Waten mach Spass! In den Anfangsjahren meiner Fliegenfischerei, watete ich geradlinige in die Strömung, und vergraulte dabei wahrscheinlich mehr Fische als zu fangen. Ich genoss aber den Druck des Wassers und fühlte mich wohl in diesem Element. Wagemut, Dummheit, Gier – welch Antrieb mich dazu bewegte, mich in eine potentiell lebensgefährliche Situation zu begeben, lässt sich schwer im Nachhinein erfassen. Tatsache bleibt – mehr als einmal, wäre ich beinahe zu traurigen Statistik geworden.
Das Waten in Flüssen gefährlich sein kann, wissen viele Fliegenfischer. Doch wo genau die Gefahren vor und während des ungewollten Bades liegen, ist vielen weniger bekannt. Ist Fischen ein Hochrisikosport wie Rafting, Kayaken oder andere Extremsportarten? Sicherlich nicht aus der Sicht von FischerInnen. Versicherungen schätzen das Risiko von Fischern – im speziellen sich im Fluss bewegenden Fliegenfischern – schon viel höher ein, wie diese Bekanntmachung einer österreichischen Versicherung verkündet.
Denn alljährlich erreichen uns Nachrichten von FischerInnen, die bei der Ausübung ihres Sports ihr Leben lassen. Tiroler in Bachbett ertrunken – und Meldungen ähnlicher Art, werden jährlich veröffentlicht. Ersetzt Tiroler mit Deutscher, Österreicher, Bayer, Sachse, Friese, und lokale Redaktionen bieten einen reichen Fundus an tragischen Nachrichten über das verfrühte Ableben, fliegenfischender KollegInnen. Diese Vorstellung mag bei einer sich im Lebensabend befindlichen Person romantisch erscheinen, verliert aber seinen Reiz wenn Unachtsamkeit und Panik, Menschen mitten aus ihrem Leben reisst, während sie sich in der Blütezeit ihrer Existenz befinden. Englische Statistiken belegen, das mehr Menschen jährlich in Flüssen ertrinken als in Küstengewässern oder Seen.
Wer lange genug fischt, wird früher oder später sich in der ungewollten Situation befinden, zu stolpern, Gleichgewicht zu verlieren oder aus anderen Gründen mit ganzem Körper im Nass zu landen. Selbst knietiefes Wasser kann zum Verhängnis werden, wie ich selbst einmal erleben musste. Der Zug der Strömung selbst in seichtem Wasser überraschte mich nicht wenig, als ich ein Bein zum nächsten Schritt anhob und mein Standbein unter dem Druck des Wassers nachgab. Die Gefahr weggespült zu werden, ist unter solchen Bedingungen natürlich nicht so gross. Der Schock stand dennoch minutenlang in meinen Gliedern, nachdem mein Knie auf einem Stein aufschlug. Worauf sollte man sich also vorbereiten, um das Vollkörperbad zu vermeiden und den Schreck über das Eintauchen in Watbekleidung ins kalte Nass gut hinter sich zu lassen und sicher seinen Weg ans rettende Ufer zu finden?
1. Die Ausstiegsroute planen: Ich habe es mir angewöhnt, beim Einstieg in den Fluss bereits einen Blick auf den Flusslauf stromabwärts zu werfen. Dabei scanne ich das Gelände nach Ausstiegmöglichkeiten, sollte ich vom Wasser erfasst werden. Des weiteren achte ich auf Hindernisse im Wasser wie Gesteinsbrocken an denen ich aufschlagen und mich verletzen könnte, sowie ins Wasser ragende Äste, die trotz ihrer Ankerfunktion auch zu Fallen werden können, wenn man sich darin verfängt. Starke Strömungen die es im Falle des Abtreibens zu vermeiden gibt versuche ich mir ebenso zu merken, wie steile Ufer die den sicheren Ausstieg verhindern.
2. Achtsamkeit während des Fischens: Wer sich auf Werfen und Fischen konzentriert, missachtet schnell Anzeichen die auf Veränderungen im Fluss hinweisen. Der Wasserpegel kann sehr schnell ansteigen und auf ein Unwetter viele Kilometer flussaufwärts hinweisen, auch wenn das örtliche Wetter wenige Indikatoren für eine drastische Wetterveränderung preisgibt. Wird Wasserverfärbung und insbesondere vorbeifliessendes Treibgut wahrgenommen, sollten Alarmglocken angehen. Selbst in wenig reissenden Wasser kann der gemächlich treibende starke Ast/ Baumstumpf beim Aufprall schnell das eigene Gleichgewicht aus der Balance bringen.
