Mit einem Leser von Forelle & Äsche stand ich vergangene Woche im Email Austausch. Er verriet mir, ohne verärgert oder enttäuscht zu sein, dass sich der Fangerfolg mit der Nymphe nicht so richtig einstellen will. Als Siegerländer empfohl ich ihm den Kontakt zu Spring Creek Flyfishing, um einen Zugang zum modernen Nymphenfischen zu bekommen. Warum er überhaupt keinen Verdruss darüber empfindet, war danach auch leicht erklärt. Er befischt mit wenigen anderen Kollegen ein Gewässer, in dem Forelle & Äsche noch gerne nach Oberflächennahrung steigen – sogar im Winter bei passenden Voraussetzungen.
Du Glückspilz dachte ich mir. Denn die Frage ob er sich werfend seinem Ziel nähert, oder doch besser watend mit der Angelei an kurzer Leine stellt sich für ihn nicht wirklich. Ganz anders ergeht es dem F&Ä Gastautor Matt Eastham, wie er uns in diesem Beitrag teilhaben lässt.
Matt Eastham: Ein Dilemma – werfen oder nicht werfen?
Diese Woche habe ich zum ersten Mal seit dem anstrengenden Unterfangen mit den Steinklammerer Nymphen wieder einige Fliegen gebunden. Die sind sogar nicht einmal für mich! Es scheint, dass ich während der letzten Jahre immer weniger daran interessiert bin, während der Wintermonate meine Zeit dem Fliegenfischen zu widmen. Ich habe weder die Zeit, noch die Muße, ans klirrend kalte Wasser zu schlurfen, um nach an den Flussgrund gedrückte Äschen zu suchen. Der Besuch eines put-and-take Forellensees über Weihnachten hat mir gezeigt, warum ich diesem Vergnügen schon seit vielen Jahren nicht mehr fröne. Sogar das Fliegenbinden inspiriert mich herzlich wenig wenn die Tage kurz sind – ich bin derart aus der Übung, dass mich alleine der Gedanke damit wieder zu beginnen, erschaudern lässt.
Letzte Woche gelang es mir aber, an einem glorreichen, knackigen Wintertag für ein paar Stunden an den River Ribble zu kommen. Es war ein Vergnügen draußen an der frischen Luft zu sein und das ein oder andere Mal Zeuge davon zu werden, dass der diesjährige Winter, wenn auch noch nicht in die Knie gezwungen, merklich an Härte verloren hat. Trotz der Kälte lag eine gewisse Wärme im direkten Sonnenschein, wie sie vor der Wintersonnenwende nicht zu spüren ist. Am deutlichsten konnte ich das nach Mittag erkennen, als es den Anschein hatte, als schlüpften einige wenige Baetis Rhodani als Reaktion auf den schmelzenden Raureif. Am anderen Ufer, entlang eines langen träge fließenden Stücks, stiegen sporadisch einige Äschen um diese ersten Frühlingsboten abzufangen. Leider reichte schon mein Versuch, mich ganz langsam durchs bauchtiefe Wasser zu schieben, die Fische zu vergrämen. Egal, es waren ermutigende Zeichen – die ersten Frühlingsvorboten. Als ich durch den Wald zurück ging, sah ich die ersten Bärlauchknospen, die schon zwei Zentimer aus dem nassen Boden gesprossen waren. Was wird die kommende Saison bringen fragte ich mich.
