Schnee bedeckt die Felder als ich mich auf den Weg machte, die diesjährige Forellensaison einzuläuten. Die bitterkalten Tage der letzten Woche, liessen die Aussichten für den heutigen Tag hoffnungslos erscheinen. Doch der zarte Sonnenschein hinter der dünnen Wolkendecke, verlieh berechtigt Hoffnung auf einen erfolgreichen Tag am Wasser.
Traditionell eröffne ich meine Saison an der Ahr. Im Wesentlichen bin ich immer für Experimente zu haben, doch Traditionen ankern die lieb gewonnenen Erinnerungen an besonders nachwirkende Begebungen. Und so schwelge ich in Andenken an die Saisoneröffnung 2011, zu der ich wie heute im Zug saß und taktierend meine Fliegenbox betrachtete. Als ich noch überlegte ob der Hendrick Spider, die Märzbraune oder eine namentlich nicht definierte Goldkopfnymphe an das Vormachende muss, liess der schellende Klingelton einer mitreisenden Passagierin meine Nackenhaare aufstellen.
Doch nicht der penetrante Gesang eines eurotrashigen Z-Stars liess mich zusammenzucken. Nein, synchron zum Ertönen der ersten Noten lief die Reimzeile: ‘In einem Bächlein helle…’, durch meinen Kopf. Ob der geschmacksverwirrten Auswahl an Klingeltönen, deren Belästigung man sich in öffentlichen Räumen ausgesetzt sieht, konnte ich mein Glück nicht glauben. Auf dem Weg zum Jahresauftakt der Fischerei auf Forelle & Äsche, erklingt kein geringerer als Franz Schubert durch das Waggonabteil. Meine Dame, kramen Sie ruhig weiter in Ihrer Tasche nach Ihrem Handy, ich kann mich nicht satt hören.
Doch die euphoriebedingte Endorphinausschüttung währte nicht lange. Das freudige Grinsen wurde von tiefen Furchen der runzelnden Stirn abgelöst. Mein atavistisches ich erfreute sich der Symbolik, während mein aufgeklärtes Selbst, die Gewissheit ob der in Kürze an der Rute zappelnden Forelle als Aberglaube verspottete. Es ist verdammt hart positiv zu denken! Und so quälte mich während der verbleibenden Fahrt, die Möglichkeit eines fanglosen Tages.
Ich stelle fest, dass ich nicht der einzige Fliegenfischer mit gelegentlichem Hang zum Aberglaube bin. Und so ziert es sich, dass der Eine oder Andere an kleinen Ritualen festhält, um die Geister die über Erfolg oder Misserfolg mitbestimmen, gütig zu stimmen. Aus selben Grund übergebe ich zu Saisonbeginn dem Fluss und seinen Bewohnern – materiell als auch immateriell – einen kräftigen Schluck ‘Geist’ in gebrannter Form. Aelion’s mazedonische Fliegenfischer überliessen in guter polytheistischer Manier nichts dem Zufall, um im Wissen über die gelegentliche Fehlbarkeit des eigenen Können, dieses vor einem Totalausfall zu schützen. Da reihe ich mich doch glatt in diese Reihe ein.
Als sich mein Single Malt mit den Fluten der Ahr vermengte, lief der Film mit den vier schönen Auftaktsforellen die ich an jenem warmen Märztag 2011 fangen konnte, erneut vor meinen Augen ab. Jedoch abgesehen von der Zeremonie hatte der heutige Tag, mit jenem vor zwei Jahren wenig gemeinsam. Gestern hatte es um mindestens 8°C weniger als damals. Der angekündigte Südwind vermischte sich mit der kalten Ostluft, blies bitter kalt und so stark, dass die Fliegenschnur regelmäßig davon ergriffen wurde und die natürliche Drift meiner Nymphen stoppte. Erfreulicherweise zeigte sich aber die Ahr in hervorzüglichem Zustand.
Hinterliessen die beiden letzten niederschlagsarmen Jahren bereits zu Saisonbeginn Sorgenfalten, ob der über das Jahr verteilten Wassermenge, so zeigte sich die Ahr gestern in einem gesunden Zustand und die niedrigen Wasserstände der letzten Jahre, sollten sich wahrscheinlich nicht wiederholen. Vielversprechende Tage bei besseren Wetteraussichten, zeichnen sich somit ab. Ausgenommen dieses freudig stimmenden Bildes, hatte der heutige Tag aber wenig erfreuliches zu bescheren. Und als ich um sechzehn Uhr schon an das nach Hause fahren dachte und dabei resignierend meine Nymphen in Richtung des entgegen liegenden Ufer beförderte, signalisierte der Stopp meiner auf mich zutreibenden Schnur letztendlich den erlösenden Biss einer mittelgroßen Äsche.
Rückblickend, hätte ich den ersten Besuch am Wasser auf den heutigen Sonntag, mit deutlich mehr Sonnenschein und bereits steigenden Temperaturen verlegen sollen. Die Suche nach Entschuldigungen, Gründen und Ausreden bezüglich des eigenen Misserfolgs fällt Fischern niemals schwer. Dem möchte ich mich heute aber nicht einreihen. Wrong place – wrong time, fasst das Rätsel ob des ausbleibenden Erfolgs für mich zusammen. Positiv zu denken mag aufgrund des Ausgangs des heutigen Tages schwer erscheinen. Und dennoch erbarmten sich die Flussgötter meiner und bescherten mir letztendlich zur Eröffnung der Saison auf Forelle & Äsche: Eine Kleine – und die ist allemal besser als Keine!
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Walter Reisinger says
Man kann auch bei noch schlechteren Lichtverhältnissen bessere Fotos machen.
W.R.
Tankred Rinder says
Lieber Herr Reisinger,
danke für ihr Feedback dass ich wie immer sehr schätze. Interessant wäre zu wissen welches Foto sie genau meinen.
Alle Aufnahmen sind mit zum Teil extremen Filtern und Effekten versehen, die die düstere Stimmung dieses Tages, aus meiner Sicht unterstreichen – welcome to the Hipstamatic world of things.
Ich weiss, ich weiss – die Wahrheit liegt in den Augen des Betrachters, doch soviel Freiheit nehme ich mir heraus.
Freundliche Grüße, Tankred Rinder
Hans says
… man sollte viel mehr Single Malt kaufen.
Dann klappt es auch mit dem Fischen!
Tankred Rinder says
Hallo Hans,
gestern hätte ich aber eine ganze Flasche in den Fluss kippen müssen. Ich befürchte meine Gabe fiel zu bescheiden aus.
BG Tankred