Die letzten Wochen widmete ich mich mit gehörigem Maß der bevorstehenden Forellensaison. Während ich es bislang noch unterliess die Fliegenschnüre erneut zu reinigen und zu fetten, so brachte ich mich doch häufig dazu, einige der geleerten Schaumstoffreihen meiner Fliegendosen wieder aufzufüllen. Und als ich hier so saß, von Musik umgeben, Naphtalin Duftschwaden in meiner Nase, das unter Bindematerial abgetauchte Werkzeug verzweifelnd suchend – da besann ich mich meines ersten Bindemarathons vor mehreren Jahren.
Der Anlass dazu war damals, der bevorstehende Ausflug an den magischen River Eden im prächtigen Eden Valley, in der englischen Grafschaft Cumbria. Monate vor Antritt der Reise sammelte ich praxisorientierte Hinweise bezüglich der besten Technik, um die im Norden des UK vorherrschenden Freestone River – vergleichbar mit grobmaterialreichen Mittelgebirgsflüssen – zu befischen. Und damals wurden mir zum ersten Mal, die fundamentalen Unterschiede zwischen Fang- und Bindetechnik des Nordens und des Südens England bewusst.
Ganz grob reduziert, steht die Geschichte der modernen Fliegenfischerei des Südens für Trockenfliege/ Nymphe, und die des Nordens für Nassfliegen/ Nymphe (Spiders). Manche mögen behaupten die tektonische Linie dieser zwei unterschiedlichen Philosophien, verlaufe entlang der Linie stromauf Trockenfliege und stromab Flügelschwingen Nassfliegen. Und auf den ersten Blick mag es richtig erscheinen – hat doch der gereiste Europäer, das Bild des schottischen Lachsangler vor Augen, der stoisch seine Fliegen 45° flussabwärts wirft, sie von der Strömung ergreifen und quer über den Fluss schwingen lässt, bevor er diese vertikal in direkter Verlängerung der Rute baumeln lässt und danach zum nächsten Schritt und Wurf anhebt. Dieser sogenannte Wet Fly Swing ist auch für viele Fliegenfischer auf Forelle & Äsche oft die erste Wahl, erlaubt er doch das systematische Befischen weiter Strecken und großer Flächen eines Flusses.
In Vergessenheit gerät dabei jedoch gerne, dass die Veröffentlichung 1857 von W.C. Stewart: The Art of Trout Fishing, More Particularly Applied to Clear Water über ein ganzes Kapitel, die Vorteile des Up-Stream casts propagiert. Somit nimmt Stewart die in Frederic Halford‘s Trockenfliegenbibel aus dem Jahr 1886 – Floating Flies and How To Dress Them – beschriebene Anbietetechnik um beinahe dreißig Jahre vorweg. Stewart geht in seinem wegweisendem Werk noch einen Schritt weiter und leert einen riesigen Kübel der Verachtung, über all jene ‘chuck and chance’ Nassfliegenfischer, die ihre Fliegen unnatürlich gegen die Strömung driften lassen, ohne dabei bewusst fischversprechende Standorte oder bei der Nahrungsaufnahme gesichtete Fische anzuwerfen. Besonders dieses Argument – unkontrolliertes Suchfischen – wird in Folge von dogmatischen Trockenfliegenaposteln gerne strapaziert, um die Überlegenheit des Trockenfliegenfischens zu unterstreichen. Die Geschichte zeigt somit, auch das Gedächtnis von Fliegenfischern kann kurzlebig sein.
Entgegen weit verbreiteter Meinung, ist dem Fischen mit klassischen Nassfliegen im englischen North Country Stil mit T.E. Pritts North Country Flies (1886) der Todesstoss versetzt worden. Es ist in der Tat richtig das Spiders Nassfliegen sind. Doch nach Flügeln, Schwänzchen und Hahnenhechel sucht man bei Spiders vergeblich. Spiders stehen jedoch mehr als die meisten Fliegen für Simplizität, die das Fliegenfischen so attraktiv macht. Die filigranen Gebilde bestehen aus einem zweilagigen Garnkörper der sich maximal bis zur Hakenspitze erstreckt – häufig bedeckt das Garn nur etwas mehr als die Hälfte des Schenkels. Die weichen, meist dem Federwild (Rebhuhn, Schnepfe, Waldschnepfe, Teichhuhn, Star) entnommenen Hecheln, werden nur sparsam in höchstens zwei Umwindungen um den Haken gewunden.
