bewegen, Wasser lesen. Bewuchs am Gewässerboden und Übergänge zwischen Kies und Pflanzen sind immer interessante Stellen. Plötzlich taucht inmitten der Krautfahnen der dunkelblaue spindelförmige Körper eines großen Döbels auf und zieht ganz gemächlich auf mich zu. Er ist viel zu schwer für das hauchfeine Vorfach, aber egal! Ich setze mich wieder vorsichtig auf die Böschung, um nicht darüber hinaus zu ragen, rutsche dabei, ohne viel Halt zu haben, auf dem Hintern die den Abhang entlang. Noch immer bin ich fokussiert – der Fisch ist noch in Reichweite! – und will gerade zum ersten, alles entscheidenden Wurf ansetzen, als mein Hund neben mir ganz gemächlich ins Wasser steigt (es ist ja schließlich Hochsommer) und der Leviathan sucht das Weite; danke, Partner.
Ich habe das Gefühl, dass die Fische bei einer Beunruhigung meist stromauf fliehen. Vielleicht liegt das am größeren Widerstand für den Antrieb der Schwanzflosse gegen die Strömung, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall erscheint es mir es sinnvoller, sich den Fischen langsam stromab zu nähern und sie dann von selbst zurückkommen zu lassen (was Zeit braucht), als sie stromauf vor sich her zu treiben; sie bemerken einen sowieso, egal, in welche Richtung sie mit dem Kopf stehen. Vor allem aber sollte man sich Zeit lassen. Zu langsam kann man sich nicht bewegen, wohl aber zu schnell! Auch die Beurteilung der Lage ist, wenn man es wirklich ernst meint, ganz gut. Hinsetzen, beobachten, nachdenken. Hektik ruiniert jeden ernsthaften Versuch, einen dicken Döbel zu fangen, denn es gelten glasklar die Regeln für den Kreidefluß. Ob der von richtigen oder von Scheißhaus-Forellen bewohnt wird, spielt keine Rolle!
Fische, vor allem kleine Weißfische, wirken besonders auf kiesigem Untergrund manchmal fast durchsichtig. Meist sieht man zuerst ihre dunkle Schatten auf dem Kies, als ihre verwaschene und den Untergrund angepasste Tarnfarbe. Überhaupt sind Farben nicht immer klar zu definieren, da Fische diese bis zu einem gewissen Grad ihrer Umgebung anpassen können. Ein großer Döbel hingegen sieht im Sonnenlicht wie ein Unterseeboot aus. Seine Schwanzflosse ist taubenblau und umlaufend mit einem deutlichen Streifen schiefergrau umsäumt. Der Körper ist von hellem Grau und die Basen der bauchseitigen Flossen sind sehr hell und setzen sich gegen den Körper ab. Von den Kiemen sieht man meist nur einen dunklen Schatten, das Auge ist hellgelb mit einer kreisrunden, schwarzen Iris. Die Maulspalte und die Mundhöhle sind schneeweiß und, je nach Blickwinkel, erstaunlich groß. Die Rückenflosse legt er regelmäßig an. Ruhig über einem Kiesbett schwebend sieht man meist zuerst seinen Schatten, dann den dunklen Rand seiner sich sanft bewegenden Schwanzflosse und dann das weiße Maul – und erschrickt regelmäßig, wie groß die Biester werden.
Die Verwendung einer Polaroid-Brille führt übrigens nicht nur dazu (wie hinlänglich bekannt und ausdiskutiert), dass man Gefahr läuft, zu nahe auf die Fische zuzugehen. Sie verleitet mit der Tenkara-Rute dazu, dass man – noch viel Schlimmer! – zu weit wirft. Die Schnur mag sich mitsamt dem Vorfach zwar sauber strecken, aber: die Rutenspitze kommt dabei automatisch unter den Horizont und zeigt exakt auf den angeworfenen Fischt. Beißt der jetzt, dann geht der Anhieb (ob mit oder ohne eigenes Zutun) direkt in die Schnur, deren Durchmesser fast immer unter 0,14 Millimeter (mit einer Tragkraft von regulär weniger als fünf Pfund) liegt. Mit dem Ergebnis, dass jeder Fisch, der länger als der Handgriff der Rute ist, sicher abreißt. Hinzu kommt, dass man sich mit der Polbrille auf der Nase immer wieder dazu verleiten lässt, zu große Fische für das verwendete Vorfach anzuwerfen; oft mit demselben Ergebnis.
