© Tankred Rinder
Seit dieser Saison zumindest. Schleierhaft, dass Streamerfischen auf Forellen im Fluss so lange von mir als etwas grobe Form des Fliegenfischens betrachtet wurde. Obwohl selbst diese Aussage nur halbwahr ist. Als bekennender Nymphenfischer kam es mir nur nie, so richtig in den Sinn. Überzeugte Trockenfliegenfischer können diese Empfindung wahrscheinlich teilen. Ein Tröpfeln an Insekten an der Oberfläche und schon war ich davon überzeugt, mit Insektenimitationen mein Auslangen zu finden. Und schlüpfte etwas zaghaft in der Vorwoche, war ich eher davon überzeugt, dass die Unterwasseraktivität von Tag zu Tag zunimmt als umgekehrt.
Vielleicht lag es auch an den zarten Bemühungen des Frühlings der letzten Jahre, der im März bereits die Landschaft richtig zum Erblühen brachte. Als der winterlich feuchte Duft der verrotteten Blätter und der von den Hochwassern plattgedrückten Gräser, schon zeitig im beginnenden Jahr, dem Duft sprießender Blüten wichen. Als die hartgesottenen ersten Insekten des Jahres – meist LDO und March Brown – dem letzten Aufbäumen des Winters standhielten und selbst kurzfristig flach einfallende Sonnenstrahlen ausreichten, dass die Insekten sich kräftig zurück meldeten. Und nicht weit hinterher waren die ersten Frühjahrsstiege der Forellen zu beobachten. Kein massiges zur Schau stellen der wiederkehrenden Lebendigkeit, aber immerhin örtlich vorhersehbar – in strömungsberuhigten Taschen, an den Kanten zügiger Rinnen, in Kehrströmungen.
Und so wurde in mir traditionell das Gefühlt geweckt, bereits zu Beginn der Forellensaison, mit feiner Taktik den Forellen nach zu stellen. Ungeachtet des räuberischen Verhaltens von Forellen aller Größen – von den Halbstarken bis zu den Giganten. Nicht in diesem Frühjahr aber. Mich über die Witterungsverhältnisse der ersten Monate dieses Jahres zu beklagen, war nie eine Option. Liegt außerhalb meines Einflussbereichs, verschwendet Energie, bringt mich nicht weiter. Was ich aber sehr wohl beeinflussen konnte, war mir Gedanken zu machen wie ich:
a. mit den für die Jahreszeit niedrigen Temperaturen umgehe
b. bei konstant schwankenden Wasserständen erfolgversprechend fliegenfische
c. unter diesen Umständen, dem Wasser trotzdem nahrungsaufnehmende Fische entlocke
Denn zu Hause zu bleiben und auf bessere Bedingungen zu warten, war keine Option. Schließlich war dazu die Schonzeit viel zu lange!
Denn nicht nur wir Fliegenfischer scharrten Mitte März bereits mit den Hufen. Auch die vom langen Winter ausgezehrten Forellen, mussten bald wieder daran denken Gewicht zuzulegen, um ihr Wiedererstarken zu beginnen. Ein aus der Sicht des Autors Bob Wyatt anthropomorphes Konzept. Seiner Meinung nach können Fische als Kaltblütler, über sehr lange Zeit die Nahrungszufuhr einstellen, ohne dabei zu verenden und noch wichtiger für unser eigenes Verständnis und Empfinden, Hunger zu verspüren. Hunger ist ein Gefühl, dass Fische mit ihrem erbsengroßen Gehirn und fehlendem Cortex nicht entwickeln können. Die Fischbiologen unter den Lesern mögen mich/uns bitte aufklären – die These klingt zumindest schlüssig.
Wie dem auch sei, die langsam ansteigenden Wassertemperaturen legen wohl bei Forellen den Schalter um. Egal was sich so im Wasser herumtreibt. Gerät es vor das Maul, oder in das Sichtfeld der Forellen, hüten sich Elritzen, Koppen, Brutfische jeder Art, Egel oder jede andere kalorienreiche Beute besser vor ihnen. Obwohl ich feststellen musste, dass die Aggressivität nicht an jedem Tag gleich ist. Gelegentlich ist eine Forelle dabei zu beobachten, wie sie von einem Ufer zum anderen, feist hinter dem Streamer her ist – höchst spannend und atemberaubend, bis zum erhofften Straffen der Schnur.
