Manchmal meint es dass Wetter nicht gut mit uns. Idealste Bedingungen von Montag bis Mittwoch während man seinem Broterwerb nachgeht. Sobald man sich aber damit zu beschäftigen beginnt, welchen Schlupf man wohl am Wochenende vorfinden wird, ob die Traumforelle vom letzten Ausflug, die sich mit zornigem Kopfschütteln der Fliege entledigte, ein nächstes Mal verführen lassen wird, wirft die Wettervorhersage einen einheitlich grauen Triptychon übers Handydisplay. Der klägliche Versuch mit dem Aufdrehen des Fernsehers ein anderes Bild vorzufinden, bestätigt final das uniforme Bild. Da hilft kein Jammern – raus ans Wasser muss es, am besten somit an einen Bach.
Der Lieblingsfluss mag unbefischbar sein durch all die aufgewaschene Erde an seinen Ufern, durch die Aufnahme all des Schmutz seiner Zuflüsse. Doch an den Flussoberläufen und den einsam dahinfliessenden Bächen, tut sich meist ein Fenster der Hoffnung auf. Spätestens bei der Inspektion der Konditionen vor Ort. Auch Bäche können leicht anfällig für rasche Verfärbung sein, wenn die Weiden die sie durchfliessen, stark agrarisch genutzt werden. Die Gülle der letzten Düngung, die überschwappende Viehtränke, der von Huftritt zertrampelte Bachrand – sie alle tragen dazu bei, dass sich der von Quellwasser gespeiste Bachverlauf möglicherweise entgegen aller Erwartungen verfärbt. In der Regel halten Bäche aber dem regenbedingten Abfluss gut Stand.
Wurf
Ich muss gestehen, dass die Bachfischerei sicherlich nicht zu meinen Lieblingsspielarten zählt. Und doch weiss ich, dass die Fischerei an Bächen die eigenen Fähigkeiten maßgeblich voran bringt. Nur selten werden in anderen Situationen am Wasser, Vorsicht und Genauigkeit in einem ähnlichen Maß abgerufen, wie beim Fliegenfischen am Bach. Mal ehrlich: wie oft greift der Fliegenfischer sonst zum Roll-Cast? Ein vom exzellenten Werfer Hywel Morgan als Gefängnis-Freikarte aller Fliegenwürfe bezeichneter Wurf. Unerlässlich ist dieser auch für den Trockenfliegenfischer an großen Flüssen als ‘Roll Cast Pick-up ’. Schon mal beobachtet wie das Aufheben der Schnur zum nächsten Cast spritzen kann? Nicht mit dem Roll Cast Pick-up! Selbst Stillwasserfischer profitieren von diesem Wurf, um Sinkschnüre aus der Tiefe zu befördern.
Wie man sieht lernt man bei der Bachfischerei Techniken, die auch an anderen Situationen am Wasser ihre Anwendung finden. Mein Freund Tobias vor der Brüggen der die letzten Jahre fast ausschließlich an der Bröl fischte, wird nicht müde zu betonen, welche Weisheit ihm beim Eintritt in den Verein vom meisterhaften Fliegenfischer Markus Radermacher mitgegeben wurde: “Kannst Du an der Bröl fischen – kannste überall fischen”. Bäche dieser Art sind nun mal unverzeihlich bei Unvorsichtigkeiten jeder Art. Sei es der falsche Tritt am Ufer, der ungeschickte Gang ins Wasser, die ungenau präsentierte Fliege. Am Bach hat man sprichwörtlich nur eine Chance. Die Pools sind zumeist klein und die Läufe kurz. Sind sie zudem wie die Bröl von dichtem Ufersaum umgeben, mangelt es den Fischen nicht an Nahrung. Wahllosigkeit der Fische bei der Nahrungsaufnahme mag auf freifliessende, steinige Alpenbäche zutreffen – im Mittelgebirge oder Flachland können die Fische heikler sein wenn sie möchten. Mit Terrestrials, egal ob Hopper, Daddy Long Leg, Beetles oder Gnats, Art ist man jedoch immer gut ausgestattet.
