Nach Monaten der sträflichen Vernachlässigung von Euch Lesern, möchte ich mich zum Jahresabschluss 2017 doch noch einmal zu Wort melden. Der Begriff ist vorsichtig gewählt, denn von einem Saisonabschluss lässt sich im Jahre 2017 wirklich nicht sprechen. Die Saison existierte praktisch nicht, denke ich mir, als ich die letzten Geschenke vor Weihnachten verpacke. Nicht nur meine, zum Teil auch Eure. Denn die Bestellungen unseres Buches wollten bis heute Mittag nicht abreißen. Ich habe mich schon oft bei allen Lesern für das Vertrauen in unsere Veröffentlichung bedankt, aber komme nicht umhin, es an der Stelle noch einmal zu tun: vielen, vielen Dank! Dieses Jahr wird mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben, nicht zuletzt aufgrund Eurer Unterstützung.
Denkwürdig begann 2017 bereits im Februar mit der Geburt meiner Tochter. Ein Ereignis, das alles auf den Kopf stellte, Prioritäten verschob, Verantwortlichkeiten verinnerlichte. Schlaflose Nächte und Sorge um das Wohlergehen von Frau und Kind ließen Gedanken an Fliegenbinden und Materialpflege vorm Beginn der Forellensaison in ganz weite Ferne rücken. Staatsbürgerschaftsantrag und Reisepassantrag in Berlin und das Vorstellen des neuen Familienmitglieds in England und Österreich hielten mich auf Trab. Doch ein Gefühl des Verlusts von Zeit und Freiheit wollte sich nie einstellen. Warum auch? Hatte ich doch gefühlt den größten Fang des Lebens gemacht.
So ganz konnte ich es aber nicht sein lassen und zumindest den Saisonbeginn verbrachte ich an meinem Vereinsgewässer in der Nähe von Köln. Bei strahlendem Wetter, der perfekten Allegorie meines Glückszustands, traf ich dann auf den Vereinskollegen Peter Stark, der sich mit der Zweihandrute auf seinen bevorstehenden Norwegen Trip an der Gaula vorbereitete. Und irgendwie war es um meine Absicht geschehen, konsequent die Nymphe durch die vielversprechendsten Rinnen treiben zu lassen. Nur durchs Zusehen verfiel ich bereits der Magie des Zweihandrutenwurfs und kam ins Grübeln.
Lag im Spey Cast mit der Einhandrute die Lösung für mein Problem, bei hohen Wasserständen im zeitigen Frühjahr und Hindernissen im Rücken, meine Fliege ans andere Ufer zu befördern? Als wir uns nach seiner zweiten Forelle verabschiedeten, verharrte ich auf der Stelle und verlor mich an der Freude etwas Neues auszuprobieren. Und ohne nennenswerten Fang verbrachte ich die nächsten zwei Tage damit, unbehindert von Bäumen und steilen Ufern, mit einem einzigen Schwung den Streamer über gute Distanz auszuwerfen. Alles andere geriet in Vergessenheit – nicht umsonst heißt unsere Leidenschaft ‘Fischen, nicht fangen’.
Wenn da nicht im Hinterkopf mir eine Stimme zuflüsterte, die Ankündigung einzulösen, bis zum Frühjahr 2017 unser Buch ’Nymphenfischen – Geheimnisse entlarvt’ zu veröffentlichen. Rückblickend waren wir zu diesem Zeitpunkt noch meilenweit davon entfernt. Während also Freunde und Bekannte die Wochenenden an Flüssen und Seen verbrachten, waren meine Wochenende zwischen Koliken besänftigen und Windeln wechseln damit zugebracht, Texte zu redigieren, Fotomaterial zu sichten, aus Druckangeboten auszuwählen, eine Online-Shop einzurichten, usw., um mit einer Punktlandung am 16. Juni unser Buch beim neu eröffneten Kölner Fliegenfischerhändler FFN Pro Shop der Öffentlichkeit vorzustellen. Wen wundert es, dass ich erst Mitte Juli wieder das nächste Mal ans Wasser kam?