Die kurze Äschen-Session brachte mich ins Grübeln: das unerwartete Vergnügen ein gezogenes Vorfach an die Fliegenschnur zu knüpfen, erinnerte mich daran, wie es von Jahr zu Jahr weniger Spaß macht, schweren Nymphen herum zu lobben und wie beinahe ein Drittel der Saison vergehen kann, ohne dass ich eine vernünftige Länge Schnur auswerfe. Mir wurde bewusst, dass das Werfen der Fliegenschnur einer der vergnüglichsten Aspekte am Fliegenfischen ist. Nicht, dass ich besonders gut darin wäre (meine Wurfkünste sind mit Sicherheit ausbaufähig). Was aber nicht heißt, dass ich dem leisen Geflüster der Schnur durch die Luft nichts abgewinne und ich zudem tiefe Zufriedenheit empfinde, wenn gelegentlich Würfe so gelingen wie sie beabsichtigt waren. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass der Hauptgrund warum ich Czech Style Nymphentechniken so wenig abgewinnen kann, darin begründet ist, dass die Technik keinen Wurf im herkömmlichen Sinn anwendet. An der Theorie halte ich sogar fest, wenn ich mich an meine Experimente mit Nymphen an geflochtenen Schnüren zurückdenke. Ich erzielte große Fangerfolge, aber hasste den Umstand meine Fliegenschnur nicht zu Gesicht zu bekommen.
Hier gerate ich in eine Bredouille: Als Angler möchte ich mit aktuellen taktischen Strömungen Schritt halten. Darum gerate ich auch in Versuchung, mich gegenüber dem Trend zu ultra-langen Vorfächern (leader to hand) offen zu zeigen, obwohl ich während der letzten Jahre dieser Entwicklung hartnäckig widerstehen konnte. Doch nach und nach gingen die überzeugenden Argumente von Propagandisten wie Jeremy Lucas für die Vorteile dieser Technik unter die Haut. Ich ertappe mich schon dabei, Händlerwebsiten nach 11ft #3 Ruten für das Trockenfliegenfischen zu scannen. Jeremy Lucas war sogar sehr hilfreich dabei, mich in diese Verfeinerung unseres Sportes einzuführen. Ich erwarte nichts anderes, als in diesem Frühjahr mit langen Ruten Trockenfliegen an nichts anderem als 14m langen Vorfächern oder Micro Thin Fliegenschnüren auszuwerfen.
Aus präsentationstechnischer Hinsicht leuchten mir die Möglichkeiten ein. Ein anderer Teil in mir fürchtet aber das Überbordwerfen der klassischen Fliegenschnur, zugunsten ultra-dünner Fliegenschnüre oder langen Vorfächern und ich sehe mich schon, sehnsüchtig darauf zurückzublicken. Und was mache ich mit der zweiten langen Rute? Nehme ich die mit ans Wasser, anstatt bisher nur eine Rute? Bedeutet der Vorteil des geringeren Drags mit den ultra-dünnen Schnüren, dass ich bei der Anwendung herkömmlicher slack-line Techniken (Tuck Cast, Slack Line Cast, Mending) aus der Übung komme. Ich werde darüber am Laufenden halten.
Herzlichen Dank für diesen Beitrag an Matt Eastham – einem fanatischen Fliegenfischer, der seine Besessenheit fürs Fischen, Fliegenbinden und Fotografie, früher in seinem mittlerweile aus dem Netz genommenen Blog North Country Angler festhielt. Als geschätzter Schreiber und Fotograf liefert er regelmäßig Beiträge für Publikationen wie Trout & Salmon und Eat, Sleep, Fish.
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Sepp Prantler says
Matt Eastham beschreibt in seinem Artikel sehr gut den Konflikt, der sich vielen Fliegenfischern sicher immer mal wieder auftut: Werfen oder nicht Werfen, das ist hier die Frage.
Aus meiner Sicht sollte das aber kein wirklicher Konflikt sein!
Ich habe mal sehr schönen Sätze von Ingo Karwath gelesen, den ein erfahreren Fliegenfischer ihm in seinen Anfangsjahren gesagt hat und den ich hier mangels genauem Textauszug nur sinngemäß widergeben kann:
“Der beste Fliegenfischer ist nicht der, der die meisten Fische fängt. Der beste Fliegenfischer ist auch nicht der, der die größten Fische fängt.
Der beste Fliegenfischer ist der, der an seinem Tun die meiste Freude hat!”
