Vergangenen Sonntag beschloss ich nach getaner Arbeit – wöchentliche Artikel zur Unterhaltung der Leser von Forelle & Äsche wollen geschrieben werden – den lauen Novembertag zu nutzen, einige Stunden im Freien zu verbringen. Leicht bestückt – Wathose, Rolle, Fliegendose mit einigen Streamers, Vorfach und Rolle – machte ich mich auf den Weg nach Rodenkirchen in Köln um für einige Stunden diesem unwiderstehlichen Drang nach zu geben, die wenigen verfügbaren Stunden dafür zu nutzen, einen verführerisch in der Strömung treibenden Streamer durch den Rhein zu befördern.
Eine 5/6 Rute ist ausreichend um selbst beschwerte Streamers durch die Luft zu befördern. Erst beim Einsatz von Sinkschnüren, greife ich auf meine 7/8 Rute zurück um das Aufheben der nahe am Grund treibenden Schnur zu erleichtern. Die Windrichtung war mir ebenfalls gnädig. Es gab gegen keine heftigen Böen anzukämpfen, denn der auf meinen Rücken drückende Wind schoss nach ein bis zwei Leerwürfen die Schnur bis weit in die Flussmitte.
Die Großstadt begrenzt die Gewässerauswahl die man mal so im Handumdrehen erreicht, um mal für ein Stündchen oder zwei sein Glück auf Forelle & Äsche zu versuchen. Somit kaufe ich alljährlich eine Jahreskarte für den Rhein um sage und schreibe 30€ um mich am Wasser zu vergnügen, Rollwürfe zu üben oder mit ein wenig Glück Döbel, Barben oder Rapfen zu fangen. Selbst den Kauf einer Zweihandrute habe ich mir schon überlegt. Wer weiss schon wann Fortuna ihr Füllhorn ausschüttet und mich mit einer Einladung an Dee, Gaula oder Mörrum beglückt. Darauf möchte ich vorbereitet sein, wenn es eintrifft. Ausserdem ist der Rhein mit einem guten Zander Vorkommen gesegnet und ich habe mir sagen lassen, mehr und mehr Fischer tauschen die Spinn – gegen eine Zweihandrute.
Mich fasziniert die Fliegenfischerei in Großgewässern. Die Ausbeute ist selten mit der an Klein- bis Mittelflüssen zu vergleichen und man muss sich seinen Erfolg wirklich hart erarbeiten. Nur gelegentlich geben sich Fische zu zeigen – jagende Rapfen sind ein bemerkenswertes Spektakel – und man fischt systematisch jeden verfügbaren Meter Fluss ab. Die Geduld für das Lachsfischen und die unweigerlich damit verbundene Tugend der Demut, lernt man rasch bei Ausflügen an den Rhein. Letzten Sonntag jedoch sollte es anders kommen.
Gelassen gebe ich mich dem Rhythmus des klassischen Wet Fly Swing hin und werfe mein Schnur etwa 45∘flussab, lass diese von der Strömung ergreifen und den beschwerten Goldhead Woolly Bugger immer wieder ans Ufer treiben. In Ufernähe gespült, baumelt der grün-schwarze Woolly Bugger einige Sekunden an der Leine – ‘on the dangle’ im Englischen – bevor ich den Streamer mit manchmal gleichmäßig langen, dann wieder mit kurzen ruckartigen Zügen an mich heranhole, um zum nächsten Wurf anzusetzen. Die Geschwindigkeit des Swings variiere ich ebenso und lege gelegentlich die Schnur ein oder mehrere Mal flussaufwärts ab – das Line Mending – um den Streamer so tief wie möglich absinken und im ‘dead drift’ gleiten zu lassen.
Und nach einer Stunde unermüdlichen Werfens, mitten in dieser besänftigenden Monotonie aus Anheben – Leerwurf – Cast – Mend – reisst mich ein knapper, beherzter Zug aus meiner konzentrierten Trance. Welch unbeschreiblicher Moment wenn beim entschlossenen Anhieb der Rute, sich das Gewicht eines Fisches spüren lässt, der sich die Strömung zu eigen machen weiss. Das ich es mit keinem Riesen zu tun hatte war schnell klar. Mit mehr Gegenwehr als ein Barsch kämpfte aber der gehakte Fisch und mit Spannung holte ich meine Beute so rasch heran als es ging. Vorbereitet war ich auf einige Arten die sich von der leichten Verführbarkeit der durchs Wasser pulsierenden Marabou Fibern verlocken lassen könnten. Was sich jedoch nach einigen Minuten letztendlich vor mir zeigte, verschlug mir beinahe den Atem.
