Als Blogger ist es mir nicht fremd, bereits einmal daran gedacht zu haben ein Buch zu schreiben. Mitteilungsfreudig wie viele Fliegenfischer nun mal sind: sei es bei Fischereiverein Jahreshauptversammlungen, in Online Foren, auf Blogs und eigenen Homepages und nicht zuletzt am Wasser. Oder danach unter KollegInnen, wenn bei Essen und Trinken, Bisse in ausführlichen Details besprochen werden. Wenn das für und wider von Taktiken, Methoden und Montagen analysiert und zerpflückt wird. Seine Ideen und Gedanken verschriftlicht zu sehen, den eigenen Namen am Buchrücken zu bestaunen – wem würde das nicht gefallen?
Dass von der Idee, zum Konzept, zum gedruckten Werk ein langer Weg ist, davon kann auch Peter Schmidt berichten. Ein Autor dem es vor Kurzem unter dem denkbar einfachen und alles umfassenden Titel ‘Fliegenfischen’ gelang, sein Interesse und Wissen zur geschichtlichen Entwicklung des Fliegenfischens, in einem höchst bereichernden Buch zu publizieren. Was ihn so antrieb und wie langfristig die Umsetzung sich gestaltete bis sich über 320 Seiten der Bogen spannte – vom antiken Fliegenfischen, über die Bedeutung des deutschen mittelalterlichen Beitrags zur Entstehungsgeschichte, über englische Technik- und Materialerrungenschaften während der Hochblüte der industriellen Revolution, dem Markteintritt amerikanischer Hersteller und Binder im 20.Jahrhundert, bis hin zum modernen Fliegenfischen im Weltraumtechnikzeitalter vertreten durch einige uns gut bekannter Persönlichkeiten aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Skandinavien – möchte er mit diesem Gastbeitrag mit Euch teilen. Herzlichen Dank für die interessanten Einblicke!
FLIEGENFISCHEN (Peter Schmidt) – Hinter den Kulissen
Die Geschichte vom Fliegenfischen – warum schreibt man über ein solches Thema ein Buch und für wen schreibt man dieses Buch eigentlich? Für Einsteiger? Erfahrene Fliegenfischer? Oder einfach geschichtlich Interessierte, um die ältesten Fliegenmuster, Bindestöcke, Schnüre, Ruten und Rollen zu zeigen?
Soll es ein chronologisches Nachschlagewerk werden mit Daten und Fakten oder vielleicht ein Buch, das nach wissenschaftlichen Aspekten die Dinge ordnet? Nein, nichts von alle dem sollte es werden.
Mir ging es darum eine Geschichte zum Fliegenfischen zu schreiben und dabei die Leser in die jeweiligen Zeiten zu versetzen, in denen das jeweilige passierte, alte interessante Geschichten des Fliegenfischens aus heutiger Perspektive zu erzählen und Neues aus der langen Geschichte der Fliegen, Ruten und Rollen zu zeigen. Aber keine schwere Kost. Ein Buch, das man zwischendurch in der Bahn, im Flugzeug oder in einigen Monaten am Strand mal liest, und anschließend sagt, „das waren zwar viele Fakten und Zahlen, aber mich haben die Texte und Bilder auch gut unterhalten“.
Schwierig war für mich eine Auswahl in den jeweiligen Kapiteln zu treffen. Natürlich fehlt aus subjektiver Sicht das eine oder andere, aber ich hoffe, dass man sich nach dem Lesen meines Buches ein besseres Bild von der Vergangenheit des Fliegenfischens machen kann. Dabei konnte ich nur bedingt auf Bildmaterial zurückgreifen und so habe ich ein Buch geschrieben, dass besonders auch auf die erzählerischen Elemente fokussiert.
