Sonne, Schweiß, Niedrigwasserstände – nicht die Zeit für getupfte Flossenträger. Lethargisch vergrämen sich diese unter schattenspendende, kühle Unterstände. Verlassen ihre Verstecke zur Nahrungsaufnahme bevorzugt in den späten Abend- und frühen Morgenstunden. Sind zudem besonders stressanfällig in ausgedehnten Drillsituationen und durch unvorsichtige Handhabung bei der Landung. Warum also nicht als Fliegenfischer sein Glück auf Cypriniden versuchen?
Eine Fischfamilie die Resilienz gegenüber hohen Wassertemperaturen zeigt. Deren für den Fliegenfischer höchst interessanten Vertreter – Barben und Karpfen – Gewichte erreichen, wie sie nicht oft von Forellen auf die Waage gebracht werden. Die noch Kampfkraft und Ausdauer aufweisen, wenn Salmoniden sich längst auf die Seite gelegt hätten. Fische die in den Mischgewässern unserer Breiten heimisch sind und aus keinem Zuchtbecken stammen. In anderen Worten also, weit mehr als eine Alternative für das Nymphenfischen auf Forellen.
Mein Interesse für das gezielte Barbenfischen wurde angestoßen, als ich an den von mir besuchten Flüssen, bei der Forellenfischerei immer wieder auf Barben gestoßen bin. Entweder durch zufällige Beifänge, oder durch die Beobachtung länglicher Flanken die aufblitzten, wenn diese sich zur Seite drehen, um eine auf sie zutreibende Nymphe mit ihrem unterständigem Maul aufzuschnappen. Nicht selten musste ich dabei die Erfahrung machen, mit meinem feinen Forellen- & Äschengeschirr denkbar schlecht für die Kampfkraft von Barben ausgestattet zu sein. Und auch wenn man mit einer 3er Rute und einem 14er Vorfach eine Barbe mit Geduld sicher landen kann, empfiehlt sich etwas kräftigeres Gerät, möchte man bewusst auf Barben fischen. Denn bei der einen 5-pfündigen wird es nicht bleiben, hat man erst eine verlässlich Stelle ausgemacht. Warum also die Fische und sich selbst in unnötig lange Drills verwickeln.
Ohne die tatkräftige Hilfe von Michael Wenzel, der mich mehrere Male zum Barbenfischen mitnahm, könnte ich diesen Beitrag hier nicht verfassen. Michael fischt seit Jahren intensivst auf Cypriniden, da diese für ihn eine besondere Herausforderung darstellen. Für die vielen gemeinsamen Stunden am Wasser und die wertvollen Tipps und Hinweise, möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken.
Ausrüstung
Die Chancen eine oder mehrere große Barben an einem Tag zu fangen, sind also durch die Anzahl der großen Fische im Zuge der Schwarmbildung, deutlich besser als bei Forellen. Zudem wachsen sie auch in kleinen Bächen zu stattlichen Exemplaren heran. Abhängig von der Größe des Gewässers benutze ich eine 5er oder 6er Rute zum Barbenfischen. Seit einigen Jahren setzt man beim grundnahen Nymphenfischen eher längere Ruten ein. Schon alleine wegen der Schnurkontrolle, um nicht soviel oder sogar keine Fliegenschnur am Wasser zu haben z.B. beim French Nymphing. Man kann aber auch wenn man die Technik gut beherrscht mit einer kürzeren Rute fischen. Auf die von Roman Moser entwickelte Technik zum Nymphenfischen auf Distanz, komme ich weiter unten zu sprechen. Befindet man sich an größeren Flüssen wie der Sieg, der Mosel oder der Isar wo man schon 80-85cm Barben findet, würde ich jedoch eine Rute der Schnurklasse 6 in der Länge 2,75-3,05m empfehlen. Natürlich in Kombination mit der geeigneten Vorfachstärke, um gerade in den strömungsreicheren Flüssen die Fische auch parieren zu können.
Wer wie ich so richtig auf den Geschmack gekommen ist, sollte sich auch einen größeren Kescher zulegen. Im Handel gibt es genug Handkescher mit einem größeren Durchmesser. Der klassische Forellenkescher führt über kurz oder lang zu unnötigen bangen Sekunden, wenn man versucht 60+ Barben mit dem Kopf voran ins Netz zu bugsieren. Auf den Kitzel ob in letzter Sekunde ein schöner Fisch das Vorfach sprengt, dessen Länge die der Netzöffnung überschreitet, kann ich mittlerweile gern verzichten.
