Beim Anblick eines Sees oder Stausees schleicht sich leicht Unbehagen ein. Vor einem liegt eine riesige, oder auch weniger große Wassermasse, die vordergründig wenige Geheimnisse preisgibt. Steine, Krautfelder, Bachbetten erschließen sich keinem weitschweifenden Blick. Migrationszüge von Forellen sind dem gelegentlichen Besucher nicht vertraut. Standorttreue wird von Regenbogen- und Seeforellen kleingeschrieben. Futter in Form von Insekten und Brutfischen sammelt sich vegetationsbedingt und von Wind und Sonne beeinflusst, oft an wenig offensichtlichen Stellen. Wo und wie nun beginnen, um das vor sich liegende Geheimnis zu lüften?
WETTERBEOBACHTUNG
Wetterberichte über längere Zeiträume zu verfolgen steht an oberster Stelle. Sich Notizen über spezielle Windverhältnisse der vorgehenden Tage zu machen ist unerlässlich. Wind bringt Stillwasser in Bewegung und wirkt oft Tage nach. Sich wachsamen Auges dem ausgewählten Spot zu nähern, gibt Aufschlüsse über Insektenschlüpfe der letzten Tage. Denn Forellen sind nicht die einzigen Genießer von Zuckmücken, Eintags- und Köcherfliegen. Passiert man ein Spinnennetz, lohnt sich der Blick auf den Inhalt der klebrigen Fäden. Und je dichter der Schlupf, umso höher die Wahrscheinlichkeit das Spinnen ihre Netze in Ufernähe ausrichten, um den dicken Leib eines Wasserinsekts zu fangen, einzuhüllen und auszusaugen.
Vermittelt das Seeufer keine Hinweise, lässt man den Blick über das Wasser schweifen. Aquatischer Beutetiere sind sowohl Gefahren aus dem Wasser, als auch der Luft ausgesetzt. Den Schlupf erfolgreich angeschlossen, Flügel getrocknet und von der Oberfläche abgehoben, garantiert einzig die Masse an Artgenossen das Fortbestehen. Denn Schwalben greifen ein Insekt nach dem anderen auf, wenn sie dicht über der Oberfläche ihre rasanten Kurse drehen. Haubentaucher und andere Wasservögel ernähren sich ebenso von Fischbrut, wie Forellen. Tauchen diese Vögel in einem begrenzten Bereich um mit ihren rauen Schnäbeln, kleine Jungfische aus einem Schwarm aufzugreifen, befinden sich Forellen nicht unweit. Möwen stürzen sich aus der Luft in den See und picken betäubte oder gelähmte Fische auf, die der kräftige Schlag einer Forelle hinterließ, wenn diese einen aus tausenden kleinen Fischen bestehenden Schwarm attackierten. Die Existenz in den untersten Gliedern der Nahrungskette ist keine leichte.
AUSKÜNFTE EINHOLEN
Beim Kauf der Tageskarte in einem Tackle Shop, soll man unbedingt ein Gespräche mit den Verkäufern führen. Es ist im Interesse der Verkäufer, wenn Gäste einen erfolgreichen Tag verbringen und in Zukunft erneut den Weg an das Gewässer antreten. Eine oft ungenutzte Quelle an Information am Wasser, sind andere Fischer. Sieht man sich die Auskunfts- und Mitteiligkeitsfreudigkeit vieler Angler in Foren und Blogs an, überrascht es überhaupt nicht, dass viele Fischer bereitwillig Erfahrung und Wissen mitteilen – Höflichkeit und Umsicht vorausgesetzt. Wer zu einem bis zur Hüfte im Wasser stehenden Kollegen oder Kollegin watet, um Auskünfte über Fangerfolg, Taktik und Fliegen zu erhalten, darf sich nicht über spitze, muffige, gar obszöne Reaktionen wundern. Die eigene Freiheit endet immer dort, wo die des anderen beginnt – somit halten wir uns an den Respektabstand von fünfzig Metern, begegnen wir einem anderen Fischer am See.
Andere Kollegen zu beobachten kann jedoch Dividenden ausschütten, denn Einholgeschwindigkeit der Schnur, die Zeit die verstreicht bis das Einholen beginnt, selbst Wurfweiten können Aufschluss über Köderwahl, Jagdtiefe und Jagdplatz vermitteln. Ich erinnere mich an einen Ausflug mit einem Kollegen, der in derselben Zeit, mit denselben Fliegen an mehr oder weniger derselben Stelle und Tiefe, doppelt so viele Fische fing wie ich. Warum? Während ich warf soweit es ging, befischt er die zwanzig Meter vor sich. Zu spät fiel der Groschen bei mir, dass ich alle Bisse in den fünfzehn Metern vor mir hatte. Mehr als die Hälfte der Strecke die meine Fliegen zurücklegten, wurden diese von keinem einzigen Fisch wahrgenommen. Nettes Weitwurftraining – doch aus fangtechnischer Hinsicht höchst ineffizient.
