Oliver ‘Ollie’ Kite (1920 – 1968), war einer der begabtesten und angesehensten Fliegenfischer, Ornithologen und Naturforscher Englands des 20. Jahrhundert. Vielseitig begabt und fließend in mehreren Sprachen; Naturexperte mit enzyklopädischem Wissen; Soldat in Indien, Burma und Australien – wo sich jene Herzerkrankung zum ersten Mal einfand, die ihn später viel zu frühzeitig aus dem Leben reissen wird -, Entomologe, der Eintagsfliegennymphen in ihre defensiven Rückzugseigenschaften unterteilte: Grundgräber – Schlammkriecher – Mooskletterer – Steinklammerer – Schlängler – Schnellschwimmer; TV Moderator und frühes Beispiel von Programmpersönlichkeit die nachfolgenden Stars wie David Attenborough den Weg ebneten; zu guter Letzt verbreitete Oliver Kite als Schüler Frank Sawyers dessen Netheravon – Style des flußaufwärts Nymphenfischen und propagiert die Methode des ‘Induced Take’.
Es ist auffallend, dass Fliegenfischer ihr Interesse am Fang von Forelle & Äsche, auf verwandte Themen ausweiten, um ganzheitlich mit noch mehr Effizienz eine große Anzahl von Fischen zu erbeuteten. Fliegenbinden, Entomologie, Ruten – und Rollenbau bis hin zur Hühnerzucht.
Oliver Kite muss sicherlich auch zu diesen Spezialisten gezählt werden. Seine Liebe für Ornithologie und Botanik ist beeindruckend kommentiert. Hinzukommt, dass Ollie – wie er liebevoll von Kollegen und Bewunderern genannt wurde – sich nicht nur für Natur und seine Bewohner interessierte. Auch Tiere besaßen die Gabe, sich dort einzufinden wo Kite sich befand. Von der Eule die sich am Geburtsbett einfand, bis hin zum Eisvogel der sich auf der Rutenspitze niederlässt.
Kite, der die Jahre des 2. Weltkriegs in Asien verbrachte, kehrte in den späten 1940 Jahren nach England zurück und wurde dem School of Infantry H.Q. in Bulford zugeordnet. In den Salisbury Plains in Wiltshire stationiert, genoss die Army Privatbesitzrecht an 16 Meilen des südenglischen Kreideflusses Avon. Als Offizier, war es einfach dem Officers Fishing Club (OFC) beizutreten, und an jenem Streckenabschnitt zu fischen, den Frank Sawyer so erfolgreich hegte. In Bulford wohnhaft, machte Kite natürlich mit diesem Bekanntschaft und die beiden verband eine langwährende gute Freundschaft, die erst vermeintlich in den letzten Lebensjahren Kites, etwas abkühlte.
Aus bescheidenen Verhältnissen stammend, brachte sich Kite früh und im Alleingang mehrere Sprachen bei – Walisisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Deutsch, Schwedisch, Norwegisch, Flämisch, Urdu und Hindustani. Diese allesamt fließend zu sprechen unterstützte ihn nicht nur im beruflichen Werdegang, sondern war auch von immenser Bedeutung zum Aufbau eines weiten Netzwerks gleichgesinnter Fliegenfischer weltweit.
Nebst der Ausübung seines Hobbies, engagierte sich Oliver Kite in der Flusspflege und wurde zum Flusswart an einem 17 Meilen langen Abschnitte am River Wylye. Somit hatten Kite und Sawyer eine weitere Verbindung um sich zum Thema Fliegenfischen, Fliegenbinden, Entomologie und Flusspflege, gründlichst auszutauschen.
Noch zur Zeit seines Militärdiensts, während eines Einsatzes in Australien, erlitt Kite seinen ersten Herzinfarkt. Dieser Umstand ließ ihn mit noch mehr Zuwendung, jeden Tag aufs vollste auskosten und sich seinen Interessen mit äußerster Hingabe zu widmen. Gesundheitsbedingt wurde Kite 1965 aus dem Offiziersdienst entlassen. Glücklicherweise konnte er sich bis dorthin bereits einen Namen als Naturkenner und -liebhaber machen und einen Tag vor seiner ehrenvollen Entlassung, bekam Oliver Kite das Angebot zur Gestaltung des Naturprogramms ‘In Kites Country’ für Southern Independent Television. Botanik und Fliegenfischen wurden in diesem Programm zusammengeführt und mittels Kites Fähigkeit, unterschiedlichste Gruppen erfolgreich anzusprechen, wurde ‘In Kites Country’ ein umwerfender Erfolg. Kite’s sympathisches Auftreten, seine Leidenschaft – für alles schwimmende, kriechende, wachsende – sowie sein humorvoller Vortrag, trugen maßgeblich dazu bei, seine Fangemeinde weit über die Fliegenfischergemeinde hinaus wachsen zu lassen.
