Als im Oktober 2010 die damals neueste Ausgabe von Flyfishing & Flytying auf meinem Schreibtisch landete, staunte ich nicht wenig. Am Cover Roman Moser, wie gewohnt mit prächtiger Regebogenforelle. Was in ihrem Maulwinkel hing aber, farbig wie ein Bonbon aus Zeiten, an denen diese noch in riesigen Gläsern beim Greißler ums Eck verteilt wurden, wenn Mutter mal wieder ordentlich kurz vor Ladenschluß pikante Extrawurst (Lyoner), Tilsiter, Bojar Frischkäse, naturtrüben Apfelsaft und weitere Leckereien dort besorgte, anstatt zum Supermarkt zufahren, ließ mich mit gekniffenen Augen schnell das Heftinnere aufschlagen.
Extra-terrestrial mutants: ein Aussehen wie eine Requisite aus einer der genialsten britischen Comedy-Serien des letzten Jahrzehnts, The Mighty Boosh. Eine surreale Komödie über zwei ungleiche Freunde, die mit kiffenden Schamanen, sprechenden Gorillas, gottspielenden Wissenschaftlern eine Reise in psychedelische Galaxien unternehmen. Jede einzelne Episode gespickt mit popkulturellen Kulturversatzstücken – Electro, Freejazz, Progrock, Funk & Disco stehen seitdem keinem ernsthaften Diskurs mehr zur Disposition. Den schuppigen Lebewesen fühlten sich die beiden auch zugetan, wie untenstehendes Video zeigt.
Comicfiguren mit knallbunten Körpern, mit Augen die zu einem sprechen, mit Körpern die man drücken möchte wie eine Plastilinfigur – wäre da nicht ein spitzer, langschenkeliger Haken dran. Die Nutzung von Schaumstoff und anderen synthetischen Materialien sind für Roman Moser nicht neu. Schon zu Beginn seiner fischereilichen Karriere durchstöberte er aus Mangel an verfügbaren Bindematerial Bastel-und Hobbyläden nach bindegerechtem Material, sammelte Flusen aus Kunstteppichen, untersuchte alle möglichen Kunststoffe auf seine funktionelle Tauglichkeit für das Fliegenbinden.
Während einer Reise in die Mongolei stieß er über einen befreundeten amerikanischen Fliegenfischer auf die Chernobyl Ant, die der Gruppe dort unzählige arktische Äschen und Saiblinge bescherte. Die brennende Frage ob sich dieses auftriebsstarke Muster auch für heimische Salmoniden eignet und ob es sich nicht lohnt heimische Heuschrecken in ihrer vielfältigen Farbgebung von gelb, über giftgrün, zu rot, bis violett zu imitieren, ließ Roman Moser keine Ruhe. Bis er davon überzeugt war – auch in mitteleuropäischen Gewässern funktioniert sein überdimensionierter Hopper. Fröhlich, farbenfroh, fängig eben.
Damit die eifrigen Fliegenbinder unter Euch, diese ‚reizenden‘ Muster nicht nur ansehen, sondern auch nachbinden könnt, hat sich Roman Moser freundlicherweise dazu bereit erklärt, seine Bindeanleitungen mit Forelle & Äsche zu teilen. Denn auch wir sollten uns an der Reaktion erfreuen, mit der sich Salmoniden aller Art auf diese skurrilen, ihnen in Form und Farbe wenig bekannten Kunstfliegen stürzen. Und wer nun denkt diese abstrakten Muster seien in erster Linie dafür gedacht, besondere Gierschlunde wie Saiblinge, Regenbogenforellen und Cutthroats anzusprechen, der wird sich von folgender Abbildung hoffentlich eines Besseren belehren lassen.
THE CHERNOBYL ANT – das Original
Bindematerial
Haken Salmon Classic oder Low-Water Hook #4-10
Bindefaden Power Silk 5/0
Körper Ghost Fibre Polypropylen Dubbing oder Chenille
Rücken 2mm Rainy’s Foam Skin) Farbe nach Wahl
Beinchen Polyurethane Gummi Beinchen
Sichthilfe Hi Viz Fibre oder Glo Bug Garn
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milo says
Hallo, kann es nur bestätigen, es binden macht spass und können sehr erfolgreich sein.
sehr gut beim überhängende Bäume, Grass.
Gruss Milo
Tankred Rinder says
Vielen Dank Milo für die Bestätigung meines Beitrags. Machen denselben Lärm bei der Landung am Wasser wie ein großes Landinsekt.
Grüße Tankred
Peter says
Kaum zu glauben, dass man mit den “Dingern” was fangen soll! Aber ich werde die Tage mal ein wenig binden und nächste Woche, bei meinem letzten Ausflug für dieses Jahr an die Ahr, mal sehen was die Forellen dazu meinen.
Tankred Rinder says
Mit dem festen Glauben soll man beginnen – Vertrauen in die angebundene Fliege, ist die Voraussetzung für den Erfolg eines Musters. Fische sind nun mal auch neugierig und nehmen Dinge die ihren Instinkt ansprechen erst mal in den Mund. Versuchs mal – ich bin überzeugt auch an der Ahr werden diese Muster erfolgreich sein. Tight lines!
Volker Krause says
Solche Ants haben mir in der Rur manch prächtige Bachforelle gebracht. Die Forellen stürzten sich gierig darauf, siehe auch Foto auf meiner Website http://www.my-passion-flyfishing.de/ “Fliegen des Tages”!
Gruß Volker
Tankred Rinder says
Tolles Foto Volker – bombige Fliegen, ganz klasse Rolle! Petri Heil und Gruß, Tankred
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