Wenn schon die Einschränkungen des Arbeitsalltags einen Strich durch den geplanten Trip an die Ostsee machten, warum nicht in der Fantasie einen Ausflug unternehmen. An vom Wind gepeitschte Strände, an dicke Lagen Kleidung, an die Brandung die mich anhebt und umzuwerfen droht. An Meerforellen die aus den Flüssen ins Meer zurück gekehrt sind und meine schonende Behandlung verlangen, an jene die sich während des Winters küstennah aufhielten und als Back-up für die Vermehrung dick und rund den Spülsaum patrouillieren. Was so alles hätte sein können, und wie ich das Meerforellenfischen im Frühjahr gestalte – wenn es beim nächsten Anlauf klappt – lasse ich mir vom Ostseefischer Jürgen Häfele erzählen. Herzlichen Dank für den Beitrag!
Zeitiges Frühjahr – im Großen und Ganzen haben die Meerforellen ihr Laichgeschäft hinter sich und befinden sich auf dem Rückweg in die Ostsee. Je nach Gewässer kann der Abstieg zu den angestammten Fressgründen sich jedoch bis weit in den April ziehen. Absteiger – dünne, lange, von der Fortpflanzung ausgezehrte Fische, schwimmen inmitten ihrer Verwandten die alljährlich eine Heerschar von Fliegenfischen ins eisige Nass treibt.
Jene Meerforellen – sogenannte Überspringer – Fortpflanzungsversicherung gegen Umwelt- oder anders bedingte Katastrophen die zu Ausfällen bei der Haupthut der Vermehrungsauserkorenen führt, zeigen unter normalen Bedingungen wenig Ambition sich am Laichgeschäft zu beteiligen. Dick und rund mit losem Schuppenkleid und nicht weniger hungrig als ihre ausgemergelten Artgenossen, schwimmen sie noch immer nah an Land.
Seit dem das Fliegenfischen auf Meerforellen am Dänischen Gronsund entdeckt wurde, hat sich eine Menge getan und immer noch spricht man von eintausend Würfen die man tätigen muss, um eine zu fangen. Wie ich finde eine große Herausforderung.
Platzwahl
Es gibt die sogenannten Hot Spots, die zu allen Jahreszeiten gut für eine Meerforelle sind. Und dennoch haben Gegebenheiten wie Jahreszeit, Wind, Wellen, Strömung, Wassertrübung größere Bedeutung bei der Platzwahl als hoffnungstragende Fangberichte der vergangenen Saisonen. Jetzt im zeitigen Frühjahr macht es zudem Sinn, den Angelplatz nach Salzgehalt aus zu wählen. Denn viele Meerforellen ziehen dann in ausgesüßte Küstengewässer bis hin ins Brackwasser. Dort wo sich die Wassertemperaturen im zarten Sonnenlicht des Frühjahrs durch den geringeren Salzgehalt schneller erwärmen. Wo wieder Leben einkehrt – Borstenwürmer, Tangläufer, Stichlinge – die Nahrungsgrundlage für Meerforellen in ufernahen Bereichen.
Die Ostküste von Rügen z.B. ist eine klassische Region für die Frühjahrsfischerei. Die Süßwassermassen der Flüsse werden je nach Strömung nach links oder rechts transportiert. Über Strömungsflüsse kann man sich im Vorweg sehr gut auf der Website der BSH immer aktuell unter Baden & Meer informieren. Nach vielen Jahren des Probierens, Scheiterns als auch Reüssierens bin ich heute davon überzeugt: eine vernünftige Vorbereitung, sowie kurzfristige Entscheidungen betreffend der wetterbedingt idealsten Jagdgründe, bescheren den bestmöglichen Erfolg.
Ausrüstung
Um eine erfolgreiche Fischerei überhaupt zu ermöglichen, ist die Ausrüstung von nicht geringer Bedeutung. Sich während des Fischens bei geringen Luft- und Wassertemperaturen wohlzufühlen ist unerlässlich und ohne die richtigen Klamotten von Kopf bis Fuß nicht zu realisieren. Ich wähle maximal zwei Schichten Bekleidung unter der Watjacke und -hose. Eine Fall Run Jacke von Simms ,oder das Modell von Patagonia in Verbindung mit einer Fleece Latzhose und atmungsaktiver Unterwäsche: eine unschlagbare Kombination wie ich finde, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit ermöglicht. Dazu noch ein Paar Thermosocken und nicht zu kleine Watschuhe, um auch meine Zehen bewegen zu können. So fühle ich mich gerüstet für das Fischen auf Meerforellen im Frühjahr. Schnurkorb, Watstock und Kescher sind für viele nützliche Utensilien, die mich aber eher in meiner Ausübung einschränken.