Teilweise habe ich jedoch auch mit alten Bildern, Zeichnungen oder Mosaiken die jeweilige Zeit in vielen Fällen visualisieren können. Was zum Teil sehr aufwendig, aber zugleich spannend war. Ein Mosaik (welches ich als Foto im Buch gezeigt habe) zum Beispiel, das eine Angelszene am Nil im 2.Jahrhundert n. Chr. zeigt, hängt heute (hoffentlich noch) in einem Museum in Tripolis. Bis ich die Bildrechte recherchieren konnte, dauerte es ein halbes Jahr… Aber mir ging es auch um die Geschichte der aufwendigen Darstellung, und die erfuhr ich dann von einem Professor aus Athen
Apropos mein Buch. Die Feder, oder besser gesagt die Fliege, dass ich das Buch alleine geschrieben habe, will ich mir nicht an den Hut stecken. Es ist ein Buch geworden von Fliegenfischern für Fliegenfischer, und dass so VIELE mitgemacht haben, finde ich aus eigener Sicht das tollste an diesem Werk.
Um einen möglichst umfassenden Überblick über die jeweiligen Ereignisse zu erhalten, habe ich mich mit vielen Fliegenfischern, Wissenschaftler, Sammler oder Museumsleitern oft unterhalten und viele Mails ausgetauscht. Ich wollte alles so genau wie möglich wissen. Das Reizvolle an der Recherche war für mich, dass wir heute aus der Geschichte des Flugangelns viel lernen können und überrascht hat mich, wie hoch entwickelt der Fischfang mit der Fliege bereits vor 300, 400 oder 500 Jahren war.
Schwierig war natürlich die Recherche der historischen Hinweise aus der Zeit um 1500. Soweit es ging, bin ich im Buch so vorgegangen, dass ich mir die originalen Textpassagen aus dem Internet, von Museen oder aus original Büchern besorgt und mir dann die Übersetzungen angesehen habe.
Für die Übersetzungen der Bindeanleitungen und Fliegenmuster aus dem Tegernseer Manuskript, das wahrscheinlich zwischen 1490 und 1500 verfasst wurde, habe ich mir zum Beispiel das Buch Fishers Craft & Letters Art, Tracts on Fishing from the End of the Middle Ages von Prof. Richard Hoffmann besorgt. Darin sind die originalen Texte und die Übersetzungen vieler alter Texte zum Angeln und Fliegenfischen vorhanden. Gleichzeitig habe ich einige Seiten, auf denen die Bindeanleitungen im Original zu sehen sind, von einem Museum angefordert und alles abgeglichen, um ganz sicher zu gehen. Natürlich hat mir Richard, den ich seit einiger Zeit kenne, dann auch noch die eine oder andere Frage beantwortet. Die Fliegenmuster hat mir dann Andrew Marshall, ein Freund aus den USA, nachgebunden.
Er hat sich wiederum auf das Nachbinden historischer Fliegenmuster spezialisiert und hat darüber selbst ein Buch geschrieben. Diese Vorgehensweise war natürlich enorm aufwendig, jedoch konnte ich dadurch die Fliegenmuster, die ich beschrieben habe, auch anhand von Primärliteratur abgleichen und noch einiges an Hintergründen zur Entstehung der alten Schriften und Bindeanleitungen erfahren. Wer mehr über die alten Texte und Fliegenmuster wissen möchte, sollte sich die Bücher von Andrew Marshall (Marshall, Andrew, The History and Evolution of the Trout Fly, 2013) und von Richard Hoffmann (Hoffmann, Richard, Fishers Craft & Letters Art, Tracts on Fishing from the End of the Middle Ages, Toronto Press, 1997) besorgen. Natürlich ist auch Andrew Herds – The Fly sehr empfehlenswert. Unterm Strich hat die Recherche somit viel Spaß gemacht!