In interessanter Konstellation – 3 Fliegenfischer, 2 Grundangler – begaben wir uns zum Barbenfischen an die Sieg um festzustellen, ob die künstliche Nymphe dem lebendigen Tauwurmbündel etwas entgegenzuhalten hätte. Das Ergebnis war nicht wenig verblüffend. Nymphe 4 – Tauwurm 1
Eigentlich dachten wir Fliegenfischer, eindeutig im Nachteil zu sein. Dass es letztlich anders kam als wir erwarteten, mache ich an folgenden Punkten fest.
a. Unsere Nymphen befanden sich mindestens 3x so oft in der ‘heißen Zone’ wo die Fische standen. Während unsere Kollegen mit Pose und Blei ihre Köder relativ weit auswarfen, die dann mehrere Meter über unproduktives Wasser trieben, fischten unsere Nymphen punktgenau dort, wo die Barben sich im tiefen Gumpen tummelten.
b. Die in der zügigen Strömung der Oberfläche befindlichen Posen, schleppten den im tiefenberuhigten Wasser befindlichen Köder unnatürlich schnell hinter sich her, während unsere am kurzen Vorfach gefischten Nymphen der Strömung entsprechend am Grund entlang trudelten. Was ich hier vereinfacht zusammenfasse, wird in unserem Buch zum Thema ‘Vertikaler Drag’ ausführlich behandelt.
Als wir dann gemeinsam auf den Geburtstag des Gestalters unseres Buches Veit Dresmann anstießen und bis spät in die Nacht unter anderem das Tagesergebnis analysierten, konnte ich nicht ahnen dass dieser Angeltag der letzte für weitere zwei Monate sein sollte. Nur wenige Tage danach wurde unsere Wohnung während eines Unwetters biblischen Ausmaßes überschwemmt. Fortan wurde jede freie Minute mit der Suche nach einer adäquaten neuen Wohnung verbracht.
Quasi zeitgleich begann eine langwierige, schon länger geplante Zahnreparatur – schließlich soll meine Tochter mit ihren kleinen Fingern ein lückenlosen Gebiss erforschen dürfen. Und das die Suche nach Kinderbetreuung beinahe einer Vollzeitbeschäftigung gleicht, davon war auch nie die Rede. Und habe ich schon erwähnt, dass ich ein Buch zu vermarkten hatte? Stoisch nahm ich also meine Verantwortung gegenüber Frau und Kind hin und erfüllte im wackligen Spagat zwischen Selbstverwirklichung und elterlicher Pflicht, die mir zugewiesenen neuen Rollen. Fliegenfischen und Fliegenbinden, darüber zu lesen und zu schreiben, blieben dabei leider etwas auf der Strecke.
Beim nächsten Aufatmen färbten sich bereits die Blätter wieder bunt. Ein letztes Mal noch versprach ich mir und lockte Frau und Kind mit Aussicht auf ausgedehnte Spaziergänge während eines glorreichen Altweibersommers für eine Woche in die Eifel. Eine flexible Wochengestaltung garantierte zwei Tage am Wasser. Da meine Frau Amy zwischenzeitlich bereits weiß, dass die Fangchancen an sonnengetränkten Tagen nicht besonders gut stehen, schlug sie mir uneigennützig die zwei laut Wettervorhersage verregnetsten Tage der Woche vor, um fischereilich mein Können mit den schönen Eifelforellen zu messen.
Trotzdem bedurfte es des Ratschlags eines einheimischen Spaziergängers, der meine fragenden Blicke auf einer Brücke stehend erahnte. “Nimm etwas Grünes”, sagte er. “Unterschätze niemals örtliches Wissen”, dachte ich mir als ich mich für den Hinweis bedankte. Keine fünf Würfe später lag ein herrlich gezeichneter Milchner im Kescher.
Fischereilich standen die letzten Wochen des Jahres in Kurzausflügen an den sehr, sehr nahegelegenen Rhein. Und auch wenn man – am Fangerfolg gemessen – das Fliegenfischen am Rhein als knochenharte Arbeit bezeichnen möchte, hatte ich mich wieder in die Fischerei vor der Haustüre verliebt. Verbrachte erfüllte Stunden damit, in Begleitung toller angelnder Kollege mich an Rapfen abzumühen und an den etwas einfacher zu fangenden Barschen zu vergnügen. Ohnehin habe ich das Gefühl, dass in diesem Jahr mein Kreis an Bekannten sich erweiterte, an der einen Stelle eine Freundschaft sich vertiefte, an anderer erste zarte Pflanzen dafür sprießen.