Vorfach
Entscheidet man sich für konventionelles Nymphenfischen – flussauf, schräg ausgeworfen, an langer Schnur – anstelle modernerer ‘Short-Line’ Techniken wie z.B. Czech Nymphing, bedarf es dennoch viel längerer Vorfächer als oft für das Forellen & Äschenfischen üblich. Michael Wenzel, ein echter Meister dieser Technik hat mir dazu folgenden Rat gegeben. Im Handel erhältliche Vorfächer sind in der Regel zwischen 2,25 – 2,75m lang. Die von ihm benutzten knotenlos gezogenen und verjüngten Vorfächer enden in einer Tippetspitze von 0,25mm. Daran knüpft er ein 1,0 – 1,75m langes Tippet der Stärke 0,22 – 0,20mm und danach weitere 1,0 – 1,75 m eines Vorfachs der Schnurstärke 0,18mm. Dadurch erreicht man eine Vorfachgesamtlänge zwischen 4,5 – 6m. Welche Vorteile ergeben sich aus dieser Länge? Auch deutlich leichtere Nymphen können damit zum Einsatz gebracht werden, die sich viel natürlicher in der Wasserdrift bewegen als stark beschwerte. Durch die etwas feinere Tippetspitze und den langen Vorhalt sinken auch diese Nymphen noch gut ab.
Nicht immer – wenn auch sicherlich von Spätherbst bis ins Frühjahr – ist es nötig seine Nymphe bis ganz an den Grund zu bekommen. Besonders in den warmen Monaten kommt es vor, dass Barben ihre Position am Flussboden verlassen um einem Aufsteiger nachzustellen. Das Spektakel ist umwerfend wenn ein 5-6 pfündiger Fisch sich an der Oberfläche wälzt. Dachte ich anfangs noch an eine kapitale Forelle die sich oberflächennahe Nahrung schnappte, kann ich in der Zwischenzeit mit absoluter Sicherheit behaupten, dass Barben bereit sind ihre Grundposition für eine aufsteigende Köcher- oder Eintagsfliege zu verlassen. Von sich an der Oberfläche rollenden Fischen, über unterständige Mäuler die das Wasser durchbrechen, bis hin zur Barbe die wie eine Unterwasser Langstreckenrakete aus dem Fluss geschossen kommt, konnte ich alles beobachten. Klingt unglaubwürdig für einen Grundfisch – doch einige Leser werden das bestätigen können.
Schnurkontrolle
Der Erfolg von Short-Line Techniken wie Czech- und French Nymphing besteht auch darin, eine besonders natürliche und vor allem gerade Drift in einer Linie mit der Strömung zu ermöglichen. Beide Anwendungen sind aus einer bestimmten Dringlichkeit entstanden. Materialmangel im Falle von Czech Nymphing und Befischungsdruck bezüglich des French Nymphing. Wo man nicht auf diese Verhältnisse trifft sind traditionellere Techniken ebenso effektiv, wenn man sich Gedanken zur Verfeinerung der angewandten Methode macht.
Beim klassischen Nymphen- aber auch Trockenfliegenfischen wirft man schräg stromauf und mendet einen Schnurbogen gegen die Strömung damit die Fliege ohne Dreggen oder Furchen abtreiben kann. Früher oder später – das lässt sich besonders beim Trockenfliegenfischen beobachten – wird die Fliege selbst durch einen geringen Schnurbauch seitlich herangezogen. Dieser Vorgang entgeht dem Nymphenfischer nicht selten. Die Nymphe mag zwar tief fischen, sich aber trotzdem unnatürlich verhalten, zudem beschleunigt durch das Wasser treiben. Auf Forellen mag das durchaus einen Reiz ausüben. Barben scheren aber sicherlich nicht seitlich aus, um einer schräg abtreibenden Nymphe nachzustellen.
Roman Moser hat an der Gmunder Traun – einem Fluss beachtlicher Größe – eine Mending Technik entwickelt, die selbst auf Distanz und über längere Strecken eine natürliche Drift erlaubt. Dabei wird noch immer schräg flussauf geworfen, doch entgegen der klassischen Technik wird das Mending zuerst flussab gelegt, um sofort danach mit gewöhnlichem Mending die Schnur wieder flussaufwärts abzulegen. Dadurch entsteht eine kleine Schlaufe vor dem Vorfach. Der Druck der Strömung wirkt somit nicht sofort direkt auf das Vorfach, sondern muss zuerst diese Schlaufe auszugleichen. Dadurch verlängert sich also die natürliche Drift der Nymphe. Günther Feuerstein beschreibt diese Technik anschaulich in seinem Buch ‘Erfolgreich Nymphenfischen auf Salmoniden.‘
Biss
Da Barben in der Regel Nahrung aufstöbern oder auf sie zutreibende Nahrung aufsaugen, fallen Bisse meist weit weniger deutlich aus als von Forellen & Äschen, die sich oft auf ihre Beute zubewegen und nach dem Biss abdrehen. Ein Stehenbleiben der Schnur in der Drift ist das Signal mit irgendetwas Kontakt aufgenommen zu haben. Sei es eine Barbe oder ein Stein am Gewässergrund. Hänger bleiben beim tiefgeführten Nymphenfischen leider nicht aus und sind der Preis den man dafür bezahlt, die Fliege über den Gewässergrund treiben zu lassen.