An anderen Tagen sind die Bisse verhalten und zaghaft, mit leichten Schlägen in der Schnur ohne einen soliden Anbiss. Bis vor die Füße verfolgen die Fische den Streamer und können sich dennoch nicht sorecht entschließen. Aufregend ist es allemal trotzdem zu beobachten, wie verzagt und unentschlossen die Fische dem Streamer folgen, leicht das Marabouschwänzchen anknabbern, ohne dabei mit so richtig Schmackes zuzubeißen.
Ein Mitgrund der mich lange davon abhielt, Streamers am Fluss ernsthaft in Betracht zu ziehen, war mein Unwille mit stärkerem Gerät – sagen wir eine 6er Rute oder so – am Fluss loszuziehen. Aber die Leichtigkeit mit der meine Stillwasserrute – eine 5er Orvis Access – beschwerte Woolly Buggers in Größe 8 wirft, ließ mich umdenken. Wollte ich einen Koppenstreamer mit Tungstenkopf werfen, müsste ich wohl eine oder zwei Gewichtsklasse höher gehen. Da aber dort wo ich fische der mittlere Wasserstand so um die 80cm liegt, sehe ich wenig Grund dafür mit den schweren Geschützen aufzufahren.
Die Pools – davon gibt es jedoch einige – mit einer Wassertiefe von 2m oder mehr, werde ich mit dieser Zusammenstellung zwar schwer ‘ergründen’ können. Doch erstens schlaufe ich einen 5ft (150cm) langen Fast/Super Fast Polyleader an meine Schwimmschnur und halte dabei das Vorfach sehr kurz – 60-100cm ist vollkommen ausreichend – wodurch der Streamer zumindest in der Dead-Drift Phase schnell absinkt. Zweitens schauen Fische auf Nahrungssuche nach oben und für einen Köder der das Verhältnis Kraftaufwand vs. Kalorienzufuhr im positiven Licht erscheinen lässt, sind auch tiefer stehende Fische gewillt mal aufzusteigen.
Unsere KollegInnen über dem großen Teich, standen seit eh und je dem Fliegenfischen mit dem Streamer auf Forellen im Fluß offener gegenüber, als wir hier in Europa. Zu gerne siedelte man in unseren Breiten, Streamerfischen mit dem komplett aus der Mode geratenen Nassfliegenfischen gleich. Eine als wenig ausgefeilte Technik betrachtet – laut der Meinung einiger Fliegenfischer – bei der irgendwie und ungezielt ausgeworfen wird, die Fliege von der Strömung mitgerissen und hoch beschleunigt durchs Wasser gezogen wird. Weit gefehlt wie ich meine, da bei beiden Methoden wichtiges Können erlernt wird.
Besonders, was man im Englischen als ’stream craft’ oder ‘river craft’ bezeichnet. Nämlich durch ’line-mending’ die Tiefe der gefischten Fliege zu beeinflussen. Dafür zu sorgen, dass in flotten Rauschen und Rinnen die Fliege in der Geschwindigkeit des Flusses, so tief oder seicht wie man beabsichtigt fischt. Oder dass die Fliege durch langsame Flussabschnitte mit größerer Geschwindigkeit durchzieht. Fragt jeden Lachsfliegenfischer den ihr möchtet und er wird die Wichtigkeit für den Erfolg durch ‘line-control’ bestätigen.
Und ähnlich wie beim Lachsfischen ist der quer gegen den Fluß und stromab (Across & Down) oder leicht schräg flussab (Down & Across) ein probater Ansatz beim Streamerfischen im Fluss. Brut- und Kleinfische als auch Egel – die Quelle der Imitation von Streamers – bewegen sich jedoch in alle Richtungen und das in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Darum sollte nicht aufs Experimentieren mit Einholgeschwindigkeiten vergessen werden.