2017 wird mir in vielerlei Hinsicht immer in Erinnerung bleiben – auch wegen der Musik dieses Jahres. Während den ganzen Sommer über aus allen Boxen das ganz nette ‘Despacito’ erklang, boomte aus meinen Speakers seit Mitte des Jahres das Album des Chemnitzer’s Trettmann. Vom Albumtitel ‘DIY’ fühlte ich mich abgeholt. Zwischen den Zeilen von ‘Knöcheltief’ des lebensbejahenden, einfühlsamen Plattenbau Rappers fand ich Analogien zur eigenen Situation.
Und denke ich an Sachsen, fällt mir ebenso der romantische Maler Caspar David Friedrich und sein ‘Wanderer über dem Nebelmeer’ ein. Das Gefühl vermittelnd ein Ziel erreicht zu haben, auf einer Zwischenstations zu stehen, in eine ungewisse Zukunft zu blicken, weitere Höhen und Tiefen vor sich zu sehen. Sehr zufrieden verabschiede ich mich demnächst also von diesem Jahr und heiße 2018 zuversichtlich und mit offenen Armen willkommen.
Das erste Quartal des Jahres ist schon sehr ‘busy’ und es würde mich freuen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, uns an einem der folgenden Termine persönlich kennen zu lernen.
3. März 2018, – OÖ. Fliegenfischer-Tag (Stand, Vortrag) – Linz, Österreich
14./15. April 2018 – EWF (Stand, Vortrag) – Fürstenfeldbruck, Bayern
5./6. Mail 2018 – Freunde der Gmundner Traun (Vortrag), Gmunden, Österreich
Die Monate danach scheinen sich wenig von denen dieses Jahres zu unterscheiden – mit der Ausnahme hoffentlich, öfter als zuletzt ans Wasser zu kommen.
Mich freut es, dass Ihr weiterhin gerne Forelle & Äsche besucht und wünsche mir, Euch im kommenden Jahr öfter wieder zu beglücken. Was ich versprechen kann, sind weitere spannende literarische Veröffentlichungen!
Gesegnete Weihnachten und viel Glück und Erfolg in 2018 wünscht Euch
Tankred Rinder
Forelle & Äsche Verlag
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Dr. Wolfgang Stoltenberg says
Vieles, was ich da lese, erinnert mich an frühere Jahre. Bei mir waren es auch der Erstgeborene, dazu der Schritt in die Selbstständigkeit. Man arbeitet selbst und man arbeitet ständig.
Inzwischen investiere ich ich meine Zeit mit demselben Enthusiamus und derselben Liebe in meinen Enkel, der zweite ist gerade unterwegs.
Allerdings kann ich mir meine Zeit selbst einteilen, soweit das meine Lieblingsfrau zulässt. Darum ist mein Jahzresrückblick, unter Einfügung des Kommentars “Zu wenig geangelt”, ebenfalls positiv. Man wächst mit seinen Aufgaben. Und wofür gibt’s die guten Vorsätze für’s nächtse Jahr?!
Nun, Dein (und die Deiner Kollegen) hat mir die Freude des Buches gebracht, es liegt nach wie vor griffbereit – heisst eigentlich nichts, wenn nicht immer wieder danach gegriffen würde.
In einem Buchkommentar hatte ich behauptet, so ein Standard-Werk verdient es, übersetzt zu werden. Das unkommentierte Foto am Ende des Blogs lässt mich grübeln, ob ein eine späte Karriere als Prophet anstreben sollte.
Viel Erfolg, Spaß und Angeltage im neuen Jahr!
Wolfgang
Tankred Rinder says
Hallo Wolfgang,
es tut mir leid, dass ich mir mit der Antwort auf Deinen Kommentar etwas Zeit ließ. Wie schön, dass wir Dir mit unserem Buch so unheimlich viel Freude bescheren und Dein Interesse fesseln konnten. Wünsche Dir viel Erfolg und Fangglück – an den wenigen Tagen am Wasser – in 2018. Zur Prophezeiung, lass Dich überraschen.
Beste Grüße
Tankred