3. Verhalten beim ungewollten Vollbad: Die erste instinktive Reaktion wenn mitgerissen, entspricht unserer evolutionären Programmierung. Sich schnellstmöglich in eine aufrechte Position zu begeben, um sich der immanenten Gefahr rasch zu entziehen. Im Wissen das Flüsse tiefere und seichtere Stellen aufweisen, versuchen wir instinktiv vertikal im Wasser zu treiben und früher oder später festen Grund unter den Füßen zu finden. Dieser Fluchtinstinkt bringt im treibenden Wasser aber höchste Gefahr mit sich: Füße können sich an Hindernissen einhaken, oder der Körper kann an Gestein anstossen das gröbere Verletzungen zufügt. Zuletzt erschwert die vertikal Position den Kopf über Wasser zu halten.
4. Defensives Schwimmen: Somit gilt, entgegen seines Instinkts zu handeln und unmittelbar zu versuchen eine defensive Schwimmhaltung einzunehmen. Das heisst also, sich in eine horizontale Position mit den Füssen voraus zu begeben. Diese Position nützt den Auftrieb unseres Körpers und unterstützt unsere Treibfähigkeit. Die hochgelagerten Beine verhindern dabei, an Hindernissen eingeklemmt zu werden. Zudem federt diese Position mögliche Kollisionen ab und hält zu guter Letzt den Kopf über Wasser. Den Blick dadurch nach vorne gerichtet, kann der Flussverlauf und das Ufer beobachtet werden und durch seitliche Verlagerungen des Körpers eine geeignete Ausstiegsstelle angesteuert werden. Die freiliegenden Arme erlauben es Hindernisse abzuwehren und durch den Einsatz von rückwärtsgerichteten Schwimmbewegungen, entschleunigt sich das Abtreiben im Fluss.
5. Rute loslassen: Entgegen der von Brad Pitt dargestellten Entschlossenheit in ‘Aus der Mitte entspringt ein Fluss‘, gilt es als erstes das Lieblingsstück loszulassen. Rettungsversuche gelten in erster Instanz der eigenen Person. Materielle Werte sind ersetzbar!
6. Wathosen: Die Mär von Wathosen die sich mit Wasser füllen und
a. den Fischer durch ihr Gewicht unter Wasser ziehen,
b. durch ihren Auftrieb den Kopf des Fischer unter Wasser drücken,
wird vom großen britischen Meerforellen- und Lachsfischer Hugh Falks in einem Film eindrucksvoll widerlegt. Moderne Wathosen verfügen allesamt über einen Watgürtel der eng angezogen, das übermäßige Eintreten von Wasser beim Sturz ins Wasser verhindert und beim Abstreifen der Beine vor dem Zuziehen, überschüssige Luftrückstände absondert.
7. Watstock: Auf steinigem Flussbett unterstützt ein Watstock unsere Balance und das Vorankommen auf tückischem Terrain. Ausrutscher und Strauchelein werden mit Hilfe eines ‘dritten Beins’ leichter vermieden und der zusätzliche Halt in der Strömung verleiht Sicherheit in reissender Strömung. Zu bevorzugen sind Schulter- zu Armgelenkschlaufen. Auch sollte die Schulterschlaufe locker über einer Schulter, anstatt quer über den Rücken getragen werden. Stöcke können sich zwischen oder an Gesteinsbrocken einfangen und man sollte sich von diesen rasch entledigen können, wenn die Situation es erfordert. Solide Watstöcke sind den praktischen zusammenklappbaren vorzuziehen, da in Letzteren die Verbindungsschnur die häufigste Bruchstelle darstellt und somit einen Sturz ins Wasser fördert statt diesen abzuwenden.
8. Schwimmweste: Immer öfter kommen speziell in großen Flüssen und bei organisierten Ausflügen ans Wasser, Schwimmwesten zum Einsatz. Diese stellen beim Tragen keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit dar. Leider ergeben sich leicht Funktionsausfälle durch von Haken verursachten Durchstichen, Zigarettenaschekontakt oder Abnutzung durch Salzwasser. Zumindest alle zwei Jahre sollte eine Schwimmweste auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden. Tackleshops bieten häufig keine zertifizierten Warentests nach Gebrauch und Schwimmwesten müssen wohl oder übel zur Überprüfung an den Hersteller geschickt werden.
Waten ist ein wundervoller ästhetischer Teilaspekt des Fliegenfischens, welcher Verständnis für die Kraft des Wassers schafft. Es erzeugt Freude, den Zug des Wassers an den Beinen zu verspüren, sich in aussichtsreiche Wurfposition zu begeben oder Gewässer zu durchqueren. Mit nötigem Respekt vor diesem Element und überlegter Haltung zu den möglichen Gefahren des Watens, lässt sich ein ungewollter Sturz ins kalte Nass ohne Weiteres unversehrt überstehen. Wade on!
Wie man sich Fischen watend unauffällig nähert erfährt man in unserem Buch – ‚Nymphenfischen: Geheimnisse entlarvt‘
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