Dazu zwei Geschichten:
Erste Geschichte:
An einem meiner Hausgewässer war mal anläßliche eines FF-Events eine Gruppe, bestehend aus Pionieren des “modernen” Nymphenfischens, sogar Weltmeister waren dabei.
Ich hatte privat gerade wenig Zeit und konnte deshalb großteils nicht an dem Event teilnehmen. Aber neugierig wie ich war, mußte ich mir die prominenten Jungs zumindest mal anschauen.
Am Wasser angekommen, hatte ich Glück, denn genau dort hatte die Gruppe gerade einen langen Zug abgefischt und unterhielten sich angeregt mit anderen Teilnehmern am Wasser.
Auf meine Frage, wie es ihnen denn an diesem Zuge ergangen war, kam die Antwort: “Kein einziger Fisch!” Und zwar von der ganzen Gruppe.
Nun, ich kannte die Stelle sehr gut. Der Zug hatte viele Fische, wurde allerdings auch viel befischt.
Gerade an der Stelle, wo wir standen, war die Fischerei nicht einfach. Extrem unterschiedliche Strömungsverhältnisse und Wassertiefen, bedingt durch Steine, Schotter und Sand.
Aus Erfahrung wußte ich aber, wo sich die besseren Fische gerne bei dem Wasserstand aufhielten.
Ich sagte: “Das kann ich mir gar nicht vorstellen, daß man hier keinen Fisch fangen kann” und bat einen der Fischer außerhalb der Gruppe der “modernen” Nymphenfischer um seine Rute.
Diese war mit einem Standard-Vorfach, konisch verjüngt und einer Goldkopfnymphe bestückt.
Zwei Würfe später konnte ich an langer Leine eine Äsche mit ca. 45 Zentimetern haken und landen. Ich bedankte mich bei dem Fischer, der mir seine Rute geliehen hatte!
Klar hatte ich einfach den Vorteil, daß es mein Hausgewässer war und ich die Stelle sehr gut kannte. Glück war natürlich auch dabei!
An diesen Tagen fingen die Spezialisten des modernen Nymphenfischens weniger, als ich wahrscheinlich unter gleichen Bedingungen gefangen hätte.
Aber sie kamen wieder und spätestens im dritten Jahr kannten sie die Bedingungen und fingen sicher mindestens genau so gut wie ich, der das Wasser viel länger kannte.
Zweite Geschichte:
Mit einer Gruppe von erfahrenen Fliegenfischern waren wir in einem wenig befischten kleinen Fluß mit gutem Naturfisch-Bestand, in der Steiermark. Mit dabei war der bekannte Rutenbauer und Fliegenfischer Walter Brunner. Bis auf den Aufseher kann sonst niemand das Gewässer.
Bis auf Walter entschieden sich alle für die Nymphe, da wir der Meinung waren, daß alle anderen Methoden unter den gegenwärtigen Bedingungen sinnlos wären.
Jeder von uns fing auch Fische, aber es war etwas mühsam.
Ich beschloß, Walter mal zuzuschauen, wie er das so anging. Trotz absolut keiner Oberflächenaktivität fing er mit präzise platzierten Würfen auf Trockenfliege mehr und größere Fische, als jeder von uns, incl. des Aufsehers!
Mein persönliches Resümee:
Im ersten Beispiel zeigt sich, daß Gewässerkenntnis oft entscheidender ist, als die Mehtode, die selbst von wirklichen Spezialisten angewendet wird.
Im zweiten Beispiel zeigt sich, daß eine Methode, die von einem Puristen annähernd zur Perfektion entwickelt wurde, durchaus dazu geeignet ist, an einem für alle unbekannten Gewässer bessere Fangergebnisse zu erzielen. In diesem Falle war der Purist der Trockenfliegenfischer, in anderen Fällen könnten die Puristen aber durchaus auch Euro-Nympher sein.
Ich selber bin kein Purist. Ich fische gerne die verschiedensten Methoden. Trocken- und Naßfliegen Nymphen (ohne und mit Bißanzeiger) und gelegentlich (vor allem auf Huchen) auch mit dem Streamer.
