Eine der ersten Feststellungen, die ich vor sechs Jahren bei meinem Umzug von England nach Deutschland machen konnte, war das vergleichsweise geringe Angebot an Fliegenruten und Rollen, im unteren bis mittleren Preissegment. “So wird das nie etwas werden” dachte ich mir, “Fliegenfischen von seinem Ruf als elitäre Form des Angelsports zu entledigen”. Erfreulich, dass in der Zwischenzeit mehr und mehr Händler erkannt haben, dass offensichtlich weitaus mehr Interessierte am Fliegenfischen in der großen weiten Welt existieren. Die zudem genau dort auch einkaufen, wenn der Markt hierzulande kein Angebot für eine cash-ärmere aber konsum-wütigere Klientel bereitstellt.
Die Konsumklaviatur – und mal ehrlich, wer wurde noch nie von einer Prise Einkaufstherapie erfasst – wird von Geräteherstellern, in den letzten Jahren besonders geschickt bespielt. Keine fischereiliche Anwendung, für die es nicht eine Spezialrute gibt. Wahrscheinlich war das schon immer so und fällt mir erst durch die Vertiefung in ein Hobby so richtig auf. Ich erinnere mich an einen Freund vor vielen Jahrzehnten. Ein begeisterter Minigolf Spieler, der nie zur Bahn kam ohne einen Koffer mit mindestens sechzig Bällen. Für jedes Wetter, jede Temperatur, jede Bahn einen anderen – harte Bälle die hochsprangen wie ein Gummiball, weiche die auf der Bahn kleben blieben wie Slime aus dem Kübel. Ich schweife ab – aber ich denke ihr versteht, worauf ich hinaus möchte.
Beim modernen Nymphenfischen setzen sich während der letzten Jahre, zunehmend bestimmte Techniken und auch dafür geeignetes Material durch. Etwas längere Ruten zum Beispiel mit weicher bis mittelschneller Aktion, die zum einen die feinsten Bisse bis in die Fingerspitzen übertragen und zum anderen, einen gelegentlich etwas heftiger ausfallenden Anbiss, mehr oder weniger unter der Rutenspitze gut abfedern. Dass diese Sensibilität auch vor Vorfachbruch, beim im Eifer des Gefechts etwas zu abrupt ausgefallenem Anschlag aus dem Handgelenk schützt, ist ein zusätzlicher Bonus, dessen sich die Entwickler während des Produktdesigns vielleicht gar nicht so recht bewusst waren. Alte Gewohnheiten lassen sich halt schwer überwinden und sollte der Anhieb für die kurze Distanz etwas zu kräftig ausfallen, so fungiert die weiche Rutenspitze auch ein wenig wie ein ‘shock absorber’. Beim Schreiben dieser Zeilen erscheint mir auch zum ersten Mal ein feiner Unterschied zwischen den Begriffen ‘Anschlag’ und ’Anhieb’. Selbst ohne sprachwissenschaftlich Kenntnisse, vermute ich eine Wortverwandtschaft zwischen ‘Anhieb’ und ‘anheben’.
Und anheben ist ein Bewegungsablauf, der beim modernen Nymphenfischen nicht nur für das Setzen des Hakens von Bedeutung ist. Um die Nymphe so natürlich wie möglich ‘dead drift’ zu fischen, bemüht sich der Nymphenfischer, jeglichen Zug auf die Nymphe zu vermeiden. Steine, Geröll und Vertiefungen im Flussbett bedingen, dass die Strömungsgeschwindigkeit am Grund wo unsere Nymphe fischt, geringer ausfällt als an der Oberfläche. Der Nymphenfischer versucht somit diesen Unterschied auszugleichen, indem er weder Schnur noch Bissanzeiger am Wasser ablegt. Auf letzteren wird überhaupt in den meisten Fällen verzichtet – von Curly Q oder Coil Indicators abgesehen. Somit verbringt der moderne Nymphenfischer viel Zeit damit, mit ‘angehobenem’ und ausgestrecktem Arm im Wasser zu stehen, um seinen Nahbereich mit seinen Nymphen abzusuchen.