Im zeitigen Frühjahr fische ich ausschließlich eine achter Rute in 9`6ft mit einer mittleren Aktion Plus einer Joan Wulff Signatur. Es mag für viele nicht die beste Wahl an Equipment sein und dennoch ist es für meine Art und Weise der Meerforellenfischerei solides Arbeitsgerät. Die auflandigen Winde können noch sehr kräftig sein und Ruten mit ausreichend Rückgrat, stärken in mir das Gefühl, gegen diesen widrigen Umstand – in einem akzeptablen Rahmen versteht sich – gerüstet zu sein. Orkanartigen Böen hat aber auch diese Kombo wenig entgegenzusetzen. Zeit sich an den Bindestock zu setzen.
Fliegen/Fliegenbinden
An manchen Plätzen existiert tatsächlich eine hohe Konzentration der einen oder anderen Futterquelle. Trotzdem gibt es einige allgemeine Muster die immer und überall fangen, wenn man die Größe den Bedingungen angepasst. Geheimniskrämerische Meerforellenangler werden meine Behauptung vielleicht widerlegen wollen, doch tatsächlich scheint der Wooly Bugger in verschiedenen Größen und Farben die absolut ergiebigste Fliege zu sein. Ostseebesuchern die nach 100% Abwechslung und unbekannten Thrill suchen, zu allem was sie von zu Hause kennen, drücke ich gerne Øland Spey Shrimps und all ihre Abweichungen bis hin zur Pattegrisen in die Hand.Ohne Zweifel die heutzutage erfolgreichsten Muster und unersetzlich in jeder Fliegenbox.
An der schwedischen Küste war die Mickey Finn im Winter und zeitigen Frühjahr lange Zeit ein Klassiker. Meine persönliche Wahl für die schwedische Süd/Ostküste ist ohne Einschränkung die Juletræ für die Monate März und April. Auf Rügen hingegen sind Zonker in verschiedensten Farben und Größen oft alles was man braucht. Letztendlich entscheidet auch an der Küste das Vertrauen in die Fliege wichtig und wird somit den erwünschten Erfolg bringen.
Strategie
Noch mehr als Terrain und Hot Spot bestimmen die vorhandenen Wetterbedingungen meine Platzwahl. Bewegtes und leicht eingetrübtes Wasser ist dabei meine erste Wahl – und nicht nur meine. Im Schutz der Trübung fühlen sich Meerforellen wohler und nähern sich erstaunlich nah dem Spülsaum. Denn auch ihre Beute verhält sich unvorsichtiger. Kommt der Wind von West, so laufen die Wellen aus Nordwest auf den Strand zu. Seitliche Winde unterstützen zwar das Werfen ungemein und tragen die Leine weit hinaus, doch kommen unter solchen Voraussetzungen die Meerforellen erfahrungsgemäß sehr dicht unter Land Also konzentriert man sich besser auf den Nahbereich und fischt diesen genau ab. Und dafür reichen Wurfweiten von 20m-25m allemal aus.
Zu achten sei nur auf ein gestrecktes Vorfach um sicher zu gehen, dass ein rascher Biss auch sofort an Schnur und Hand signalisiert wird. Ein bis zwei lange Züge an der Schnur noch unmittelbar nach der Landung der Fliege, bringen uns sofort in Kontakt mit der Fliege. Zeit zum Absinken lassen um in gewünschter Tiefe zu fischen, besteht dann noch immer. Je nach Wind und Wassertrübung wähle ich das Vorfach zwischen 2 und 5 Metern, um meine Fliege optimal zu servieren. Denn allzu oft kommt der Biss auf den ersten ein bis zwei Metern. Auch meine Einholgeschwindigkeit ist immer den Bedingungen angepasst. Bei Wassertemperaturen um 3-5 Grad eher langsam mit regelmäßigen Stopps, um die Monotonie der durchs Wasser gezogenen Fliege zu brechen. Nicht selten kommt der Biss genau dann, wenn die Fliege wieder in Bewegung gesetzt wird. Fluchtreiz vs. Bissreiz
Mit steigenden Temperaturen nehmen die Forellen dann wieder gerne eine schneller geführte Fliege. Mein Befischungswinkel beträgt dann ca. 45° und hin und wieder auch seitlich gerade. Speziell wenn ich etwas weiter draußen im Wasser stehe. Jeder Fischer verfährt anders auf der Suche nach einer Meerforelle. Natürlich kann man auf einem Platz verharren und auf vorbeiziehende Meerforellen hoffen. Ich bin da eher der aktivere Typ. Habe ich nach einer halben Stunde keinen Fischkontakt gehabt, so begebe ich mich auf die Suche. Das erklimmen von Steinen um weitere Würfe zu erzielen, ist aus meiner Sicht nachteilhaft. Zum einen ist es nicht selten ein Garant für ein unfreiwilliges Bad, zum anderen bringt es den Fischer ins Sichtfenster sich nähernder Meerforellen. Zudem wate ich immer langsam und bedacht ins Wasser. Wer weiß schon was sich so im unmittelbaren Spülsaum aufhält – denn lasst uns nicht vergessen: Meerforellen sind sehr scheu.