Nicht zuletzt treibt die Beute auch tot durchs Wasser und ein flussauf geworfener Köder der in der Strömung abtreibt, hat mir auch schöne Erfolge gebracht. Denn selbst beim dead-drift flussab fischen, kann man dem Köder Leben einhauchen. Bewährt hat sich dabei eine in den USA weitverbreitete Einholtaktik – der Jerk Strip. Bei dieser Methode wird mit der Rutenspitze der Köder in Bewegung gesetzt, anstatt mit der Schnurhand. Diese wird nur dazu benutzt, die lose Schnur aufzunehmen, wenn die Rute wieder in ihre Ausgangsposition gebracht. Doch seht selbst.
https://www.youtube.com/watch?v=Pr_SwnIx6bA
Mit ein wenig Experimentierfreudigkeit konnte ich auch feststellen, dass diese Einholtechnik auch beim Heranziehen des Köders ihren Trumpf ausspielen kann. Wenn der Streamer mit ruckartigen Zupfbewegungen durch die Rute in Bewegung gesetzt wird und wie ein erschöpftes Köderfischchen kurz stromab treibt, bevor er wieder flussauf gezogen wird. Die Bisse die sich oft erst einstellen, wenn der Köder sich wieder nach vor bewegt – Fluchtreflex und Bissreiz – sind entschlossen, wenn nicht gelegentlich sogar brutal.
Die Monotonie in die man beim Streamerfischen durch ewig gleiche Einholbewegungen leicht verfällt, wird aus meiner Erfahrung am besten durch sich ständig ändernde Einholtaktik und Geschwindigkeit verändert. Das hat sich schon beim Streamerfischen im Stillwasser bewährt. Funktioniert an einem Tag der stete, schnelle Zug des Streamer, mögen as am anderen Tag die Forellen etwas verspielter. Schnelle Zupfer, kurze Stopps, langsame Züge, am besten abwechselnd vermischt – Versuch macht klug.
Ich bin sehr froh, dass ich aus ‘journalistischer Auftragsüberzeugung’, in dieser Saison bis Ende April ausschließlich mit Streamers an meinen Heimgewässern entlangzog. Schärfte es doch den Sinn für ein erweitertes Repertoire an Techniken beim Fliegenfischen.
Doch wenn auch der Erfolg der letzten Wochen mich sogar etwas schwach macht, das Streamerfischen bis noch viel später in der Saison zu betreiben, so freue ich mich doch wieder auf die etwas filigranere Fischerei mit Nymphen und Aufsteigern. Abwechslung ist nun mal die Würze des Lebens. Und mit dem Ende des Watverbots zum 1.5. freue ich mich so richtig auf das Fischen mit North Country Spiders im Mai.
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Peter says
Hallo Tankred, Dein Artikel hat mir die erste große Forelle der Saison beschert. Danke! Ich war mit langer 3er Rute und Nymphenoutfit an der Ahr und habe nach den ersten paar Würfen gemerkt, das ich inmitten tausender Brutfische stehe. Ich erinnerte mich an diesen Artikel hier, habe ein wenig in meinen Fliegendosen suchen müssen und habe schließlich eine schwarze Lachsfliege/Streamer (Black Shadow?, schwarze Schwinge, Silber Körper, Gildfasan Schwänzchen auf einem dicken großen schwarzen Haken gebunden) gefunden und angeknotet. Der unbeschwerte Streamer ließ sich an der 3er Rute / 4er Leine gut werfen und führen.
Ein paar Würfe später kam die Bestätigung, das das die richtige Wahl war und ich hatte meine bisher größte Ahrforelle am Haken. Ich konnte noch einige, auch sehr kleine, Fische mit dieser Fliege fangen. Später stand ich aber wieder mit hoch erhobener Rute, langem Vorfach und kleiner Nymphe am Fluss. Man sollte nicht zu sehr auf eine Technik eingefahren sein und – trotz aller Spezialisierung und Spezialgeräte für jede Fliegengattung – auch mal was anderes probieren, dann klappt’s auch mit dem Fisch!
Tankred, danke für deine stetigen guten Beiträge. Weiter so!
Peter
Tankred Rinder says
Hallo Peter,
es freut mich sehr, dass Du der Meinung bist, dass ich einen kleinen Beitrag zu deinem Erfolg beigetragen habe. Die Schilderung deines Tagesverlaufs verkörpert exakt, wie ich mir auch meine Fischerei vorstelle. Flexibel und überlegt die gegebenen Bedingungen einschätzen, Vertrauen in die Ausrüstung und die Fähigkeiten haben, um letztlich das Beste aus jeder Situation rauszuholen. Petri Heil zur größten Forelle des Jahres!