Mit einem Gewicht von gerade mal 100g bei 3,05m Länge, lässt sich die Greys GR70 Streamflex 10’ #4 wt mühelos den ganzen Tag in dieser Position halten, ohne dass ich jemals das Gefühl habe, mein Arm fällt unter der Last der Rute ab. Um die Nymphe kontrolliert mit der Rute zu führen, erreicht man durch den längeren Blank, mühelos einen aktiven Befischungsbereich von 7-10 Meter. Eine Distanz die von vielen Experten als der absolute Sweet Spot bei der Bißverwertung angesehen wird. Die Gewichtsreduktion von Angelruten in den letzten Jahrzehnten ist wahrlich erstaunlich. Greys profitiert dabei natürlich vom Schwesterunternehmen Hardy Advanced Composites Ltd , dass beachtlichen Aufwand betreibt und wenig Kosten scheut, um aus dem verfügbaren Rohmaterial die besten Materialeigenschaften zu entwickeln.
Was tun fragt sich vielleicht der ein oder andere Leser, wenn ich mit der längeren Rute beim Nymphenfischen plötzlich auf steigende Forellen & Äschen treffe? Sofort eine Trockene anknüpfen wäre meine Antwort, denn die Greys GR70 Streamflex 10’ #4 wt überzeugt durch ihre Vielfältigkeit. Trotz des progressiven Tapers richtet sich die Spitze – nach meinem Empfinden – sehr schnell wieder ein und präzise Würfe mit engen Schlaufen, stellen für die Rute absolut kein Hindernis dar. Die Rute lädt sich kräftig auf und mit Distanzwürfen konnte ich kein Problem feststellen. Durch die Länge der Rute lässt sich zudem Line-Mending noch leichter praktizieren und gefühlt konnte ich die Trockenfliege länger in ihrer natürlichen Drift halten, bevor die Fliege zu furchen begann. Auch an den immer sehr schwierig zu befischenden Kehrströmungen, spielte die längere Rute ihren Vorteil aus und durch sich rasch wiederholendes Umlegen der Schnur in der Hauptströmung, gelang es mir gut die Trockenfliege für mehrere Sekunden im Kehrwasser zu halten. Und als ich eines Tages ganz verzweifelt war knüpfte ich sogar kleine, beschwerte Streamers an die Schnur, die sich mühelos und punktgenau werfen liessen. Ich gehe nicht davon aus, dass das an meinen Wurffähigkeiten lag.
Häufige Zweifel von Fliegenfischern, richten sich gegen die geringe Gewichtsklasse von Nymphenruten dieser Art. Ich bin davon überzeugt, dass die rasanten Materialentwicklungen der letzten Jahre dabei außer Acht gelassen werden. Die Greys GR70 Streamflex 10’ #4 wt verfügt über ausreichend Rückgrat, um auch kräftige Barben wie diese vor wenigen Wochen gefangene, sicher und schnell zu bändigen. Meiner Meinung nach, sollte sich die Stärke einer Rute immer eher nach dem Charakter des befischten Gewässers richten. Für wirklich große Flüsse mit einer Durchschnittsbreite von 25m+, an denen selbst mäßige Strömung durch die transportierte Wassermenge gehörigen Druck erzeugt, eignen sich Ruten niedrigerer Gewichtsklasse sicherlich weniger. Kampfkräftige und gewichtige Fische nutzen diese Verhältnisse natürlich zu ihrem Vorteil und der Drill gestaltet sich mit Sicherheit schwierig. Und um gezielt auf Barben zu fischen, würde ich auch immer zu einer kräftigeren Rute greifen – Punkt!
Von Äußerlichkeiten lasse ich mich beim Erwerb einer Rute weniger leiten – abgesehen von der Farbe des Blanks, in Abstimmung mit der Seide zur Befestigung der Ringe und der Qualität des Korkgriffes. Beide Faktoren sind bei der Greys GR70 Streamflex 10’ #4 wt äusserst gelungen – mehr noch, die Rute ist ästhetisch sehr ansprechend. Nicht zuletzt sind die Ruten der Marke Greys im mittleren Preissegment angesiedelt, sodass sich nach dem Kauf der Rute, sogar noch ein mehrtägiger Ausflug ermöglichen lässt.
Diesen werde ich mir demnächst gönnen und wahrscheinlich sogar ausdehnen, nachdem mir diese tolle Rute, von der Firma Greys auf meine Anfrage zur Verfügung gestellt wurde – herzlichen Dank!
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