Für mich sind es viele spannende, interessante und auch ungewöhnliche Geschichten gewesen, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden. Und diese weitererzählen zu dürfen hat viel Spaß gemacht. Denn bereits in grauester Vorzeit hatten Angler und Fliegenfischer das Bedürfnis, ihre fischereilichen Erlebnisse ihren Zeitgenossen oder ihrer Nachwelt zu erzählen und auch heute scheint dies nicht anders zu sein…
Etwa fünf Jahre habe ich für diese Ausgabe in unterschiedlichen Literatur- und Internetquellen recherchiert, in Originalkatalogen und Sonderheften gelesen, mir DVDs angeschaut, viele Mails ausgetauscht, eine ganze Menge interessanter Gespräche geführt und meine Erfahrungen ausgewertet. Aber Arbeit sieht anders aus!
Ich wollte mit meinem Buch auch ein Werk verfassen, das etwas anderes sein sollte, als viele vorherigen Bücher. Also kein klassisches Lehrbuch, wie man eine Fliege bindet und diese dann im künstlichem Licht am Bindestock zeigen, sondern ich habe die Fotos der Fliegen ausnahmslos als Außenaufnahme gemacht, sodass die Muster von „echter Sonne“ bestrahlt wurden. Ich denke so wirkt eine historische Fliege realistischer, denn in einem solchen Licht hat sie auch der Fliegenfischer vor 500 oder 1000 Jahren gesehen.
Unter dem Strich bleibt für mich der „Mehrwert“, dass ich viele interessante Fliegenfischerinnen und Fliegenfischer durch die vielen Konversationen und persönlichen Gespräche kennengelernt habe.
Zum Beispiel John Mclean, der Sohn von Autor Norman Mclean ( A RIVER RUNS THROUGH IT). Als ich vor rund 25 Jahren den Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ im Kino angesehen habe hätte ich niemals gedacht, dass mir jemand mal die Geschichte der Mcleans nochmal aus eigener Perspektive erzählen würde. Durch einen zufälligen Kontakt erhielt ich die Möglichkeit John zu interviewen.
Auch hat mich die persönliche Art einiger Koryphäen sehr imponiert. Andrew Herd, der vor einigen Jahren das Werk THE FLY verfasste, schrieb mir einige wirklich tolle Informationen und Details zu unterschiedlichen historischen Begebenheiten, als ich mich bei ihm ausgiebig bedankte meinte er nur: „Good to be useful“. Englisches Understatement…
Joan Salvato Wulff mailte mir trotz ihres hohen Alters noch tolle Fotos, da war ich tief beeindruckt. Auch die Mails von Fliegenfischer und Historiker Richard Hoffmann aus Kanada fand ich interessant. Richards „Hobby“ ist es, alte Texte aus dem Mittelalter vom Angeln und Fliegenfischen zu übersetzten und zu deuten und was er mir so alles an wichtigen Informationen schickte, hätte wohl für eine Doktorarbeit gereicht.
Natürlich sind viele Textstellen zum historischen Fliegenfischen oft „Zufallsfunde“ und möglicherweise finden sich in der Zukunft noch ältere Erwähnungen. Vielleicht fragt ihr Euch, welche Details mich am meisten in der 2000 jährigen Geschichte des heute bekannten Fliegenfischens interessiert haben?
Besonders haben mich die Geschichten hinter der Geschichte des Fliegenfischens begeistert, was aus den früheren Ideen heute geworden ist und die kuriosen Erfindungen und Entwicklungen. Viele Details waren daher für mich interessant: die älteste erwähnte Döbelfliege aus Bayern, warum jemand auf die Idee kommt Federn auf 36er Haken zu binden, wie Filmstars das Flycasting erlernten, oder dass Norman Means – der Erfinder der Bunyan Bug Fliege – am liebsten mit Tennisschuhen durch den Fluss watete.
Auch habe ich mich manchmal gefragt, was einige Fliegenfischer und -binder so treiben würden, wenn sie heute gelebt hätten?
Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen, dass der berühmte englische Trockenfliegenfischer Frederic Halford (1844-1914), der alle Details beim Fliegenfischen akribisch notierte, in unseren digitalen Zeiten seine Erlebnisse an den Kreideflüssen jeden Abend auf Facebook „posten“ würde, um seine Erfahrungen mit anderen zu „teilen“. Oder hätten die Mönche des Klosters am Tegernsee ihre neuen Fliegen sofort digital gespeichert, damit man sich in 500 Jahren keine Gedanken machen muss, welche optischen Meisterwerke die Kunstfliegen gewesen sein könnten? Besser mache ich mir zu diesen Fragestellungen keine Gedanken, denn auch das Fliegenfischen braucht seine Mythen und Geheimnisse.
Vielleicht ist für Euch auch interessant zu wissen, was mich am Fliegenfischen reizt? Nun, in der Abenddämmerung alleine am Fluss mit der Fliege zu fischen oder mit meinen fliegenfischenden Freunden unbeschwerte Stunden am Wasser zu verbringen und darüber zu schreiben, sind seit einigen Jahren Leidenschaften von mir. Ich habe nie einen Bindewettbewerb gewonnen und leite auch keine Wurfkurse. Für mich sind es der reine Spaß an der Sache und ein Schuss Passion, die mich seit über 20 Jahren eine neue Fliege anknoten lassen. Daher habe ich auch manchmal am Wasser nicht nur meine „Digi“ dabei, sondern auch Block und Stift, um auch die Kommentare meiner fliegenfischenden Freunde für einen Artikel zu notieren. Frederic Halford lässt grüßen….
Für mich besteht das Besondere und vielleicht auch Magische beim Fischen mit künstlichen Insekten darin, dass ich mich dabei dem Zyklus der Natur anpassen muss und nicht umgekehrt. Ich bin am Bach oder am Fluss Gast in einer Welt, die sich stündlich ändert und wo das Leben der Insekten und Forellen ein anderes Zeitfenster zu haben scheint als meines. Na ja – vielleicht nicht ganz, denn beim Abendsprung erlebe ich die Zeit zwar anders als Maifliegen oder jagende Salmoniden, dennoch bin ich irgendwie ein Teil des Ganzen, schaue was passiert und bestimme danach mein Fliegenmuster nach der Vorgabe der Natur. Ich bin halt mittendrin und nicht nur dabei.
Wie es mit meiner Zweitpassion „Historisches Fliegenfischen“ weitergeht, schauen wir mal. Vielleicht gibt es ja eine zweite Auflage, in der ich viele neue Informationen und Anregungen zu meinem Buch verarbeiten kann.
Herzlichst
Peter Schmidt
Wenn Peter Schmidt nicht in alten Archiven stöbert, oder sich mit geschichtsinteressierten FliegenfischerInnen weltweit austauscht, verbringt er seine Zeit am liebsten an der bayerischen Loisach. Nachbindungen mittelalterlicher Tegernseer Fliegen bleiben dann im Schaukasten.
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Heribert Hahne says
Wie und wo kann ich das Buch kaufen – bin sehr daran interessiert.
Tankred Rinder says
Moin Heribert,
direkt vom Salmo-Verlag, einem feinen Verlag aus dem Emsland, der bereits durch einige tolle Veröffentlichungen überzeugen konnte.
Grüße, Tankred
Blog@fliegenfischen-deutschland.de says
Habe das Buch von Peter ebenfalls und kann nur bestätigen: Für Fliegenfischer, die sich neben der Fischerei und der Binderei auch mit der Geschichte diese faszinierenden Angelart beschäftigen absolut empfehlenswert!
Tankred Rinder says
Hallo Detlef,
freut mich – und sicherlich auch Peter Schmidt – dass dein Urteil ähnlich ausfällt. Locker und unterhaltsam geschrieben, Fakten und Anekdoten gut vermengt, mit einem Bein fest im hier und jetzt, den Blick in die Zukunft gerichtet. Ein wirklich gelungener Titel!
Gruß, Tankred