Fliegenfischen sei die schwierigste und kostspieligste Art keinen Fisch zu fangen, heißt es gelegentlich. Alfred Baudisch entgegnet diesen Spöttern, dass es sich beim Fliegenfischen ums “Fische fangen können, aber nicht des Müssens” dreht. Das sagt sich zwar leicht für einen, der während der letzten vierzig Jahre Unmengen an Fischen mit seinen Fliegen überlisten konnte. Zugleich steht sein Einspruch für eine Philosophie des Maßhaltens. Etwas wofür das Fliegenfischen schon immer eintrat. So lässt sich auch erklären, dass die Imitation aus Fell und Federn zum Fang von Salmoniden bevorzugt benutzt wird, wenn doch Wurm, Made oder Garnelen die Fangchancen zigfach steigern würden.
Das Federspiel – Gelebtes Fliegenfischen
Dass Alfred Baudisch, wie die meisten von uns, ebenfalls mit allen möglichen Ködern seinen Einstieg in die Angelei fand, erfahren wir in seiner 300-Seiten starken, siebenunddreißig Kapitel umfassenden Autobiografie: Das Federspiel – Gelebtes Fliegenfischen. Dass für ihn aber erst die verführerische Eleganz einer im Wasser lebendig wirkenden, um den Haken gebundenen Hechel, echte eindrückliche Erlebnisse schaffte, stellt dieses Buch ebenso klar. Von einem Rückblick auf fünfzig Jahre Angelei, wovon vierzig mit der Fliege gefischt wurden, darf man bei diesem Buch ruhig sprechen. Etwas was man nicht unbedingt erwarten hätte müssen, angesichts seines vor zehn Jahren veröffentlichten und viel beachteten Buches Fliegen, Flossen & Glossen. Dieses war nicht nach jedermanns Geschmack habe ich vernommen.
Trotz ökonomischer Bedenken aus verlegerischer Sicht anhand dieser Einschätzung, packte mich das Manuskript von Das Federspiel – Gelebtes Fliegenfischen vom ersten Moment, als ich vor zwei Sommern Auszüge daraus erhielt. Ein guter Freund und Fliegenfischer, seines Zeichens Cheflektor und ehemaliger Geschäftsführer eines bedeutenden deutschsprachigen Publikumsverlags, gestand mir, dass er anhand seines Eindrucks vom Erstlingswerk gegenüber Das Federspiel Vorbehalte hatte. Jetzt, nachdem ich ihm das fast fertige Buch zusandte und um sein Urteil bat, bricht er in Begeisterungsstürme aus. Das Buch lässt ihn nicht los, erzählt er, sodass er es sogar ausgedruckt und in den Urlaub mitgenommen hat. Er – mit viel fachmännischerem Auge als ich es besitze – erkennt darin einen hohen literarischen Wert, der weit über das Fliegenfischen hinausgeht. Das Rückgrat auf dem jedes einzelne Kapitel dieses Buches aufbaut, ist die Liebe und die Begeisterung für Gewässer, Fische und die Angelei. Dank der autobiografischen Aufarbeitung von achtundsechzig Jahren Lebensgeschichte, wovon fünfzig intensiv am Wasser verbracht wurden, ist Das Federspiel – Gelebtes Fliegenfischen in seinen Augen, zugleich eine Jugend- und Familiengeschichte, ein coming-of-age Drama und nicht zuletzt ein coming-out in etwas fortgeschrittenem Alter eines ernst zu nehmender Schriftstellers.
Als hätte sich Alfred Baudisch gedacht, save the best for last, arbeitete er zehn Jahre an seinem jüngsten Werk. Jahre die er genutzt hat, um enorm an seinem erzählerischen Stil zu arbeiten und seine schriftstellerische Stimme zu finden. Klar formuliert, die Gedanken ineinander greifend und verwoben, nimmt uns der Autor augenzwinkernd, ohne dabei zwanghaft witzig erscheinen zu wollen, mit auf seinen sehr persönlichen vierzig Jahre dauernden Werdegang zum Fliegenfischer, Angelreisenden, Gerätesammler und nicht zuletzt Gewässerwart, der für eine in jeglicher Hinsicht maßvolle Fischerei eintritt. Ein gedanklicher Ansatz der dem seit fast drei Jahrzehnten in dieser Bereich tätigen Baudisch zur Selbstverständlichkeit werden musste. Wir alle werden uns über kurz oder lang intensiver mit dem Schutz der sich verknappenden Ressource Wasser, einer intakten Umwelt, von gesunden Biotopen und letztlich den sich darin befindlichen Fischen beschäftigen müssen. Tun wir das nicht, können wir der heimischen Fischerei, oder zumindest der Ausübung derselben wie wir sie jetzt praktizieren, unter Umständen auf immer Gute Nacht sagen. Dem scharfen Beobachter Alfred Baudisch entging es schon die letzten Jahre nicht, was sich an seinem Hausgewässer, der Fischa-Dagnitz in der Nähe Wiens, anbahnte. In diesem Frühjahr wurden seine Befürchtungen brutal vor Augen geführt, als der weit über Österreichs hinaus für seine Maifliegenfischerei bekannte Fluss, an der Quelle über eine Strecke von einem Kilometer austrocknete. Eigentlich unvorstellbar, wenn man das Foto unten von vor einigen Jahren sieht.
