Das unbeständige Wetter der letzten beiden Wochen, ließ die Forellensaison 2012 eher zu Ende kommen, als ich es mir erhoffte. Leichtes Hochwasser, verfärbte die Gewässer in NRW hin zur Unbefischbarkeit am ersten Oktober Wochenende. Und am letzten Wochenende der Forellensaison 2012, war ich zu einer Geburtstagsfeier in Wien eingeladen. Kurz haderte ich mit der Überlegung die Feierlichkeiten sein zu lassen, ehe ich zu der Überzeugung kam, mein Privatleben ausserhalb des Fliegenfischen ist abwechslungsreich und sehr wertvoll. Der Weg zum Troutbum – keine Familie und kein Freundeskreis ausserhalb der Fliegenfischergemeinde – ist ein langer und offensichtlich befinde ich mich erst am relativen Anfang der langen Reise zum Eremit. Gut so!
Während ich also vergangenes Wochenende im Flugzeug nach Wien saß, um der Geburtstagsfeier eines Freundes ein Stelldichein zu geben, liefen vor meinem inneren Auge die Erinnerungen an meinen letzten Bachforellentag dieses Jahres ab. Es war der 29. September und ich sollte mich zwischen zwei Einladungen für einen gemeinsamen Ausflug ans Wasser entscheiden. Beide reizvollen Optionen auf die Waagschale gelegt, veranlasste mich ein Blick auf die vierzehntägige Wettervorhersage, beide Vorschläge zu verwerfen.
Der Mensch hängt an Ritualen und traditionell eröffne ich die Saison auf Forelle & Äsche im Ahrtal und beende dieselbe in der Vulkaneifel. Also zog es mich ohne Begleitung nach Gerolstein um in Lissingen ein letztes Mal in diesem Jahr, der Kyll einen Besuch zu erstatten. Welch weise Entscheidung ich traf, sollte sich erst auf dem Weg nach Hause zeigen. Doch eins nach dem anderen.
Die Gewohnheit des Sommers noch nicht abgelegt, läutete mich der Wecker bereits aus dem Bett, als noch schwere Dunkelheit über der Kölner Stadt lag. Und nachdem ich vor die Haustür trat, haderte ich mit dem Entschluss ob des im Schrank gelassenen Schals. Zunächst liess sich der Herbst Zeit sich von seiner schönsten Seite zu zeigen. Zwar lichtete sich der dichte Bodennebel stetig, doch der üppige Blätterwald erstrahlte noch nicht in der niedrigen Herbstsonne.
Eine undurchlässige Wolkendecke hing tief über der Eifel und der angekündigte goldene Herbst schien heute damit zu zögern einen Besuch einstellen zu wollen. Ein kühler Nord-Ost Wind, liess mich zaudernd an die morgendliche Entscheidung denken, den Schal im Schrank zurück zu lassen. Nichts vergällt den Tag am Wasser mehr als die Vorstellung, selbst aktivstes Waten und Werfen reichen nicht aus, ein leichtes Frösteln vom Leib zu halten. Ihr wisst schon: diese unterschwellige Kälte, die es kaum erlaubt sich auf die Drift der Nymphe zu konzentrieren, da ein kühler Luftzug seinen Weg durch den leicht geöffneten Kragen der atmungsaktiven Watjacke findet.
Freudlos und unkonzentriert fischte ich also von 9:30 – 11:30 ohne nennenswerten Erfolg. Die eine oder andere beinahe maßige Forelle interessierte sich für meine Nymphe, doch die erhoffte Bissfreudigkeit blieb aus. Einhalt gebieten – nachdenken – Orts- und Taktikwechsel -, dieser Entschluss drängte sich auf. Und während ich mein Schinkensandwich aß und den Schokoriegel mit einer heißen Tasse Kaffee runterspülte, schickte sich die Sonne an, gemächlich das graue Wolkenbett aufzubrechen. Erst zögerlich, dann immer stärker, heizten die milden Sonnenstrahlen mein Gesicht. Und die üble Laune von zuvor wich nach und nach dem erwachenden Optimismus, das dieser Tag noch die eine oder andere Überraschung hervor zaubern könnte.