Das Werfen einer Tenkara-Rute sieht auf den ersten Blick deutlich einfacher aus, als das Werfen der regulären Fliegenrute. Doch ist der Wurf profund vielschichtig und nicht auf den ersten Blick zu erfassen. Selbst als alter Kracher, der seit 30 mit der Fliegenrute unterwegs ist und der dazu noch vom Werfen kommt, staune ich immer wieder über meine eigene Unfähigkeit, einen lumpigen Fünfmeter-Wurf sauber abzulegen.
Dabei ist das Gerät ultra-leicht, mit langen, extrem feinen und vor allem flexiblen Ruten, deren Gewicht sich oft nur im Bereich weniger Unzen bewegt. Die Vorfächer können hauchdünn sein und sehr wenig Tragkraft aufweisen. Wichtig ist, dass alles zusammenpasst und nie mit zu starken Vorfächern gefischt wird. Denn: Rute und Vorfach schützen sich immer gegenseitig vor Bruch. Ein zu schwerer Fisch reißt das Vorfach ab, bevor die Rute bricht und eine sehr flexible Rute federt die Fluchten selbst großer Fische ab, ohne an die Bruchgrenze des Vorfaches zu gelangen. Der alles entscheidende Faktor ist die Größe, beziehungsweise das Gewicht des zu erwartenden Fisches und die darauf abgestimmte Wahl der Vorfachstärke (in Abhängigkeit zum Rückgrat der Rute).
Mit dem Wunsch nach immer leichterem Gerät treiben die Angler die Industrie vor sich her. Vor ungefähr 20 Jahren hat die US-amerikanische Firma Sage Ruten der Schnurklassen zwei, eins und sogar Null herausgebracht. Wobei letzteres eigentlich nicht möglich sein sollte, da nach AFTMA-Regeln ja die ersten zehn Yards der Schnur hinter der Keule ein bestimmtes Gewicht in Grain haben sollen. Eine Regel, die den Wert „0“ schlicht unmöglich macht.
Der Wunsch so extrem fein zu fischen, entspringt meines Erachtens einem alten Menschheitstraum. Statt einer, wie auch immer gearteter, Maschine will man einzig den eigenen Körper benutzen, um etwas im Wechselspiel mit der Natur zu erleben. Die geringstmögliche Distanz zwischen Mensch und Natur mit einem Minimum an technischer Ausstattung ist das Ziel. Es ist der Traum vom maschinenlosen Fliegen, nur getragen und angetrieben von der eigenen Muskelkraft, das Apnoe-Tauchen ohne Flaschen, die Jagd auf Wildschweine mit den bloßen Händen und einem Messer.
Im Gegensatz dazu war in den 1990er-Jahren die Hochzeit des Fliegenfischer- (und in dessen Kielwasser auch Ausrüstungs-) Hypes, mit ausgelöst durch den Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluß“. Der Schweizer Fliegenfischer-Profi Hans-Ruedi Hebeisen hat damals in einem Video Anfängern folgendermaßen das Fliegenfischen nahegebracht: „Heutzutage fährt man allradgetrieben ans Wasser“ heißt es da beispielsweise – kann man, muss man aber nicht. Und weiter (das dicke SUV steht in der Zwischenzeit direkt am Ufer eines Bilderbuch-Flusses): „… nachdem man sich die passende Rute ausgesucht hat.“ Na ja, angefangen haben wir alle mit einer einzigen Rute, von der die meisten von uns sogar sicher ab und zu mal geträumt haben, oder? Die Fliegenrollen damals wiesen Bremssysteme auf, mit denen man einen vorbeifahrenden Müllwagen hätte drillen können! Überhaupt wurde das Fliegenfischen damals als etwas recht Elitäres vermarktet, ein „Field Sport“, wie man im Englischen sagen würde, eine mehr oder weniger sportliche Tätigkeit im Freien, zu denen in Großbritannien und in Nordamerika auch die Jagd und das Golfen zählt.
