Aus einem Fischereiverein auszutreten ohne ein Nachfolgegewässer gesichert zu haben, ist wie den Arbeitsplatz zu kündigen ohne eine neue Stelle in petto zu haben. Beides kann man machen – beides führt zu Ängsten, Nöten und Stress. Und wie es Arbeitskräfte kalt erwischen kann, wenn die zweite oder dritte Restrukturierung in wenigen Jahren keinen Anlass gibt, das XING und LinkedIn Profil zu aktualisieren, genauso überfallsartig kann das Ende einer Pachtverlängerung über das Fischereivereinsmitglied hereinstürzen, wenn die jahrelangen Querelen des Vereins mit der Fischereigenossenschaft ignoriert werden. Ich musste also meine Fühler ausstrecken, bevor das Unvermeidliche mich überraschen konnte. ’Failing to plan, is planning to fail’.
Nach ausgedehnter Recherche kam ich zu der Überzeugung, dass die Möglichkeiten zur Ausübung des Fliegenfischens im Kölner Raum wirklich vielfältig sind. Zugegeben reine Fliegenfischergewässer mit den alleinigen Zielfischen Forelle & Äsche mag es wenige geben. Wenn man sich aber für ein Mischgewässer begeistern kann, in dem sich auch Döbel, Barben, Nasen und vereinzelt auch Hechte herumtreiben, mangelt es nicht an Flüssen an die der wöchentliche, für einige der fast tägliche Gang ans Wasser sich realisieren lässt. Neben den Eifelflüsschen Rur, Urft und Kyll – allesamt herrliche Gewässer die ich gerne und oft besuche, finden sich mit Ahr und Sülz weitere kleinere Flüsse in der Umgebung. Und wer aus dem Angelurlaub in Norwegen, Schottland und England Erinnerungen an größere Flüsse mitbringt, tut gut daran sich Wupper, Sieg und Agger anzusehen.
An letztere bekam ich im Frühjahr dieses Jahres eine Einladung. Und schon während der ersten Besichtigung war ich restlos begeistert. Vor mir lag ein Fluss der an vielen Stellen eine Breite von 20m oder mehr aufweist. An dem sich das Wasser in gleichmäßiger Strömung, zügig über ein kieseliges Flussbett schiebt. An dem ein Pool schon mal 50 Meter oder mehr lang sein kann. An dem Flussunebenheiten und Rinnen nicht sofort ersichtlich sind. Der trotzdem hier und da, über Jahrtausende sich seinen Weg durch das Rheinische Schiefergebirge fräsen musste und zwischen Gesteinsbrocken tiefe Rinnen und Löcher hinterließ. Mit einem Wort ein struktur- und abwechslungsreiches Gewässer wie geschaffen für uns FliegenfischerInnen.
Zumindest für diejenigen unter uns die sich ein Gewässer auch mit Spinn- und Grundfischern zu teilen vorstellen können. Die davon absehen können, mit sich und dem Eisvogel alleine einen schönen Nachmittag zu verbringen. Denn Uferstrassen, Wanderer und Wohngebiete sind nie weit entfernt. Das ist wohl der Preis den es zu zahlen gibt, wenn man sich dazu entschliesst, sich in einem dicht besiedelten Bundesland wie NRW (18.Millionen Einwohner) niederzulassen. Zu sehen gab es trotzdem viel an diesem Tag. Zwar keinen Eisvogel, doch Bachstelzen und Wasseramseln sprangen umtriebig umher. Doch da die Freude an Natur und Umwelt, ohne den Fang von Fischen nie ganz komplett sein kann, war ich natürlich gespannt welche gepunkteten Vertreter sich für meine Fliegen interessieren würden.
Um Missverständnisse sofort im Keim zu ersticken. Mit dem Können am Ende meines Lateins zu sein ist eine wichtige Erfahrung, um mir Gedanken zur Verfeinerung meiner Taktik zu machen und beim nächsten Mal ein besseres Ergebnis vorweisen zu können. Ohne nennenswerten Fang nach Hause zu gehen trübt die Freude über einen Ausflug ans Wasser nur gering. So lange ich weiß, dass ausreichend Fische im Gewässer vorhanden sind. Dann wird eben die Beschäftigung mit der Verbesserung meines Angelkönnens zur freudenspendenden Aufgabe. Wüsste ich aber, dass das Gewässer an dem ich fische, durch fehlende Hege und störende Faktoren – seien es Strukturarmut, Verbauung oder Verschmutzung – einen geringen Fischbestand aufzuweisen hat, müsste ich mir einen Besuch gut überlegen. Auch wenn der Teufel Fliegen frisst und vielleicht nicht wenige für das Fliegenfischen Begeisterte, nicht einmal vor diese Wahl gestellt sind. Denn draußen in der Natur sein, ist noch immer die bessere Alternative.