Bachfischen im grünen Tunnel – mancherorts die grüne Hölle – bedingt absolute Konzentrationsfähigkeit. Nirgendwo sonst am Wasser kann auf wenigen Quadratmetern so viel schief gehen wie am Bach. Überhängende Äste und Zweige laden förmlich dazu ein, von Fliegen geziert zu werden. Besser mit jedem Wurf sich vorsichtig an die gewünschte Drift zu nähern, als mit dem ersten bereits in der Botanik zu hängen. Nicht wenige Zeugen missglückter Würfe lassen sich an einem Tag dabei von Bäumen und Sträuchern pflücken. Wurfopfer werden von mir dort wo es möglich ist sofort eingesammelt. Und an Bächen ist es fast immer möglich. Es ist eine Unart Fliegen am Vorfach von Ästen baumeln zu lassen, wenn diese eingesammelt werden könnten. Natürlich versaut man sich den kleinen Pool wenn man seine Fliege wieder holt. So what – 1:0 für den Fisch! Als mehr oder weniger passable Imitation eines Insekts, wirken Fliegen nicht nur attraktiv unter Wasser, sondern auch verlockend an Land. Wer schon einmal einen Vogel oder eine Fledermaus verendet von einem Ast hängen hat sehen, wird es sich vielleicht das nächste Mal überlegen, ob es egal ist die abgerissene Fliege einfach baumeln zu lassen.
Anhieb
Doch viele Fliegen landen nicht schon beim Wurf im Gestrüpp, sondern werden erst später Opfer eines instinktartigen, schwungvollen Anhiebs. Gefühlvoller Krafteinsatz hat beim Distanzfischen sicherlich seine Berechtigung. Landet die Fliege aber selten weiter als 7 Meter vor uns, schießt diese beim verpassten Anschlag wie ein Projektil an unserem Kopf vorbei und findet sich hoch über uns im Geäst. Ein seitlicher Zug nach unten hakt jeden Fisch auf diese kurze Distanzen mindestens genau so gut. Zudem schützt dieser Anhieb vor der nächsten großen Gefahr die an dicht bewachsenen Bächen lauert. Eine Heimtücke die bereits innerlich kontrollierte Menschen zu Schimpftiraden hingerissen hat, die ein FSK Etikett 18 verdient hätten. Im Eifer des Gefechts vergisst man nämlich nicht selten den kräftigen Ast über oder hinter sich. Achtet man beim Wurf noch penibel darauf, das schöne teure Rutenstück vor jeder unfreiwilligen Berührung zu schützen, geht diese Vorsicht verloren, zeigt erst ein Fisch Interesse an unserem Muster. Ein kräftiger Anhieb – null Kontakt vorne – Vollkontakt hinten – ein Geräusch dass die Magengrube sinken lässt. Das schrille Knacksen ist der Vorbote einer Ahnung, die beim Anblick eines Rutenteils das am Vorfach baumelt zur Gewissheit wird. Ich möchte dass nie mehr wieder erleben müssen.
Ärgernis
Die Tageskarten für Bäche mögen günstig sein – der Verschleiß, den dicht bewachsene Wälder an unserer Ausstattung verursachen keineswegs. Erlaubt der Dschungel vor uns erst kein Weiterkommen mehr, schlägt man wohl oder übel eine Schneise durch Brombeersträucher mit ihren spitzen Dornen, die kratzend über unsere Wathose streichen. Stolpert auf dem Weg über eine vom dichten Laub verdeckten Draht und landet ungelenk am feuchten Boden. Die innere Standfestigkeit gibt spätesten dann nach, wenn beim Übersteigen eines Stacheldrahtzauns, die wenig eng anliegende Wathose sich beim Schwung des Beins verfängt und ein krächzender Riss, den Griff zum Flickzeug verkündet.
Warum tue ich mir das an fragte ich mich manchmal. Ängste und Sorgen um Gerät und Kleidung. Lange Wege entlang des Waldsaums, das fröhliche Glucksen dicht an meinem Ohr, ungeduldig die nächste Lücke in der dichten Uferböschung suchend. Mein Entschluss meinem amputierten Vereinsgewässer auf Wiedersehen zu sagen stand fest. Also zogen Tobias und ich noch einmal los vor wenigen Wochen, auf unsere Abschiedstour von der Bröl. Mit all dem erwartenden Leid – ja ein Riss in der Wathose, nein kein Spitzenbruch, ja die langen Wege zu den wenigen Lichtungen. Und es wurde uns wieder bestätigt warum es sich trotz der häufigen Frustration immer wieder lohnt an einem kleinen Bach zu fischen. Farewell liebe Bröl – werde deine Zicken, doch auch deine erbauenden Seiten vermissen!
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Leave a Reply