Fliegenfischen: Geschichten aus 2000 Jahren Flugangeln (Peter Schmidt/ Gerd-Peter Wieditz)
Die Erzählungen über meinen Großvater, der starb als ich noch sehr jung war, haben mir zwei Dinge mitgegeben. Die Lust am Fischen und das Interesse an Geschichte. Beides manifestierte sich schon früh. Das Wurmangeln, welches er ein Leben lang praktizierte, legte ich bald ab. An seine Stelle trat nach anfänglicher Friedfischangelei die Leidenschaft für das Fliegenfischen. Sein bester Freund war mit dem Geschenk einer Fliegenrute an mich dafür verantwortlich. Schade, dass der Tod meines Großvaters Jahrzehnte her ist. Heute würde ich ihn fragen, wie es ihm und seinem Freund gelang, gemeinsam ans Wasser zu gehen – der eine mit dem Wurm, der andere mit der Fliege als Köder der Wahl.
Geneckt haben sie sich dafür. Das weiß ich aus Erzählungen seines Kompagnons, der meinen Großvater viele Jahre überlebt. Trotzdem zogen sie über 30 Jahre lang ständig zu zweit los. Halte ich mir die gesellschaftliche Polarisierung der letzten zehn Jahre vor Augen, wünsche ich mir, dass alle Differenzen so einfach zu überkommen wären, wie der offensichtliche Graben in der Technikzuwendung zwischen den beiden beim Angeln. Die Welt, im Kleinen wie im Großen, stünde an weniger tiefen Abgründen wie heute.
Sein Interesse an Geschichte hingegen färbte über meine Mutter auf mich ab. Ebenfalls seit meiner Kindheit begeistere ich mich dafür zu erfahren, wie Generationen vor uns gelebt haben. Es ist also wenig verwunderlich, dass ein Buch wie ‘Fliegenfischen: Geschichten aus 2000 Jahren Flugangeln’ auf großes Interesse bei mir stößt. Vor allem dann, wenn unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen. Dabei haben die beiden Autoren Peter Schmidt und Gerd-Peter Wieditz im 368 Seiten umfassenden Buch nicht gespart. Zu den eigenen Ansichten lässt man im reich bebilderten und ansprechend gestalteten Buch eine Reihe an bekannten Fliegenfischern zu Wort kommen und geht der Frage nach, woher eigentlich unsere Leidenschaft stammt und wie sie sich über die Jahrtausende entwickelte. Beginnend bei Griechen und Römern, über mittelalterliche Aufzeichnungen besonders aus dem deutschsprachigen Raum und schließlich ab der Blütezeit des Fliegenfischens ab dem 18. Jhdt. in England bis in die von den USA geprägten Moderne.
Peter Schmidt macht kein Hehl daraus, dass er kein ‘Historiker’ im wissenschaftlichen Sinn ist. Somit richtet sich sein Blick vor allem auf die Lebensgeschichten jener Menschen, die uns ein großes fischereiliches Erbe hinterließen. So etwas lockert ein Buch über Geschichte natürlich unheimlich auf, da es nie im Interesse des Autors lag, eine trockene Abhandlung über die Entstehung und Entwicklung des Fliegenfischens zu schreiben. Das Leben jener Angler die einen maßgeblichen Beitrag – meist in Buchform – zu dem leisteten, was wir heute unter Fliegenfischen verstehen, wird dabei ausführlich vorgestellt. Der geneigte Leser hat somit die Gelegenheit sich in die Werke dieser Protagonisten zu vertiefen. Ein Umstand den ich immens schätze. Denn ist erst das Interesse an Vertiefung geschürt, bin ich froh über weiterführende Quellen, um meine Neugier zu stillen.
Mit großer Leidenschaft widmen sich die beiden Autoren vor allem den künstlichen Ködern die unserer Leidenschaft ihren Namen geben. Die Abbildungen der nachgebunden historischen Fliegen aus dem Bindestock des hervorragenden Fliegenbinders und Rutenbauers Gerd-Peter Wieditz belegen das eindrucksvoll. Beim Rückblick über die Gerätschaften für die Ausübung des Fliegenfischens orientiert sich das Buch weniger an der chronologischen Entwicklung als an ästhetischen Werten. Weshalb auch an der Stelle Manufakturen in den Vordergrund gerückt werden, deren Einfluss über die bloße Bereitstellung von Ausrüstung hinausgeht und deren Leistung auch darin bestand, durch wirtschaftliches Geschick die Verbreitung des Fliegenfischens maßgeblich gefördert zu haben. In diese Gruppe fallen dann auch einige ehemals bedeutende deutsche Händler – und auch Buchautoren – die zumindest einen gewissen Beitrag zur Popularität des Fliegenfischens hierzulande beitrugen.
Das kommt mir als Leser von in erster Linie englischsprachiger Literatur zu diesem Thema zu Gute. Ich wollte schon lange wissen, wer eigentlich in unseren Breiten vor der ‘Gmundner Schule’ – ich nenne sie mal so – bestehend aus Hans Gebetsroiter, Walter Brunner, Roman Moser einen wirklich nachhaltigen Einfluss auf das Fliegenfischen hatte. Da schlossen sich für mich einige Lücken in meinem Wissen. Und dank der stark wachsenden Popularität des Fliegenfischens im 20. Jahrhundert kommen in diesem Buch natürlich viele Stimmen aus dem In- und Ausland zu Wort, die während der letzten achtzig Jahren unsere Leidenschaft maßgeblich geprägt haben, oder einen großen Beitrag leisten, dass längst Vergangenes nicht in Vergessenheit gerät.
Da ich grundsätzlichen der Überzeugung bin, dass ein Wissen über Vergangenes dabei hilft, die Gegenwart besser zu verstehen, empfehle ich ‘Fliegenfischen: Geschichten aus 2000 Jahren Flugangeln’. Für die Vertiefung einiger Themen, die sich aus der Lektüre ergeben, finden sich ausreichend Quellenhinweise, sodass der Geschichtsinteressierte ausreichend weiterführende Lektüre finden wird.
Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und wirklich interessante Einblicke in mir noch unbekannte Felder geliefert. Aufgrund meiner Begeisterung für ‘Fliegenfischen: Geschichten aus 2000 Jahren Flugangeln’ habe ich das Buch nun auch in den Forelle & Äsche Verlag Shop aufgenommen. Für eine kleine Leseprobe eignet sich dieser Link.
Die beiden Autoren Peter Schmidt und Gerd-Peter Wieditz haben freundlicherweise für die ersten 25 Bestellungen je 2x Fliegen, nachgebunden anhand historischer Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt.
1x Gamanderfliege aus Tegernseer Manuskript (ca. 1500)
1x Schuhufliege aus Wie die Forellen u. Aeschen in dem Wissent-Flusse in Franken geangelt werden (1773)
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