METER FÜR METER
Noch bevor man den ersten Schritt ins Wasser tut, gilt es sich am Ufer für einige Momente einzurichten, oder vorsichtig am beabsichtigten Standplatz auf und ab zu patrouillieren. Unterwasserbewegungen dicht an der Oberfläche sind nicht immer leicht auszumachen. Abdrehende Forellen, die sich ihre Beute geschnappt haben, ausscherende Bewegungen, auf-und abtauchende Fische, Flossen die aus dem Wasser ragen – all diese Momente hinterlassen mehr oder weniger subtile Spuren an der Wasseroberfläche. Sind Fische erst an einer Stelle vorhanden, verraten sich diese in der Regel auch.
Der Gang ins Wasser will somit gut überlegt sein und sukzessive durchgeführt werden. Es ist zutreffend, dass die Wurfreichweite erhöht wird, steht man erst bis zur Hüfte im See. Die fünf Meter die man dadurch gewinnt, kompensieren Forellen aber vielleicht mit einer zehn Meter Flucht nach vorne. Kann man Fische in Ufernähe in knietiefem Wasser bei der Nahrungsaufnahme beobachten, wirft man diese schon mal aus guter Entfernung an. Keine Sorge wenn dabei die Hälfte der Fliegenschnur im Trockenen liegt.
SUCHFISCHEN
Geben weder Luft, Land oder Wasser Hinweise auf die Präsenz von Insekten, Jungfischen oder Forellen greift man im nächsten Schritt zu Suchtaktiken. Für viele Beginner ist Fliegenfischen im Stillwasser synonym zu Streamerfischen und Reizfliegen. Und in der Tat machen Köderfische einen wesentlichen Teil der Nahrung von Regenbogen-, Bach-und Seeforellen im Stillwasser aus. Zum anderen halten Reizfliegen was sie versprechen und ziehen neugierige oder aggressive Fische selbst aus größeren Entfernungen an. Zeigen sich darauf noch immer keine Forellen in Form von soliden Bissen, anderen Kontakten oder Nachgängern, ist es wohl Zeit die Stelle zu wechseln. Entweder sind die Fische aus opportunen Gründen an anderen Stellen oder gänzlich aus der Reichweite.
IN BEWEGUNG BLEIBEN
Sprechen äußere Bedingungen für letzteres z.B. im Sommer oder am Wochenende an belebten Ufern – den Spaß Steine ins Wasser zu werfen möchte ich keinem Kind ansprechen und mit apportierenden Hunden und deren Besitzern lege ich mich auch nicht an – kann es sinnvoll sein, zu fortgeschrittener Nachmittagsstunde an die selbe Stelle zurück zu kehren. Vorausgesetzt Instinkt oder Erfahrung sprechen dafür. In der Regel kann man jedoch einer Stelle nach zwanzig Minuten bis einer Stunde den Rücken kehren. Außer man setzt auf das Migrationsverhalten von Regenbogen- und Seeforellen – denn irgendwann schwimmen diese mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem guten Spot wieder vorbei. Wilde Bachforellen sind da schon etwas standorttreuer. Wurde erst ein Jagdgrund ausgemacht, verweilen diese relativ stationär.
WINDEINFLÜSSE
Den größten Einfluss auf Nahrungsvorkommen nimmt zweifellos der Wind ein. Winde sammeln Treibmasse z.B. Insekten an den ihnen zugewandten Ufern. Winde erzeugen Strömungen, die selbst nach Richtungsänderungen anhalten können. Winde verfärben Wasser und verhindern dadurch Nahrungsaufnahme. Winde bilden Förderbänder an denen sich Nahrung konzentriert. Winde erwärmen oder kühlen Wasserschichten und beeinflussen somit Schwimmtiefe von Fischen. Starke Winde verhindern Schlüpfe und drängen Forellen in ruhigere Buchten oder Randzonen.
Somit sehen wir uns im nächsten Beitrag zur Stillwasserfischerei – ‚Wo finde ich den Fisch?‘ den Einfluß von Wasserbewegung auf das Nahrungsaufkommen und das Fischvorkommen an.
Mehr zum Thema gibt es im Buch: ‚Nymphenfischen – Geheimnisse entlarvt‘
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Boris says
Keep up the good work Tankred!
Tankred Rinder says
Cheers Boris, that’s the kind of motivation that keeps me going. Best wishes, Tankred
SvenOstermann says
Toll geschrieben und ich freue mich auf die weiteren Beiträge.
Tankred Rinder says
Schön Sven, freut mich dass Dir der Artikel gefällt. Die Folgebeiträge sind in Bearbeitung. Im Moment schwitze ich mir einen an der Wiesen ab – die Abendstunden haben es aber in sich! Unglaubliche Schlüpfe, tolle Bisse. Es macht viel Spass! LG Tankred