Der Anblick eines Spiders wirft womöglich die Frage auf, für welchen Organismus Forelle & Äsche diese Impression wahr nehmen. Die Muster ähneln nicht im geringsten einer Dun – imitiert durch eine Trockenfliegen mit steifem Hechelkranz – die aufrecht am oder im Wasser sitzt. Noch gleichen Spiders den lebendig wirkenden Nymphen des Fliegenfischers, mit ihren Beinchen an der Thorax. Spiders verkörpern zum Einen die kurze – oftmals zum Tod führende – Lebensphase aquatischer Insekten, in denen diese unter erbitterter Anstrengung versuchen, sich aus der geplatzten Nymphenhülle zu befreien. Zum Anderen, den fehlgeschlagenen Versuch einer Dun, sich mit getrockneten Flügeln von der Wasseroberfläche zu erheben und im Dickicht der Uferböschung das sichere zu suchen, um die Häutung von Subimago zu Imago zu durchleben. Man kann somit behaupten, des Spiders Erscheinungsbild liest sich wie ein Obduktionsbefund.
- Totgeborene Nymphen und Emerger: unzählige Nymphen schaffen es nicht aus eigener Kraft bis an die Wasseroberfläche.
- Verkrüppelte Duns: halb geschlüpft mit Beinchen oder Körper die sich beim besten Willen nicht aus der Hülle befreien lassen; umgekippt und mit nassen Flügeln wird dieses Insekt nie von der Wasseroberfläche abheben.
- Vom Winde verwehte Duns: im kurzen Moment zum Trocknen der Flügel, sind Forelle & Äsche nicht die einzige Gefahr für frisch geschlüpfte Eintagsfliegen; eine heftige Böe, und die sich auf den nächsten Schritt zur Fortpflanzung vorbereiteten Eintagsfliegen, erfahren dasselbe Schicksal wie ihre verkrüppelten Artgenossen.
Der gnadenlose Überlebenskampf endet dann zum Einen mit dem frühzeitigen Ableben, oder zum Anderen im hungrigen Maul von Forelle & Äsche. Stellt sich Zweiteres nicht sofort ein, so werden diese bemitleidenswerten Kreaturen von der turbulenten Strömung erfasst an Gesteinsbrocken und andere Hindernisse geschleudert und Ihr Aussehen rückt rasch ab, wovon Fliegenfischer und -binder glauben, eine naturgetreue Imitation zu sein. Der Anziehungskraft tut das keinen Abbruch. Würde ich von einem Buss erfasst werden, unter die Räder kommen und mehrere hundert Meter mitgeschleift werden, ehe ich an einer Bordsteinkante ausgespien werde, würde ich nicht mehr dem statthaften Aussehen meines Hochzeitportraits ähneln. Nichtsdestotrotz wäre ich als Mensch erkennbar, auch wenn meine Gliedmaßen in alle anderen Richtungen ragen, als in die für sie vorgesehenen. Ähnlich verhält es sich mit Spiders, deren leichte Hechelfibern verführerisch in der Strömung tanzen und von Forelle & Äsche erster Linie folgendes signalisieren. Einfach, und unter geringem Aufwand zu erbeutende Nahrung.
Die meisten Spider Muster benötigen wenig, nicht selten aber spezifisches Material. Die Körper sind IMMER spärlich und wurden traditionell, als auch heute noch, mit Bindeseide gebunden. Verlangt die Bindevorlage Dubbing, braucht es dazu feinstes Haar oder Fell um das Dubbing minimalst anzubringen um die Färbung der Bindeseide nicht zu übertünchen. Spiders können eigentlich nicht zu dürftig gebunden werden. Bei der Hechelwahl gilt es darauf zu achten, die Anatomie der Flügelschwingen zu verstehen. Deutsche Bindeanleitungen sind mir nicht bekannt, deshalb der Beschluss die Bezeichnungen der Federn auf englisch und deutsch hier vorzustellen. Den Kopf schüttelnde Ornithologen, steht es frei Korrekturen vorzunehmen, falls erforderlich.