Und heute, 30 Jahre später, laufe ich mit einem absoluten Minimum an Ausrüstung, einer einzelnen, leichten Rute ohne Rolle, einer Fliegendose und einer Spule Vorfachmaterial in der Hosentasche und in Sandalen mit meinem Hund am Wasser entlang. Wenn in den 90ern das Fliegenfischen etwas für Leute mit Timberland-Stiefeln und Neopren-Wathosen war, dann trägt der Tenkara-Angler Shorts und Sandalen; „Jesus-Schlappen“ …
Ich sitze beim Versuch, einen weiteren Döbel zu überlisten am Wasser und höre zwangsläufig den Gesprächen der Wohnmobilisten zu, die hinter meinem Rücken auf dem Damm geparkt haben. Sie drehen sich in erster Linie um Daten und Zahlen: „… vorletzten Mittwoch in München los … 680 Kilometer in einer Woche … bei 7,4 Liter …“ usw. Es hört sich an wie ein eigener Dialekt, auf den sich das (Wohnmobil-) fahrende Volk geeinigt hat; eine Kunstsprache wie seinerzeit Esperanto. Und es hört sich für Außenstehende so an, als wenn sie sich gegenseitig in ihrem Tun bestärken und versichern müssten, was für eine Leistung so ein Leben auf Achse ist – selbst mit Bordtoilette und Satellitenfernsehen. Mein Labrador und ich lachen kurz und gehen zurück zum Auto.
Nach ein paar Angeltagen im Hochsommer am Rheinseitengraben habe ich etwas gelernt. Ich habe vor lauter Fliegenfischer-Jetset in den letzten 25 Jahren total vergessen, wie viel Freude solche Nachmittage an einem „Popelbach“ hinter dem Haus machen. Ich habe vergessen, dass sein Wasser genauso lautlos und friedlich und schön fließt und voller kleiner Wunder ist, wie das des Margaree in Kanada, der Loue im französischen Jura oder des Spey in Schottland. Die Augen geöffnet haben mir ein Pandemie-Lockdown und eine 300 Jahre alte Angelart aus Japan.
(Und außerdem der Umstand, dass mir ein Freund aus dem Verein gesteckt hat, dass sie beim elektrischen Abfischen allein auf dem kurzen Stück, das ich intensiv befischt habe, über 100 Bachforellen gefangen (und wieder ausgesetzt) haben. Seither haben manche Döbel plötzlich rote Punkte. Auf den ersten Blick zumindest, die bei genauerem Hinsehen jedoch auch gleich wieder verschwinden; bei den meisten jedenfalls).
P. S. Ach ja, der Hinweis auf Goethe in der Überschrift steht noch aus. Sein so wunderbares wie leider meist falsch wiedergegebenes Zitat möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen:
Denn das Glück ist immer da.
J. W. v. Goethe, Erinnerung
Tom Jacob fischt seit 30 Jahren mit der Fliege. Er gibt Fliegenfischerkurse, fotografiert und schreibt über das Fischen, bindet Fliegen, restauriert altes und baut neues Angelgerät. Seine erste Fliegenfischer-Ehe war mit gespließtem Bambus und Seide; sie hielt 20 Jahre. Seit 2019 ist er frisch verliebt in das Tenkara-Fischen, eine Verlobung steht aus.
Der Forellensammler – Flussgeschichten eines Fliegenfischers von Tom Jacob
ist ab sofort im Shop von Forelle & Äsche Verlag erhältlich.
Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dieses Buch ist eine Sensation.
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Tomo-san says
Liebe Verena,
vielen Dank für Deine Rückmeldung!
Ohne jetzt zu sehr in Details zu gehen (die stehen dann im meinem Buch, das im Herbst/Winter bei F&Ä erscheinen soll) verrate ich Dir vorab die Mutter aller Tenkara-Tips: fisch’ eine Rute, die so lang wie möglich, und eine Schnur, die so leicht wie möglich ist. Abhängig ist das alles, wie beim westlichen Fliegenfischen, von den Parametern Gewässergröße/Fischgröße und nicht zuletzt auch eine persönliche Präferenz.