LG Tankred
Jürgen Häfele says
Hallo Tankred, danke für deinen sehr gut verfassten Bericht über eine tatsächlich in den Hintergrund geratene Technik des Fliegenfischens.
Auch ich fische sehr gerne im zeitigen Frühjahr mit dem Streamer, gerade wenn das Wasser leicht erhöht und etwas getrübt ist. Mit steigenden Temperaturen und guten Vorraussetzungen fürs Nymphen und Trockenfischen gelangt auch bei mir der Streamer wieder etwas in Vergessenheit.
Beste Grüße Jürgen
Tankred Rinder says
Hallo Jürgen,
danke ebenfalls für Deinen Kommentar. Das Wetter in den kommenden Tagen verspricht dann ja genau letzteres. Streamers einpacken bis zum nächsten Hochwasser. Die Dose mit den leichten Nymphen, Emerger und den Trockenen ab nun gut sortieren.
Beste Grüße und tight lines für das warme, lange Wochenende, Tankred
Heribert Hahne says
In Deutschland ist das Streamer Fischen auf Forellen total eingeschlafen. Ein wenig hat es auf Meerforellen, Hechte und andere Raeuber zugenommen. Ich muss gestehen, dass ich in Deutschland auch nur dann den Streamer eingesetzt habe, wenn ich Grossforellen zu erwarten hatte. Auch weil ich der (irrigen) Meinung gewesen bin, dieses Kaliber frisst nur noch seine Kinder und eine Trockene oder Nasse ist doch nur etwas “fuer den kleinen Hunger zwischendurch”.
Eines habe ich dabei gehasst – die manchmal brutalen Bisse von staerkeren Forellen auf den sowieso schon unter Spannung stehenden Koeder beim Fussabwaertsfischen oder beim schnellen Stripen (Jerk Strip). Abrisse waren an der Tagesordnung. Waehlt man das Vorfach zu stark, spielte der Streamer nicht mehr so schoen. Waehlt man es zu schwach, spielte der Streamer zwar sehr verfuehrerisch, jedoch – siehe oben! Und wer weiss schon was da unten fuer ein Kaliber auf den Muddler wartet!?
Heute fische ich sehr gerne mit dem Streamer im Stillwasser auf Rainbows – vorzugsweise im Auslaufbereich. Da, wo der See langsam anfaengt sich in einen Fluss zu verwandeln. Im total ruhigen Wasser geht er zwar auch, man muss jedoch immer darauf achten, dass der Streamer a) in der richtigen Tiefe und b) so natuerlich wie moeglich seine Arbeit verrichtet. Und – ueberlange Vorfaecher einsetzen sonst bekomme man nur die Kleinen, die Halbstarken.
Und wie fischen wir hier auf die Mutter aller Regenbogen, der Steelhead? Mit dem Streamer! Denn alle Imitationen – auch wenn man sie “Fliegen” nennt aber damit ueberhaupt keine Aehnlichkeit haben, sind letztendlich nix anderes als Streamer und werden auch so (zumindest so aehnlich) gefischt.
Tankred Rinder says
Einige sehr wichtige Punkte sprichst Du in Deinem Kommentar an Heribert, danke!
– Großforellen fressen nicht nur Fischnahrung
– den Streamer mit einem Schlaufenknoten zu befestigen verbessert das Spiel des Streamers. http://howtoflyfish.orvis.com/fly-fishing-knots/non-slip-mono-loop-video
– das Problem mit dem (regelmäßigen) Vorfachbruch kann ich nicht bestätigen. Ich bin felsenfest davon überzeugt 0.18mm ist ausreichend. Es spricht aber wenig dagegen kräftigeres zu verwenden
– bislang wandte ich Streamerfischen nur im Stillwasser an. Bin nun froh das geändert zu haben
– 100% Zustimmung zum Steelheadfischen. Beneide dich um die regelmäßige Möglichkeit dazu.
Viele Grüße nach Kanada, Tankred