Die innere als auch äussere Erwärmung meines Körpers auskostend, liess ich meinen Blick über das vorbeiziehende Wasser schweifen, in der Hoffnung das Aufblitzen einer buttergelben Flanke hier, oder das sanfte Gleiten eines dunklen Schatten dort auszumachen. Und als meine Augen so das Wasser scannten, schoben sich erst eine dann zwei und schliesslich immer mehr Eintagsfliegen in mein Sichtfenster. Und damit noch nicht genug, schlitterten plötzlich kleine Köcherfliegen über die Wasseroberfläche auf dem Weg zum sicheren Ufer, um sich dort auf die Suche nach einem Fortpflanzungspartner zu machen.
Noch konnten sich aber alle schlüpfenden Insekten aus ihren Puppenhüllen befreien, ohne von Forelle & Äsche an diesem Vorgang gehindert zu werden. Frischen Muts ob dieser Beobachtung, ersetzte ich die beschwerte Nymphe mit einem Aufsteigermuster, welches sicherlich früher oder später einem hungrigen Fisch auffallen müsste. In mich selbst und Gedanken zur geeignetsten Imitation, des von mir beobachteten Vorgangs versunken, machte ich mich hoffnungsvoll auf an die nächste von mir favorisierte Stelle. Aber genau dort, konnte ich schon von weitem drei in Unterhaltung verstrickte FliegenfischerInnen am Ufer erkennen. Somit gezwungen, nicht die Uferseite an angepeilter Stelle zu wechseln, passierte ich mit freundlichem Gruss die sich anregend austauschenden KollegInnen.
Es ist bemerkenswert welche Glücksfälle das Schicksal manchmal zuspielt. An der Flussüberquerung gehindert ging ich also die Uferseite entlang, die ich bisher aufgrund des dichten Bewuchs für undurchdringlich hielt. Von dieser Annahme nicht zu stoppen, schweifte mein Blick an jeder kleinsten Lücke im Gebüsch über das Wasser. Dabei offenbarte sich die Kyll mit all ihren Reizen. In meiner Fantasie erforschte ich bereits diese Rinnen und Pools, während ich weiter flussabwärts wanderte, nichtsahnend dass ich heute nicht mehr so weit flussaufwärts kommen würde.
Letztlich gelangte ich an eine Stelle die ich von vorhergegangenen Ausflügen kannte und die ich in der Vergangenheit bereits zu Überquerungen nutzte. Den steilen Hang vorsichtig hinab, setzte ich vorsichtig erst ein, dann das andere Bein in die Rinne des Prallufers um endlich wieder die Kühle der Kyll durch meine Wathose zu spüren. Und keine Sekunde zu früh wie ich feststellte. Denn während ich meine ganze Konzentration auf die Fluss- und Einstiegsbesichtigung richtete, konnte sich die Sonne gegen die schwer hängende Wolkendecke behaupten und das Grau des Tages von zuvor verwandelte sich innerhalb einer Stunde, in einen herrlich warmen und in all seiner Farbenpracht hell erleuchtenden Herbsttag.
Der deutlich spürbare Temperaturanstieg, zeigte auch positive Auswirkung auf das Fressverhalten von Forelle & Äsche. Denn in etwa zehn bis fünfzehn Metern vor mir konnte ich nun eine schöne Forelle beobachten, die ihren gesicherten Unterschlupf des überhängenden Busches verlassen hatte und neben der Strömungslinie stand. Gemächlich stiess diese immer wieder einmal nach links, dann nach rechts in die Hauptströmung vor um eine aufsteigende Nymphe vor dem Schlupf abzufangen.
Dem von mir im Oberflächenfilm präsentierten Emerger wurde noch eine Abfuhr erteilt, doch der leicht gesunkenen Sedge-Puppe konnte die herrliche Forelle nicht widerstehen. Ich konnte die Forelle dabei beobachten, als diese meine knapp unter der Oberfläche treibende Nymphe ansteuerte, und nach einem kräftigen Schwall beim Drehen meine Schnur straffte. Noch kämpfte die Forelle am Ende der Schnur als sich bereits das nächste Ziel wenige Meter weiter flussaufwärts ausmachen liess. Und von genau dieser Seite sollten sich die nächsten zweihundertfünfzig Flussmeter zeigen. Der Fresslaune von Forelle & Äsche war in den nächsten drei Stunden kein Einhalt zu gebieten.