Drill & Landung
Hat dann tatsächlich eine die Fliege genommen schätze ich in den ersten Sekunden die Größe des gehakten Fisches ab und nehme die Leerschnur auf. Die Größeren zeigen sich erst gar nicht an der Oberfläche und ziehen eher in Dampflok-Manier ihre Bahnen und setzen dabei zu Fluchten um die 5 bis max. 15 Metern. Anders dagegen sind die Mittleren, die sehr wild kämpfen und durch Springen und ungezügeltes Schlagen an der Oberfläche, schwieriger unter Kontrolle zu bringen sind. Ich übe in einen ca. 70-90 Grad Winkel gleichbleibenden Druck aus und die Forelle ermüdet so optimal gegen die Aktion meiner Rute. Für die Landung benutze ich seit vielen Jahren keinen Kescher mehr, denn es klappt hervorragend mit der Handlandung.
Entspricht eine Meerforelle nicht meinen Kriterien zur Mitnahme so lässt sich die widerhakenlose Fliege schnell lösen und der Fisch weiß gar nicht so recht was ihm geschah. Die gängige Praxis einen Fisch zu stranden, sollte bis im maximal seichtem Wasser erfolgen. Dort kippt der Fisch dann von alleine auf die Seite. Niemals sollte man den gefangenen Fisch über Sand und Stein bis ans Ufer führen. Es sei denn, man möchte ihn der Küche zuführen.
Nachhaltigkeit
Gerade jetzt im zeitigen Frühjahr, sind noch immer viele vom Laichen zurückgekehrte Meerforellen noch lange nicht in einer Verfassung, um entnommen zu werden. Auch wenn sie schon während der Rückwanderung ins Meer das Laichkleid wechseln, bedeutet das noch lange nicht, dass ihr Fleisch letztlich auch gut schmeckt. Ein Fisch dessen wuchtigster Körperteil der Kopf ist, wird sich in der Pfanne nicht zu Höchstgenuss entwickeln. Nur blanke, wohlgenährte Fische mit losen Schuppen garantieren kulinarischen Genuss. Im Zweifelsfall entscheide ich mich zu Gunsten des Fisches, denn die nächste Forelle kommt bestimmt. Zudem habe ich mich schon lange darauf festgelegt, nur Milchner zu entnehmen.
Fazit
Allgemein wird von vielen Fischern das Frühjahr, als die beste Zeit fürs Fliegenfischen auf Meerforellen gehalten. Zu kaum einer anderen Zeit sind die Chancen besser, einen wirklich großen Überspringer zu überlisten. Der ufernahe Küstenbereich erwärmt sich stetig und hier ist auch das Nahrungsangebot am größten. Bevor die Wassertemperaturen zu hoch ansteigen, packen die Meerforellen wieder so richtig Gewicht an, um gerüstet zu sein für die auch für diese edlen Räuber gefährlichere Zeit später im offenen Meer. Die Fische sind notgedrungen sehr aktiv und legen dabei beachtliche Strecken auf und ab entlang der Küste zurück. Macht es ihnen nach und begebt euch auf die Suche nach dem Fisch – speziell in den Morgen- und Abendstunden. Eine Tageszeit während der die noch gefrässigeren Hornhechte, die mit dem Erblühen des Raps an der Küste einfallen, noch weniger aktiv sind.
Wie es so weitergeht mit dem Fliegenfischen auf Meerforellen während der Saison, darauf dürfen wir schon gespannt. Ich bedanke mich bei Jürgen Häfele für diesen stimmigen Beitrag, der mich davon träumen lässt, es hoffentlich schon bald wieder an die Flensburger Förde zu schaffen.
Zum Fliegenfischen kam Jürgen Häfele vor 25 Jahren in Irland am River Drowes. In Rostock lebend war die Leidenschaft für die Küste schnell entfacht und die meiste Zeit beim Fliegenfischen auf Meerforellen in Rügen verbracht. Für den Rostocker Raum betreibt er auch das feine regionale Forum “Der Ostseefischer”. Beruflich bedingt wurden die letzten 15 Jahre fischereilich fast ausschließlich an der schwedischen Südküste verbracht. Durch den Wohnortwechsel nach Niedersachsen, rücken Forelle & Äsche mehr und mehr in den Fokus seiner Ausritte mit Rute und Rolle.
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