Da rollte doch tatsächlich der weisse Bauch einer Meerforelle im Blau des Rheins. Mit einigen Fischarten hatte ich gerechnet, als sich die Schnur straffte und schwerer wurde. Barben, denen man Bisse auf Montana Nymphen und Woolly Bugger nachsagt, hätte ich eher erwartet als den Fang einer Meerforelle. Als ich die in NRW ganzjährig geschonte und etwa 30cm große Meerforelle – aus dem Jugendzimmer sozusagen – behutsam wieder in ihr Element entliess, erinnerte ich mich an das ‘Aktionsprogramm Lachs 2020’. Diese Initiative ist eine Weiterführung der erfolgreich initiierten Agenda ‘Rhein Lachs 2000’ der Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR). Ziel dieses Ansatzes ist „die Wiederherstellung des Biotopverbundes“ und die „ökologische Durchgängigkeit des Rheins vom Bodensee bis zur Nordsee sowie der im Wanderfischprogramm enthaltenen Nebenflüsse“.
Das mühevolle Unterfangen, den einst sich mit Wanderfischen tummelnden Rhein wieder an vergangene Zeiten heranzuführen, führt offenbar zu ersten Erfolgen. So ist einer Meldung des Rheinland-Pfälzischen Ministerium für Umwelt , Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten zu entnehmen, das ‘insgesamt in den Wanderfischprojekt Gewässersystemen Sieg, Saynbach, Ahr, Nette und Lahn sowie in Mosel und Rhein im Zeitraum 1992 – 2010 immerhin 945 Meerforellen und 615 Lachse nachgewiesen werden’ konnten.
Diese Zahlen belegen, dass der Fang eines Lachses oder einer Meerforelle aus dem Rhein sicherlich nicht zu alltäglichen Erlebnissen zählt. Vermutlich sollte das ebenfalls nicht der Antrieb sein, sein Glück mit der Fliegenrute an einem großen Strom zu versuchen. Aber für den Preis einer Jahreskarte – für den einen Großfluss mehr, für den anderen weniger – stellen diese Gewässer eine gute Möglichkeit dar, auch in den Forellen Schonmonaten gelegentlich die Leine auszuwerfen. Es hält fit und hilft dabei Wurfübungen auszuführen die am Wasser einfach mehr Spass machen als am Rasen. Und mit ein wenig Glück und Ausdauer – ja dann – lässt sich am Ende vielleicht doch eine der zahlreichen Fischarten unserer heimischen Flüsse zum Biss verführen.
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Volker Krause says
Glückwunsch, Tankred! Das lässt hoffen, dass dieser Fang kein Einzelerlebnis bleibt!
Im Rhein habe ich noch nicht gefischt, obwohl er für mich in erreichbarer Nähe liegt. Es spukt halt noch immer die Annahme in mir herum, dass das Wasser total verdreckt ist. Wie sieht die Schnur nach dem Fischen aus? Zeigt sie ob der Chemie Auflösungserscheinungen?
Viele Grüße Volker
Tankred Rinder says
Danke Volker,
es würde mich freuen wenn es nicht bei dieser einen Meerforelle bleibt!
Die fürs freie Auge auszumachenden Wasserqualität ist sehr gut. Ob der Schwermetallbelastung in Sedimentablagerungen möchte ich mir lieber keine Gedanken machen. In einem im Jahre 2010 veröffentlichten Artikel zur Verzehrbarkeit der Rheinfische, wird die Empfehlung ausgesprochen nicht mehr als 200g pro Monat zu konsumieren. Das schliesst wohl, den interessanten Speisefisch Zander aus, außer man teilt die Filets mit der ganzen Familie.
Die Schnur zeigt keine Abnutzungserscheinungen. Die abendliche Pflege nach dem Ausflug schadet aber nicht. Dir als Zweihandruten Benutzer kann ich das Erlebnis ans Herz legen. Vielleicht einmal gemeinsam im Sommer.
Beste Grüße, Tankred
svenostermann says
Danke für diesen schönen Bericht. Bis bald am Rhein ;-)
Tankred Rinder says
Gern sogar Sven,
meine Email liess ich dir letztens zukommen. Freue mich auf einen gemeinsamen Ausflug.
BG Tankred