In einem “regulären” Forellengewässer bis Du mit einer rund 3,60 Meter langen Rute (das ist ein Standard-Maß) grundsätzlich gut aufgehoben und eine 45er-Regenbogen wird Dich damit normalerweise nicht überfordern.
Für mein Buch habe ich mir über zwei Dutzend Ruten angeschafft, einen guten Teil davon direkt aus Japan. Nach unzähligen Wurf-Sessions bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es sich lohnt, die Ruten japanischer Hersteller zu kaufen. Lass’ die Finger weg von No-Name-Ruten aus China. Die stehen irgendwann für den halben Preis im Netz (wo auch ich die eine oder andere probehalber gekauft habe). Die bekannten amerikanischen Hersteller ndererseits – und sei ihr Marketing noch so gut und ihre Welt noch so bunt und hip – haben mich durchweg nicht überzeugt: viel Show, wenig Performance, hoher Preis.
Eine japanische Top-Rute kostet zwischen 120 und 500 Euro, die meisten um die 200 Euro. Mein Tipp wäre: Sieh’ Dich mal bei NISSIN um. Zum Beispiel in Italien (online). Und solltest Du gar nicht weiterommen, dann melde Dich nochmal; vielleicht habe ich noch was Passendes in meinem eigenen Fundus.
Schöne Grüße vom Oberrhein,
Tom
P. S. Und fische bitte, bitte, bitte (BITTE!) niemals (NIEMALS!) mit einer eingekürzten Fliegenschnur, sondern nur mit Flo-Monofil. Danke!
Verena says
Hallo Tom,
danke für den tollen Erfahrungsbericht. Magst du verraten, mit welcher Tenkara-Rute du fischt? Bin aktuell gerade auch auf der Suche nach einer vernünftigen Tenkara-Rute.
Viele Grüße und Petri,
Verena
Josef Prantler says
Ja, schöner Beitrag von Tom, vielen Dank dafür!
Döbel (auch bei uns heißen sie Aitel) sind in Wahrheit sogar schlauer als Forellen und Äschen. Einen solchen Fisch in Erwachsenengröße zu fangen, bedeutet jedenfalls, alles richtig gemacht zu haben.
Ich mag´ diese Burschen jedenfalls sehr gerne, die mir oft meine persönlichen fischereilichen Grenzen aufzeigen!
Ich persönlich bevorzuge zwar nach wie vor ein Rolle an meiner Rute, aber von der beschriebenen Vorsicht bei der Tenkara-Fischerei (und nicht nur da) können aber auch “normale Fliegenfischer” einiges lernen.
Vorfachstärken von 0,14 mm und darunter lehne ich aber ab. Gerade vor wenigen Fisch-Tagen hat mir “der Chef” eines Pools, eine kapitale Bachforelle, ein 0,16 mm Vorfach GTM Stroft mit einer Trockenfliege aber so was von leicht “abgezupft”, daß ich gerne wieder auf 0,18 mm umgestiegen bin.
Aber selbst 0,18 mm ist grenzwertig bei einer wirklich guten Forelle oder Äsche.
Wirklich gute Fische fängt man zu selten und diese aufgrund von zu geringen Vorfachstärken zu “plombieren”, damit habe ich schon ein Problem.
LG Sepp
Tankred Rinder says
Servus Sepp,
Ich bin auch ein großer Freund des Aitels. Der (Sport-) Fischer liebt den Aitel, der Kochtopfangler weniger. Obwohl man aus ihm hervorragende Fischfrikadellen machen kann. Deine Meinung zu den Vorfachstärken teile ich nicht ganz. Zu viele Parameter beeinflussen die Wahl des Vorfachs: Scheue der Fische, Strömung, Hindernisse im Wasser, Fliegenwahl. Gleichzeitig können zu viele Faktoren Grund für den Vorfachbruch sein: Qualität, Abnutzung und Alter des Monofils, Anschlagstärke etc. Ich kann aber zugegeben auf den Kitzel verzichten, kapitale Fische am dünnen Schnürl zu drillen. Dein Verlust tut mir aber leid, wünsche dir ein weiteres Rendezvous in dieser Saison. Tight lines, Tankred
Christian says
Lieber Tankred,
danke für die Veröffentlichung dieses großartigen Beitrages. Made my Mittagspause, ich habe vergessen zu essen, dafür aber diese wunderbaren Zeilen mit Genuss aufgesaugt!
