Was Charles Rangeley-Wilson wohl aus meinem Ausflug an die Kyll am letzten Wochenende gemacht hätte? Zum Saisonauftakt nach Gerolstein. Den Ort den die meisten Leser hier wahrscheinlich nur als Namensgeber für Mineralwasser kennen. Doch im Eifelkurort bröckelt äußerlich der Glanz ab wie das Blattgold von Barockengeln in von Kirchensteuerverlust geplagten Großstädten. Selbst der kostenlose Mineralwasserbrunnen war versiegt. Temporär nehme ich an aufgrund der kalten Jahreszeit.
Ausreichend Themenstoff gab es also an diesem Tag. Vom leblosen Menschenkörper am Bahngleis, dem durch ein Anfischen erzwungenen Ausweichen auf ein mir unbekanntes Fischereilos – eine landschaftlich und fischereilich herrliche Entdeckung die mir den schönsten Einstand in die Forellensaison seit vielen Jahren bot. Schönheit und Hoffnung lässt sich an den ungelegensten Orten finden, für die man nicht immer weit reisen muss.
Eine Meinung die exakt der Haltung von Charles Rangeley-Wilson entspricht. Was aus meiner Feder stammend aber bloß zu einem passablen Erlebnisbericht reicht, wird bei ihm zu einem literarischen Glanzstück. Marcel Winkens – Redakteur bei Am Haken – hat die 14 Erzählungen seines Erstlingswerks Ferne Welt genauer unter die Lupe genommen.
Eine Einladung zum Tagträumen
Der Engländer Charles Rangeley-Wilson war so ziemlich überall, wo es lohnende Ziele auf dieser Welt zum Fliegenfischen gibt. Und an Orten wo nur verschrobene Optimisten hinkommen, oder Getriebene. Ob im Bhutan, in Südafrika, Alaska, oder aber auch in Schottland und in England, ja sogar mitten in London, überall findet er Flecken auf dieser Erde, die uns dem Alltag etwas entrücken und zum Tagträumen von Angelabenteuern einladen.
Dabei sind es nicht unbedingt die großen Fänge, oder die luxuriösen Angelreisen, die dieses Buch so lesenswert machen. Mit Superlativen und Extravanganzen geht Rangeley-Wilson Gott sei Dank sparsam um. Ferne Welt ist auch sicherlich kein Sachbuch mit detaillierten Beschreibungen einzelner Angeltechniken, sondern eine Sammlung an Kurzgeschichten.
Es sind die kantigen, teilweise schrulligen Charaktere mit denen er unterwegs ist, oder die mehr oder weniger professionellen Angelguides und Helfer mit ihren Eigenarten denen er begegnet, die großes Lesevergnügen bereiten. Mit viel Liebe zum Detail aber in einer schnörkellosen, flüssig zu lesenden Sprache beschreibt er die Menschen auf die er trifft, zeichnet mit wenigen Wörtern Bilder von Typen, von denen der Leser schnell meint, „ja so einen kenne ich auch“. Diese Menschen sind humorvoll, traurig, derb, komisch, tragisch, instinktgeprägt und genau diese Charaktermerkmale läßt Rangeley-Wilson in seinen Beschreibungen den Leser erleben.
Die Erlebnisse mit Fischen und in der Natur bilden immer den Dreh- und Angelpunkt der Geschichten, aber die Einbettung in die Geschichte drum herum ist es, die Rangeley-Wilson beherrscht wie vielleicht nur wenige Angelautoren sonst. In der deutschsprachigen Angelliteratur gibt es bisher eigentlich nichts Vergleichbares. Fast ein wenig an Hemingway erinnert sein Stil.
Ferne Welt ist ein Buch über das Angeln, aber es ist kein Buch nur für Angler. Es ist gute Literatur, plastisch erzählte Kurzgeschichten von entlegenen Orten der Welt, die teilweise das Fernweh schüren. Teilweise aber auch glücklich machen, dass man gerade selbst warm mit einem Glas Wein auf dem Sofa sitzt und nicht am Ende einer erfolglosen Angelwoche in einer kalten muffigen Kaschemme auf einen versoffenen Guide warten muss, der schon Stunden zu spät ist, um Sprüche zu hören wie: „Schade, ihr hättet letzte Woche da sein müssen. Letzte Woche, da haben sie gebissen.“ Ferne Welt kann man auch guten Gewissens mal dem nicht angelnden Partner geben, damit er oder sie besser versteht, was einen selbst ans Wasser treibt.
Auch den Fischen verleiht der Autor ihre jeweiligen Charaktereigenschaften: So beschreibt er den kühlen, abschätzigen Blick einer großen Hechtdame, die ihn mustert, aber es vorzieht, seinen Köder nicht zu nehmen. Oder die ignoranten Großforellen in der kroatischen Gacka die so satt vom reichlich gedeckten Köcherfliegenmahl sind, dass sie sich eigentlich nicht mehr überlisten lassen und ihn und seine Freunde als Angler schier zur Verzweiflung bringen.
Ferne Welt – das sind 14 Episoden die anglerische Emotionen wecken. Sie setzen an der Wurzel der anglerischen Leidenschaft an, lassen uns nachfühlen, was den Autor, seine Figuren, aber auch uns ans Wasser zieht und zeichnen feinsäuberlich Bilder von Angeltypen, die von ihrer Leidenschaft und dem wahren Leben geformt wurden.
Im Bücherregal steht Ferne Welt von Charles Rangeley-Wilson bei mir neben Charles Ritz „Erlebtes Fliegenfischen“ und neben „Der alte Mann und das Meer“ von Ernest Hemingway. Große Angelliteratur.
Titel: Ferne Welt
Autor: Charles Rangeley-Wilson
Verlag: Forelle & Äsche
Shop: www.fundae.de
ISBN: 978-3-9818566-1-3
Gebundene Ausgabe: 246 Seiten
Verkaufspreis: 24,90€
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