Dennoch stellte sich bereits beim Anwerfen der nächsten Forelle heraus, das in der nächsten Stunde meine Geduld, Beharrlichkeit und Experimentier-freudigkeit gehörig auf die Probe gestellt werden würde. In regelmäßigen Abständen von ein bis drei Minuten sog diese Forelle Nymphen ein, kurz bevor sich diese zum geschlechtsreifen Insekt verwandeln konnten. Interessant, das entgegen der Beobachtung von einer Stunde zuvor kaum geschlüpfte Eintags- oder Köcherfliegen zu sehen waren. Die wenigen auf der Wasseroberfläche segelnden Fliegen wurden auch förmlich ignoriert und somit ihrem Fortpflanzungsgeschäft überlassen. Doch rund um mich, meinte ich einer hemmungslosen, ekstatischen Völlerei beizuwohnen!
So sehr ich auch versuchte diesen einen Fisch vor mir mit unterschiedlichsten Mustern zum Biss zu verleiten, meine Anwesenheit schien wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Selbstredend, dass alle meine sorgfältigen Muster ignoriert wurden. Zumindest zwei mal gelang es mir dennoch, diese Forelle direkt unter meine Fliege zu locken. Kurze oder längere sorgfältige Betrachtung, bevor sie sich mit Eleganz abdrehte. Somit blieb das weit geöffnete Maul vor MEINER Fliege blieb aus. Suchte ich anfangs noch das Glück in übergroßen Mustern – Stimulator, Humpy, Royal Coachman – um das Aggressionsverhalten der Forelle anzusprechen, sah ich mich bereits geschlagen bevor ich tief in meiner Dose nach einem noch nie zuvor benutzten Fasanenhahnmuster mit winzigem Fallschirm in der Größe 22 griff. Fliegenfischer neigen zu Anthropomorphismus, doch noch jetzt vermeine ich die Überraschung in den Augen dieser Forelle sehen zu können, als sie sich letztendlich die Täuschung ihres Instinkts eingestehen musste. Die anfängliche Starre ob des fatalen Irrtums, ging über in kräftige Fluchten. Wild peitschte die große Schwanzflosse das Wasser bevor sich die schlaue, letztendlich aber nicht über alles erhabene Forelle, über den bereits im Wasser wartenden Kescher führen liess.
Auch wenn diese Forelle mit ihren 38cm weit von einer Trophäe entfernt war, wusste ich, dass die Intensität beim Fang dieses speziellen Exemplars sich an diesem Tag nicht wiederholen liesse. Zu leicht gingen einige weitere Forellen und eine schöne Äsche in Folge an die Leine um noch länger das Bedürfnis zu verspüren, jeden weiteren Ring an der Oberfläche vor mir anwerfen zu müssen. Zufrieden und überglücklich lehnte ich Rute und Rolle ins Gebüsch um den Fluss der Zeit an mir vorbei rauschen zu lassen.
Auf Wiedersehen Kyll – du hast mir 2012 schöne Stunden beschert.
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Rolf Renell says
Hi Tankred ,
mal wieder ins Schwarze getroffen , schöne Zeilen welche die wahre Atmosphäre wiederspiegeln – und eine 38er Kyllforelle ist schon ein tolles Exemplar!
Glückwunsch!
Rolf
Tankred Rinder says
Hi Rolf,
danke für das Lob – sowohl für den Text als auch die Forelle – so manchmal kommt einfach alles auf den Punkt. Auf der Seitenleiste des Blogs habe ich nun eine ‘Ausgewählte Artikel’ Kategorie eingerichtet um diese gelegentlichen Momente erhobener Inspiration einzufangen.
Danke, dass du mir in Erinnerung rufst – jede Forelle & Äsche ist beachtenswert. Eigentlich Ausdruck einer absurden Zeit – länger, schwerer, weiter -, vielleicht auch nur der eigenen Haltung, dass man bei der Freude über eine 38-er Forelle beinahe in Verlegenheit gerät.
Im November sollten wir uns mal treffen, fände ich gut!
Beste Grüße Tankred