Kites Eigenschaft, über ausgeprägte Sehschärfe zu verfügen, setzte ihn von anderen Fliegenfischern ab. Zu dieser unabdingbaren Fähigkeit – speziell für das auf Sicht fischen von Forellen in glasklaren Kreideflüssen – gesellte sich ein unvergleichliches Verständnis für Standplätze von Fischen und außergewöhnliche Wahrnehmungsfähigkeiten. Unzählige Kollegenberichte von John Goddard bis zu Preben Torp Jacobsen, bezeugen Kites unheimlich anmutendes Geschick Bisse zu erkennen. Durchaus erfahrene Fliegenfischer wie die oben genannten, konnten selbst als Beobachter vom Ufer, weder ein sichtbares Aufblitzen von Mäulern oder Forellenflanken, noch das plötzliche Stoppen des Vorfachs wahrnehmen, wenn Ollie die Rute zum Anschlag hob. Besonders legendär ist das Ereignis, an dem Kite als Demonstration, sechzehn Äschen mit genauso vielen Würfen fing.
Als Autor für Trout & Salmon, The Fishing Gazette und The Field, wurde Oliver Kite zum Sprachrohr für den von Frank Sawyer ins Leben gerufenen Netheravon Stil – flussaufwärts präsentierte, beschwerte Nymphe auf gesichtete Forellen – und trug maßgeblich zu dessen Verbreitung bei. Durch seine Freundschaft mit Sawyer, konnte er dessen Technik des ‚provozierten Biss‘ aus erster Hand kennen lernen und benannte diese Technik – Nymphen durch das Heben der Rutenspitze Leben einzuhauchen – den ‚Induced Take‘. Trotz Differenzen in späteren Jahren, profitierte Sawyer und dessen Kreationen der PTN (Pheasant Tail Nymph) und der ‚Induced Take‘ Technik, durch sich rasant verbreitende Zirkulation aufgrund Kites Profil und seiner Medienarbeit.
Den minimalistischen Ansatz der in Kites ‘Bare Hook Nymphe’ zum Ausdruck gebracht wird, zog Kite in seiner Ausstattung durch. Bestückt mit einer Tabakdose mit einer Hand voll darin befindlichen Fliegenmustern, ohne Weste und anderen Utensilien, deren Gewicht beim Fischfang hinderlich erschienen, erschien Kite einzig mit Rute, Rolle und Fischkorb zur Aufbewahrung seiner Beute am Wasser.
Versiert in der Kunst der tiefgeführten Nymphenfischerei, finden sich in Kites fischereilicher Hinterlassenschaft dennoch mehr Trockenfliegenmuster (z.B. Kite’s Imperial) als Nymphen. Auf eine Ergänzung zu dem auch auf deutsch veröffentlichten Buch ‘Nymphe Fishing in Practice’, musste die Fliegenfischergemeinde dennoch vergeblich warten. Erst 47-jährig, erlag Oliver Kite im Jahre 1968 einem Herzleiden, während er am River Test fischte.
In Erinnerung blieb Oliver Kites enthusiastische und lebensfreudige Art, sein Vermögen respektvoll und einfühlsam anderen Menschen zu begegnen, sowie seine Hingabe zur Erfüllung der persönlichen Ziele.
Verfolgt hier verschollen geglaubtes Filmmaterial aus Oliver Kites TV Serie der 60’er Jahre ‘Kite’s Country’ auf Southern Television.
Mehr zum Netheravon Stil des Nymphenfischens erfahren? Die ganze Entwicklung dazu gibt es in unserem Buch – ‚Nymphenfischen: Geheimnisse entlarvt‘
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Uwe Heyk says
Moin Tankred.
Tolle Info’s und erfrischende Filmchen der alten Meister, so wie man sie noch nicht gesehen hat.
Als Oliver die Rute für immer hinlegte, hatte ich bereits nach Anleitung seines Buches “Nymphenfischen in der Praxis” meine ersten Erfahrungen gemacht. Das Buch ist ein absoluter Klassiker und sollte in keiner Büchersammlung fehlen. Ich liebe es, auf den Spuren der alten Persönlichkeiten zu wandern und auch deren Rat anzunehmen.
Danke für die vielen Zusatzinformationen und das feine Filmmaterial. Ich wünsche mir mehr davon.
Uwe Heyk
Tankred Rinder says
Hallo Uwe,
ich bin auch schwer begeistert von diesen Filmen. Ich habe noch einige auf Vorrat, die ich nach und nach kontextabhängig in diesen Blog einbauen und vorstellen möchte. Kite’s “Nymphenfischen in der Praxis” finde ich auch sehr gut. Ich nehme an du besitzt eine dieser recht raren deutschen Erstveröffentlichung.
Du hattest ja in einer deiner Mails eine gewisse Affinität, für die englischen Kreideflüsse ausgedrückt. Solltest es vielleicht noch nicht zu deiner wirklich ansehnlichen Bibliothek gehören, lege ich dir Frank Sawyer’s ‘Keeper of the stream’ wärmstens ans Herz. Unglaublich wieviel Poesie in diesem Mann steckte!
Freundliche Grüße nach Kiel
Tankred