Der Herbst ist meine Lieblingsjahreszeit. Wenn der morgendliche, von Nebel umhüllte Spaziergang vom Geruch des Ablebens begleitet wird, regt sich in mir diese besondere Stimmungslage. Dieses Gefühl das ich verbinde mit – Heimeligkeit in den eigenen vier Wänden nach ausgiebigen Stunden an frischer Luft, mit dem süssen Duft der letzten Erntefrüchte, den gesättigten Farben des kurz vor dem Abfallen befindlichen Laubs und zeitig einsetzender Dunkelheit.
Das französische Wort für Finsternis und Dunkelheit (ombre) steht jedoch nicht nur für die Düsternis, sondert ist auch die zoologische Bezeichnung der Äsche. Und diese bringe ich immer mit Herbst und Winter in Verbindung. Erstrahlt ihr Schuppenkleid doch nicht in den intensiven frühlingshaften Farben der Forelle, sondern erscheint im ersten Anblick monochrom wie ein verregneter Novembertag. Erst bei genauerem Hinsehen, wenn die Faszination und das wiederkehrende Staunen über die prägende Rückenflosse verfliegt, erschliesst sich das irisierende graugrün bis stahlblau des abflachenden Rückens.
Der Schönheit der Äsche ist der englische Autor John Roberts vollkommen erlegen und veröffentlichte 1999 mit Flyfishing for Grayling eine überarbeitete und erweiterte Version seines Erstlingswerks The Grayling Angler. Während für viele Fliegenfischer wie mir selbst die Äsche nach dem Ende der Forellensaison, die Gelegenheit bietet die angewandte Praxis auf zwei bis drei weitere Monate auszudehnen, widmet sich Roberts mit Hingabe der Äsche das ganze Jahr über. Derweil die Äsche für die meisten Fliegenfischer einen willkommenen, mancherorts aber ganzjährig geschonten Beifang der Forellenfischerei darstellt, ist sie im Mittelpunkt Roberts taktischer Überlegungen.
Mit dem Wissen über bevorzugte Standorte, Lebensweisen und Fressverhalten – auf die Roberts mit viel Detail eingeht – vermag der geübte Fliegenfischer auf Forelle & Äsche sehr wohl, methodisch den Fang der jeweils anderen Spezies einschränken. Die begleitenden Worte eines Flusswarts beim Aufbruch zur herbstlichen Äschenfischerei im River Test klingen noch heute in meinen Ohren: ‘If you are catching trout, you’re doing something wrong’.
Trotz der Unterschiedlichkeiten beider Arten, ernähren sich Forelle & Äsche prinzipiell von der selben verfügbaren Nahrung, jedoch mit andersartigen Verhaltensweisen. Das Wissen über diese feinen Unterschiede der erfolgreichen Vorgehensweise, erarbeitete sich John Roberts in jahrzehntelanger Konzentration auf den Fang von Äschen, selbst zu Jahreszeiten an denen der Forelle üblicherweise die unumstrittene Aufmerksamkeit gilt.
Seine Erfahrungen sammelte er dabei nicht einzig an den Kalkflüssen Nordenglands, sondern widmete sich mit gleichgesinnten Verbündeten – z.B. Hans van Klinken – der ganzjährigen Äschenfischerei in Österreich, Deutschland, Schweden und Alaska. Das beinahe zwanzigjährige Intervall zwischen seinem ersten Buch The Grayling Angler und der hier vorliegenden Überarbeitung Flyfishing for Grayling, war auch charakterisiert von fundamentalen taktischen Erneuerungen beim gezielten Fang auf Äschen, die aufgrund ihrer Effizienz ebenfalls ihren Einzug in die Forellenfischerei fanden z.B. beschwertes Nymphenfischen, Klinkhammer Aufsteiger, Czech Nymphing.
Mit strukturiertem Aufbau – Lebensweise, Nahrung, Trockenfliegen Taktik, Nymphen Taktik, Fliegenmuster – widmet sich sich dieses Buch somit den reichhaltigen Facetten des Fliegenfischens auf Äsche zu jeder Jahreszeit. Roberts Leidenschaft für Äschen klingt in jeder Zeile dieser rund einhundertfünfzig Seiten starken Veröffentlichung durch und beinhaltet unzählige nützliche Tipps und Hinweise zum erfolgreichen Fang von Äschen von Mai bis Dezember. Schön, das dem Fang dieses Leitfisches heimischer Flussregionen – der Lady unserer Flüsse – ein eigenes Buch gewidmet wurde. Wärmstens zu empfehlen!
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