Aber ich werfe gerne. Es macht mir einfach Spaß, die Aktionen der verschiedenen Ruten und Schnüre zu spüren und die Leine in unterschiedlichen Längen auf das Wasser gleiten zu sehen!
An Stellen, wo es für mich Sinn macht, fische ich aber auch mit gestrecktem Vorfach. Das kenne ich seit Jahrzehnten, noch bevor es die Ausdrücke wie Czech oder Euro-Nymphing gab.
Offen für “Neues” habe ich, neben vielen anderen Büchern, auch das Buch “Nymphenfischen: Geheimnisse entlavt” und dieses intensiv (teils mehrmals) gelesen. Wirklich neue Erkenntnisse brachte mir diese Buch nicht wirklich. Aber es ist sehr gut geschrieben und dafür geeignet, bestimmte Situationen zu reflektieren und damit wieder interessante Aspekte ins Bewußtsein zu rufen, die man sonst vielleicht zu wenig beachtet.
Jedenfalls sollte jeder mit seiner Art des Fischens Freude haben, aber gleichzeitig respektieren, wenn Andere mit ihrer vielleicht abweichend Art des Fischens die gleiche Freude empfinden.
Toleranz und Akzeptanz verschiedener Ansichten bereiten gerade in diesen Zeiten selber und Anderen Freude!
LG Sepp
Tankred Rinder says
Hallo Sepp,
das Zitat von Ingo Karwarth – ein Journalist/Autor den ich unheimlich schätze – deckt sich mit den Zeilen von Thomas McGuane in Unendliche Stille: Nach dem Tod meines Vaters lud mich sein ältester Freund, mein sogenannter Onkel Ben, ein exzellenter Angler, zum Fischen ein. … an Abend fragte ich ihn auf dem Steg mit einiger Beklemmung: »Onkel Ben, war mein Vater ein guter Angler?« Lächelnd sagte er: »Nein, Tommy, war er nicht. Aber niemand hat lieber geangelt als er.« Das ist ein Rätsel für mich. »Niemand hat lieber geangelt.« Genügt das nicht?”
Ich stimme mit Dir 100% überein, dass die Freude am Tun des Fliegenfischens alles andere überwiegt.
Deine Anekdoten gefallen mir sehr! Denn sie bestätigen eindrücklich, dass beim Fliegenfischen die Wörtchen »immer« und »niemals« keine Bedeutung haben. Schön auch, dass Du untermauerst, was mir mein guter Freund Leo Neubauer aus Graz einmal sagte: “Ich verstehe den Hype um ‘Czech Nymphing’ nicht. So haben wir immer schon in der Mur gefischt, wenn es die Umstände erforderten.”
Dass Du ‘Nymphenfischen: Geheimnisse entlarvt’ mehrmals gelesen hast, auch wenn es Dir und deiner Jahrzehnte langen Erfahrung wenig neue Erkenntnisse gebracht hatte, macht mich ein wenig stolz. Die Aussage bestätigt nämlich, was wir Autoren mit dem Buch vorhatten. Ein Werk zu schaffen, das – wie du sagst – zum Nachdenken anregt und das stilistisch so geschrieben wurde, dass man es immer wieder gerne zur Hand nimmt und darin liest.
Treffender könnte ich es selbst auch nicht festhalten, als dass Lagerdenken während der letzten Jahre riesige Gräben in ein von Toleranz und Akzeptanz geprägtes Zusammenleben gerissen hat. Wenn die Unterschiede in der Technikwahl bei unserer gemeinsamen Leidenschaft nicht akzeptiert werden können, welche Chance haben wir dann als Gesellschaft, Kluft und Spaltung der letzten Jahre wieder zu kitten.
Vielen Dank für Deinen sehr, sehr interessanten Beitrag auf meiner Seite – ich freue mich immer von Dir zu lesen.
Beste Grüße, Tankred