Dennoch ist Das Federspiel – Gelebtes Fliegenfischen ein höchst lebensbejahendes Buch. Und dem pensionierten Mittelschulllehrer Alfred Baudisch gelingt es mühelos, ohne erhobenen Zeigefinger seine Anstöße – eingebettet in humorvollen Erzählungen – vorzubringen. Wer das Fliegenfischen mit einer Intensität betreibt wie er – jahrzehntelange Tätigkeit als Gewässerwart, Pilgerreisen an attraktive, europäische Gewässer mit Freunden oder der Familie im Schlepptau, eine riesige Sammlung an Ruten & Rollen, Bindewerkzeug und -material jeglicher Art, eine immense Bibliothek an Büchern die viele Jahrhunderte zurückreichen – der entwickelt nicht nur eine außergewöhnliche Beziehung zur Angelei, den Fischen, der Natur und der Umwelt. Menschen dieser Prägung sammeln eine enorme Menge an Erlebnissen, die weitererzählt werden müssen. Eine Autobiographie drängte sich förmlich auf.
Ich konnte nach den anfänglichen Kapiteln aus Das Federspiel – Gelebtes Fliegenfischen sofort alle Zweifel über Bord werfen, und musste nicht mit mir hadern, es zu veröffentlichen. Alfred Baudisch wäre nicht der erste Schriftsteller oder Musiker – ein Berufszweig und eine Branche die ich sehr lange intensiv beobachtete – die erst mit der zweiten Veröffentlichung zu den Höhenflügen aufstiegen, die ihren Ruf und Platz in der Geschichte sicherten. John Grisham, Dan Brown, Jack Kerouac, Ernest Hemingway, David Bowie, Genesis, Elton John, Lou Reed, Prince, Sonic Youth – ihnen allen hätte man, gemessen an ihren Erstlingswerken, den weiteren Erfolg nicht zugetraut.
Wie schrieb mir ein bekannter, hoch angesehener Fliegenfischer: “Ich würde es als A Flyangler’s Life aus der Sicht eines Österreichers bezeichnen.”
Alfred Baudisch fischt seit 50 Jahren, vierzig davon mit der Fliegenrute. Seit bald drei Jahrzehnten ist er Gewässerwart an der Fischa-Dagnitz, einem Fluss der Österreichischen Fischereigesellschaft. Zum Schreiben kam er als aktives Mitglied im Autorenrat der Zeitschrift “Der Fliegenfischer”. Er sammelt leidenschaftlich gerne fremdsprachige als auch deutsche Bücher über das Fische fangen, sowie Ausrüstung aller Art zum Fliegenfischen. Vor vielen Jahren schon wurde er zum besorgten Beobachter der bedrohlichen Veränderung an Gewässern durch den Klimawandel.
Wenn ich jetzt dein Interesse geweckt habe, dann nichts wie rüber in den Shop von F&Ä Verlag, deiner Stimme für mutige Veröffentlichungen. Das Buch ist ab 10.7.2023 erhältlich.
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Michael says
… erstklassig geschrieben … tolle Aufmachung und schöne Gestaltung … Danke lieber Freund, Mentor und unerschöpfliche Wissensquelle des Fliegenfischens
Tankred Rinder says
Hallo Michael, nach bestem Wissen hat dich dein Mentor und Wissensquelle schon persönlich kontaktiert und für das Lob bedankt. Als Verantwortlicher für die Umsetzung des Buches, freut es mich sehr zu hören, dass du von der Gestaltung des Buches begeistert bist. Alle Beteiligten haben sich große Mühen gegeben. Schön, dass es honoriert wird. Grüße, Tankred