Der vermeintliche Hänger entpuppt sich aber nicht selten als eine dicke Barbe die an den Haken ging. Das schallende Gelächter meines Freundes Michael Wenzel habe ich noch immer in den Ohren, der mir von seinem Kollegen erzählte, der wie wild an seiner Schnur zog bis die Spannung sich erst löste, als das Gezerre der Barbe am anderen Ende der Schnur doch zu viel wurde. Das ich diesen Kapitalfehler keine fünf Minuten später wiederholte, treibt uns beiden heute noch Tränen in die Augen, wenn wir uns darüber unterhalten. Also bei einem Kontakt der sich statisch anfühlt erst einige Sekunden abwarten, den Druck leicht erhöhen und die Rute erst Mal von links nach rechts bewegen. Die Chancen dass sich ein 5-6 pfündiger Fisch am Haken befindet, sich anfangs nicht besonders irritiert fühlt und erst später Fahrt aufnimmt, stehen nicht schlecht.
Obwohl Barben echte Wildfische sind, kann man sich ihnen mit vorsichtigem Waten auf kurze Distanz nähern. Hat man erst Position bezogen und reduziert man Leerwürfe auf ein Minimum, wird man diese nicht so schnell aufscheuchen. Zudem sind Barben wenig vorfachscheu und die großen Schuppen schüchtern die Fische nicht großartig ein, wenn das Vorfach oder sogar die Fliege den Körper berührt. Das führt natürlich dazu, dass man nicht selten in einem dicht gedrängten Pool – speziell vor der Laichzeit – mit fehlgehakten Fischen rechnen muss. In früheren Zeiten als das Fischen wirklich dem Nahrungserwerb diente, wurde die Schwarmbildung ausgenutzt und diese Art des Fangs ‘Barbenreißen’ genannt. Ein für den Sportfischer bedauerliches Erlebnis, da es die Freude am Fisch nach einem langen Drill trübt und nicht als Fang gelten kann. Auf an den Flossen oder am Körper gehakte Fische kann man nicht stolz sein – egal wie groß die Beute am anderen Ende der Schnur ist.
Die Schwarmbildung von Barben hat aber den erfreulichen Effekt, dass kleine Barben nur ganz selten gefangen werden. Als Schwarmfisch sind Barben streng hierarchisch organisiert und die größten Fische sind immer an der Spitze des Schwarms zu finden. Werden Barben erst lokalisiert, kann man also damit rechnen die größeren Fische zuerst an den Haken zu bekommen.
Fazit
Nur wenige Gewässer verfügen noch über einen wirklich wilden Bestand an Fischen. Besatz- und Bestandstützungsmaßnahmen führen dazu, dass dementsprechend wenige Forellen in unseren Flüssen dem Gewässer entstammen aus dem sie gefangen werden. Bei den für den Verzehr minderwertig betrachteten Barben kann man sich sicher sein, auf eine Fischart zu treffen die ohne menschliches Zutun unsere Flüsse besiedeln. Vorsichtige, wenn auch nicht scheue Fische, die anderen Instinkten gehorchen und deren Fang eine besondere Freude bereitet.
Ein sich gut selbst reproduzierender Forellen & Äschenstamm bedarf auch eines besonderen Schutzes. Während der besonders heißen Jahreszeit sind die weitaus sensibleren Salmoniden etwas mehr schutzbedürftig. Wer die Gelegenheit hat sich einer anderen, weitaus robusteren Fischart zu widmen, sollte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Zumal es sich bei Barben um Fische handelt, die aufgrund ihrer Größe und Kampfkraft eine äußerst attraktive Alternative darstellen.
An manchen Mischgewässern der klassischen Barbenregion, besteht zudem die Chance, die kurze Saison für Fliegenfischer zu verlängern, indem man mit Beginn der Schonzeit für Forellen – von Watbeschränkungen abgesehen – seine Aufmerksamkeit auf Barben richten kann. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, diese tollen Fische in den Flüssen vor meiner Haustür zu finden und zähle das Fliegenfischen mit der Nymphe auf Barben zu den Highlights meiner fischereilichen Erlebnisse. Poor man’s Bonefish!
Unser Buch zum Thema: ‚Nymphenfischen – Geheimnisse entlarvt‘ ist ab sofort unter
www.nymphenfischen.com erhältlich
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Peter says
An diesen schon etwas älteren Beitrag musste ich mich erinnern (und ihn direkt nochmal lesen), nachdem ich am Montag meine allererste Barbe fangen konnte (in der Ahr).
Aufblitzen einer (großen) silbernen Flanke in einem tiefen Pool, tief durchatmen, schwere schwarze Nymphe montiert und in der dritten drift … Biss. 10 Minuten Spektakel an der 4er Rute, viel zu kleiner Kescher … Wahnsinn & unvergesslich!
Manchmal muss man’s selbst erlebt haben bevor man so einem Artikel wirklich glauben schenken kann.
Tight Lines,
Peter
Tankred Rinder says
Herzlichen Glückwunsch Peter!
Auf Sicht Nymphenfischen ist ein besonderes Erlebnis, dass dem Trockenfliegenfischen um nichts nachsteht. Natürlich fühle ich mich jetzt besonders bestätigt. Deine Freude kann ich nur zu gut nachvollziehen – der Turbozug einer Barbe ist unvergleichlich und ist sie erst mal im ‘oft’ zu kleinen Kescher, zieht sich ein Grinsen von Ohr Zu Ohr. Suchterzeugend!
Aufrichtigste Gratulation
Tight lines
Tankred