Auch mir fällt unweigerlich das unbeschwerte Angeln in meiner Kindheit ein. Es mag nicht wirklich vergleichbar sein, aber mit unberingter Stipprute am Tieflandflüsschen auf “Aitel” wie diese Tiere bei uns heißen, das hatte schon auch ein klein wenig was von Tenkara …
Viele Grüße aus Wien,
Christian
Tankred Rinder says
Haha – lieber Christian,
der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Der Aitel ist mir aus meiner Kindheit wohl bekannt. Als ich im Grazer Umland die Äcker-Bewässerungsgräben mit lebendigen Heuschrecken durchstreifte. Damals wusste ich nicht, dass man das Tippfischen in Irland ‘Dapping’ nennt. Und dass sich Kinder zur Maifliegenzeit rund um Lough Corrib und Lough Mask ihr Taschengeld mit Ephemera Danica aufbessern. Danke Dir für den Besuch der Seiten von F&Ä. Viele Grüße, Tankred Rinder
Peter WS says
Hallo Tankred, hallo Tom!
Es ist schön, an dieser Stelle wieder ein paar philosophische Worte zum fliegen Fischen zu finden. Insbesondere der Bezug zu Tenkara gefällt mir sehr gut, da ich diese Einfachheit des Fischens für mich auch in den letzten Jahren entdeckt habe. Und auch mein Ziel Fisch ist der gleiche. Einen Döbel mit der Tankararute auf Sicht anwerfen, steht dem Forellen fischen in wirklich nichts nach.
Viele Grüße aus Köln und Thigt Lines!
Peter
Tankred Rinder says
Hallo Peter,
Du sprichst mir aus der Seele! Endlich wieder Beiträge auf dieser Seite – zudem welche, die dem Warum? des Fliegenfischens genauso viel Aufmerksamkeit schenken, wie dem Wie!. Das Tom Jacobs Beitrag beides in einem vereint, umso besser. Die Verachtung die hierzulande manchmal dem Döbel entgegen gebracht wird, sehe ich im selben Licht – wenn auch aus anderen Gründen – wie die britische Ablehnung der Äsche als Trockenfliegen- und Nymphenfischen von River Test und Itchen aus ihren globalen Siegeszug antraten. Das hat sich 100 Jahre später auch von selbst korrigiert. Wird dem Döbel hoffentlich ähnlich ergehen! Danke Dir und all den anderen die diese Seite bis zu einem hohen Grad inhaltlich erst ermöglichen!
Tight lines in 2021!
Markus says
Schöner Bericht denn so kleine meist wenig oder gar unbeachtete “Nebenbei – Bäche” bergen nicht nur zur Naturbeobachtung Wunderbares öfter als man/frau denkt sondern immer wieder auch spannende Herausforderung und Erlebnisse für Angler/-innen.
Übrigens, “Tenkara” gibt es seit Kindheitsgedenken jedenfalls in meinem Umfeld. Denn sehr viele Kinder versuchen mit einem einfachen Stock, Stück Schnur oder Bindfaden, an den eine Sicherheitsnadel, umgebogenen Nagel oder sofern vorhanden (geklaut oder geschenkt) einen echten Angelhaken geknotet wird, die ersten Fische zu fangen.
Mit Geduld und vorallem Geschick geht es noch viel einfacher, jedenfalls kleine Fische:
Nämlich wie zum Frösche oder Eidechsen fangen reicht ein einfacher längerer Grashalm, Binse wo am Ende nur noch ein kleines Stück Blüte dran ist :-))
Tankred Rinder says
Hallo Markus,
danke, danke – ein wahrlich bezaubernder Beitrag. Ganz deiner Meinung – das Angeln mit Stock und Schnur kennen wir aus unserer Kindheit. So mancher erzählt sogar vom Fang von Forellen mit bloßen Händen, dem berüchtigten Forellen kitzeln. Weil wir aber zudem der Ästhetik von Kunstfliegen viel abgewinnen können und das Steigen eines Fisches uns entzückt, begeistern wir uns für japanische Kebari gefischt an langer, ringloser Teleskoprute. Viele Grüße, Tankred