Fliegenfischen – Tagebuch einer Bachforelle
Ein Redakteur einer angesehenen Fachzeitschrift sagte mir vor einigen Jahren im Vertrauen: “Fliegenfischen ist ein Altmännersport”. Ab welchem Alter man bereits zu dieser Gruppe zähle, verriet er mir nicht. Mit Sicherheit überspitzte er auch. Ein Fünkchen Wahrheit wird in dieser Aussage aber stecken. Schließlich wird er über demographische Daten verfügen, in die ich keinen Einblick habe. Durch meine Arbeit bin ich aber ein klein wenig informiert über die Alterskohorte organisierter Angelvereine. Ohne Weiteres lässt es sich bestätigen, dass die Rekrutierung junger Menschen für das Angeln eine gewisse Herausforderung darstellt.
Besucht man andererseits die Angelwelt Berlin, lässt sich der Eindruck gewinnen, dass das Angeln sich um seinen Nachwuchs wenig Sorgen machen muss. Es stimmt natürlich, dass der überwiegende Teil der Angler dort sich für Raub- und Friedfischangelei interessiert. Besonders das Spinnfischen scheint unter Kindern und Jugendlichen sehr beliebt zu sein. Was wenig überrascht wenn man den Street- und Coolnessfaktor dieser Form des Angelns heranzieht. Erfolgreiche Rapper nehmen ihre Fans auf YouTube und vermutlich TikTok regelmäßig mit ans Wasser und eine lebendige Influencerszene lässt videobegeisterte Jugendliche an ihren Ausflügen ans Wasser teilhaben.
In Ansätzen werden diese Formate auch Im Fliegenfischen bedient. Der Einstieg in diese Sparte ist aber mit wenigen jungen Idolen verknüpft und durch zusätzliche Hürden erschwert: eine vergleichsweise geringere Anzahl an tauglichen Gewässern, eine hohe Lernkurve bis sich die ersten Erfolge einstellen und nicht zuletzt der hemmende Faktor der manchmal geschmalzenen Preise für Erstausrüstung und Tageskarten.
Wie kann es also gelingen, Kinder für das Fliegenfischen zu begeistern? Als Vater einer eben schulpflichtig gewordenen Tochter kann ich sagen, dass wenige Mittel bei jungen Kindern mehr Interesse hervorrufen als Niedlichkeit. Kombiniere das mit Zeichnungen und du bist auf bestem Weg dein Kind für etwas zu begeistern – zumindest auf meine Tochter trifft das zu.
So ahnte ich sofort, als ich Thommy Mardos Buch Fliegenfischen – Tagebuch einer Bachforelle zum ersten Mal Ende letzten Jahres in den sozialen Medien wahrnahm, damit könnte ich das Interesse meiner Tochter am Fliegenfischen festigen. Ruten, Rollen, Fliegen, Tinsel, Pfauengras und Glitzer tun das ihre, um die Neugierde zu entfachen, womit Papa sich den ganzen Tag beschäftigt. Ein illustriertes Kinderbuch aber, über den Fisch den ich am besten an jedem Fischgang nach Hause bringen soll, wurde rasch zu einem Beschleuniger der Vater-Tochter-Bindung.
Das ‘Tagebuch’ entstammt der ‘Flosse’ von Leopold, einer Bachforelle aus dem Rettenbach im österreichischen Salzkammergut. Die älteren Semester werden sich vielleicht noch an die Sissi-Filme erinnern. Die erste Begegnung des jungen Kaiser Franz-Joseph mit seiner zukünftigen Frau und Kaiserin Österreichs erfolgte am Rettenbach bei Bad Ischl, als er sie beim Schwarzfischen ertappte. Der kleine Leopold schwimmt also in einem Zufluss der nahegelegenen Traun. Diesem bedeutenden österreichischen Fluss, an den er im Laufe des Jahres das sein Tagebuch abbildet, auch einen Ausflug machen wird.
Wie andere Heranwachsende auch geht Leopold zur Schule, wo er alles lernt, was er in seinem Alltag so brauchen wird: Insektenkunde, Forellenkunde, Menschenkunde und die Technik des Fliegenfischens. Schließlich möchte Leopold erfahren, was diese mit Wathosen bekleideten Gestalten, die ihm ein ums andere mal verführerisch wirkende Köder vor die Nase halten, in seinem Bach treiben. Geht Leopold nicht zur Schule, erlebt er beim Spiel und bei Ausflügen spannende wie auch gefährliche Abenteuer mit seinen Freunden aus der Salmonidenfamilie. Da zählen Hochwasser und Gewitter genauso dazu, wie Begegnungen mit einem Hecht in der Traun, als auch das Glück vom Catch ’n’ Release praktizierenden Anglern wieder frei gelassen zu werden. Hormonell bedingte Verwirrungen und sich anbahnende Liebeleien während des Spätherbsts dürfen genau so wenig fehlen.
Du siehst schon, in Fliegenfischen – Tagebuch einer Bachforelle werden tatsächlich viele Dinge aus einem einjährigen Zyklus einer Bachforelle berichtet. Und wie es sich für ein Kinderbuch gehört mit einer gesunden Brise Humor. Denn würden wir Fliegenfischer uns von ‘unten’ betrachten können, würde auch uns so einiges an unserem Verhalten zum Schmunzeln bringen.
Meine Tochter lässt sich auf alle Fälle sehr gerne von mir aus Leopolds Tagebucheinträgen vor dem Schlafengehen vorlesen. Auch in die Unfallchirurgie musste das Buch mit, um vor der Sorge der bevorstehenden Untersuchung abzulenken. Anhand der liebevollen Zeichnungen die mit Hingabe studiert werden, unterscheidet sie schon Bachforellen von Regenbogenforellen und Äschen. Die Tierchen der Unterwasserwelt werden mit Faszination betrachtet und dass ein Streamer, anders als die Trockenfliege, unter Wasser fängt, begreift sie auch langsam.
Für mich als Vater, der keine Gelegenheit auslassen möchte, meine Leidenschaft für das Fliegenfischen spielerisch und unterhaltsam weiterzugeben, ist Leopolds Tagebuch ein wunderbarer Begleiter. Für den fiktiven Geburtstag ihres Stoffhundes, muss ich schon bis zum Wochenende eine Trockenfliege binden. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie Kinder lernen. Wenn auch Du deinem/einem Spross das Fliegenfischen näherbringen möchtest, ist Fliegenfischen – Tagebuch einer Bachforelle ein sehr empfehlenswertes Hilfsmittel.
Fliegenfischen – Tagebuch einer Bachforelle
Autor: Thommy Mardo
Vorwort: Roman Moser
126 Seiten & 48 Aquarelle
Einen detaillierten Blick ins Buch gibt es im Forelle & Äsche Shop
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