Da es die Agger an diesem Tag aber gut mit mir meinte, war mir klar ich möchte den Verein wechseln. Letztes Wochenende war es also soweit. Aufnahmegebühr abgetreten, Jahresrestkarte in der Hand, ging es ab an den Fluss. Einem Mischgewässer entsprechend, betreibt der Verein eine Artenschonzeit aber keine Gewässerschonzeit. Zwar ist das Watfischen in der Zeit von 20.10.-30.4. untersagt, doch die Angelei ist weiterhin möglich. Somit rechtfertigte sich der Kauf eines Jahresscheins für das Jahr 2015 noch. Denn das aus meiner Zeit in England gewohnte Fliegenfischen an sonnigen Wintertagen, fehlte mir hier in Deutschland bislang sehr. Eingepackt wie ein Michelin-Männchen, dichter Hauch vor der Nase, Reif oder Schnee am Boden, Rutenspitzen an denen sich Eisklumpen bilden – ich liebe es im Winter am Wasser zu sein. Das lange Warten hat ab sofort ein Ende!
Und auch am letzten Wochenende, einem herrlichen Herbsttag, sollte die Agger mich nicht enttäuschen. Den Großteil des Tages brachte ich damit zu die Strecke zu begehen. Denn 4,5km Fluss sind nicht wenig. Zwei fliegenfischenden Kollegen bin ich dabei begegnet. Mit jedem Schritt den ich zurücklegte wurde mir bewusst, welche unterschiedlichen Techniken ich wohl auspacken müsste, um mich an die Gegebenheiten dieses Flusses anzupassen. Einen Streamer durch die langen, langsamen Pools ziehen. Die Trockenfliege auf der glatten Oberfläche absetzen. Im Frühjahr mit Spiders die langen, flotten knietiefen Züge abfischen. Mit langem Vorfach mit der French-Nymphe die Stellen zu erreichen, die man nicht mehr anwaten kann. Lange, gleichmäßige, scheinbar strukturlose Läufe mit Duo Systemen erkunden. Ich freue mich einfach auf die Vielfalt der Fischerei, denn endlich bin ich wieder an einem Gewässer, dass viele andere Methoden abrufen wird, als die von mir sehr geschätzten Short-line Techniken wie Czech Nymphing. Meinem Fliegenfischen wird es gut tun.
Einen Vorgeschmack darauf erhielt ich also letztes Wochenende, als das Wasser glasklar war und ich mich selbst mit vorsichtigem Waten nicht einfach so den Fischen nähern konnte. Als ich durch die hinter mir liegende Sonne einen langen Schatten warf und die ausgestreckte Nymphenrute wie ein dunkler Streif meine abtreibende Nymphe begleitete. Positionierung und Platzwahl wurden an jenem Tag besonders wichtig. Doch unter einem überhängenden Busch, dessen Schatten meinen aufhob, ließ sich in der ausgespülten Rinne eine wunderschöne, im Herbstkleid gezeichnete Bachforelle, zum Anbiss verleiten.
Sehr erfreulich war die Tatsache, dass ich mehr Äschen als Forellen fangen konnte. Den vier Forellen standen sechs Äschen um die 30cm gegenüber – eine respektable Größe wie ich finde, auch wenn noch einige Zentimeter zum Vorzeigefang fehlen. Und während die Forellen allesamt die tiefgeführte schwere Nymphe schätzten, zeigten sich die Äschen willig zur kleinen Pale Watery Nymphe (#18) aufzusteigen. Die Kampfkraft die diese Durchschnittsäschen an den Tag legten, lassen große Vorfreude auf den Fang einer stattlichen Fahnenträgerin aufkommen . Der Winter kann aus meiner Sicht kommen!
*Nachtrag Herbst 2018
Wie rasch ein Gewässer sich durch äußere Einflüsse verändern kann, lässt sich am Beispiel der Agger ablesen. Ein neuer Kraftwerkbetreiber seit 2017 sorgt ohne Rücksicht auf das Gewässer, seine Bewohner und zahlenden Nutzer für extremen Schwellbetrieb. Täglich schwankt der Pegelstand aus meiner Sicht drastisch, erzeugt erhöhten Stress für Fische die sich in tieferen Abschnitten zusammendrängen und verdirbt die Laune für Fliegenfischer gehörig. Der Verein hat in dieser Sache den Kontakt zur Sieg-Fischerei-Genossenschaft aufgenommen, denn die Situation muss dringend geklärt werden. Interessierten Anglern empfehle ich die Kontaktaufnahme mit dem ASV Overath, um die aktuelle Sachlage zu klären.
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Blog@fliegenfischen-deutschland.de says
Ich werde wohl bis zum 16.03.2016 warten müssen, bevor ich “altbekannte” neue Gefilde befischen kann. Schonzeit und auch “Tennisarm” machen es dieses Jahr nicht sinnvoll Aufnahmegebühr und Jahresbeitrag zu bezahlen. Von dann an stehen mir aber 16 Kilometer “Eifelrur” zur Verfügung.
Tankred Rinder says
Sollst ja auch fischen und nicht Tennis spielen – Spaß beiseite. Gratuliere zur Rur Mitgliedschaft, hast Dir ein wirklich klasse Gewässer ausgesucht. Werde morgen auch dort sein – insgesamt jedoch eine Ecke weiter als die Agger. Wünsche Dir jetzt auch schon viel Erfolg mit Deiner Initiative ‘Förderverein für krebskranke Kinder Tübingen e.V.‘ – melde mich kommende Woche per Email mit einer Frage dazu.
Grüße und Tight lines, Tankred