Hecheln: Die am häufigsten verwendeten Hecheln stammen von Rebhuhn, Schnepfe, Waldschnepfe, Teichhuhn und Star. Der Erwerb dieser Hecheln – zumeist als ein Flügelpaar – stellt keine Schwierigkeit dar. Einzige Ausnahme wäre das Rebhuhn. Bei diesem lohnt es sich einen kompletten Balg zu kaufen, da vorabgepackte Hecheln, für die kleinhakigen Spiders in zumeist zu großen Längen darin enthalten sind, und besser bei großen Fliegenmuster Verwendung finden. Ganze Rebhuhnbälge sind relativ günstig (20-25€) und geben genügend Hecheln für hunderte Fliegen her.
Garn: Die traditionelle Seide zum Binden von Spiders ist Pearsall’s Gossamer Silk, die nach wie vor im Handel erhältlich ist. Bindeanleitungen in Büchern oder im WWW beziehen sich auf diese Seide. Die Stärke von Gossamer Silk verleiht den Fliegen einen wunderbaren gerippten Effekt und die Seide erhält durch Nässe eine verlockend wirkende Farbtiefe.
Haken: Spiders sind dazu gedacht oberflächennah zu fischen. Darum kommen in erster Linie feindrahtige Nassfliegenhaken zum Einsatz. In den letzten Jahren erlebt die in Vergessenheit geratene Tradition des Spiderfischens eine Renaissance und spezifische, besonders leichte Haken sind somit am Markt befindlich (Kamasan B405, Kamasan B401). Doch jeder leichte Nassfliegenhaken ist ausreichend. Hinzu zu fügen wäre dennoch, dass Spiders in den aller meisten Fällen auf Hakengröße 14-18 gebunden werden. Es ist jedes Mal aufs Neue erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Forelle & Äsche diese relativ kleinen Haken selbst in turbulentem Wasser wahr nehmen. Selbst stattliche Fische lassen sich einen köstlichen Kleinsthappen nicht entgehen.
Nächste Woche möchte ich mit Euch einige der besten Spiders für das Frühjahrsfischen binden, und ich habe eine Liste fängiger Muster zurecht gelegt.
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Anonymous says
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Enjoy your Eden Days
CJ
Tankred Rinder says
Hiya,
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Can’t wait to get to blighty!
Best regards
Tankred
Anonymous says
Hello Tankred,
Once again thank you for yet another excellent article, the old North Country Spiders oh how you take me back to the wonderful days of my youth fishing the beautiful rivers of Yorkshire & Lancashire with the simplest of pattens tied with just two or three materials pure joy. Just the thought of taking trout or grayling on a patten thats has been fished by generations of fishermen for over 150 years almost makes me homesick in the last Cabin Fever days. Away to my tying bench I have some work to do on the Partridge & Orange, Purple & Snipe maybe even a Hares Lug as it´s know in the North Country, sure looks like it´s patten that fishes just as well here in Germany.
Thanks again.
Besten Grüsse CJ
Tankred Rinder says
Hello CJ,
thank you for your kind words! It’s tremendeously rewarding to know I manage to stir such emotions in my readers. You might be aware from reading my blog that I lived a total of thirteen years in the UK. Hence UK style fishing in all its variations is deeply engrained in me. Thankfully I am off to the UK at the end of March and I will spend three days at my beloved Eden. I have positive proof that Spider patterns work in Germany as well. They are just not as predominantly used as in the North Country. Hmmm, the Hares Lug is an interesting pattern. Where do you source your golden plover? Do you use a substitute and if so which?
Thank you so much for being an engaged reader!
Beste Grüsse
Tankred