High Sticking © flickr: Greg J Miller
Mitunter erhitzen auch in der Gegenwart kontroverse Themen die Fliegenfischerwelt so stark, man möchte meinen an den Anfang des 20. Jahrhunderts zurückversetzt zu sein. In eine Zeit als die selbst noch relativ junge bereits aber fest verankerte Meinung, Forelle & Äsche ernähren sich einzig von geschlüpften Insekten, sich bedroht sah von einer Philosophie des Fliegenfischens, die diesen Irrglauben ad absurdum zu führen gedachte. Vertreter der Ansicht, ein Großteil der Salmonidennahrung würde unter Wasser aufgenommen werden, wurden anfangs verhöhnt. Später, als sich der Erfolg beim Fang mit Nymphenimitation sichtbar einstellte, offen angefeindet. Die aus der Sicht vieler, unästhetische und unsportliche Taktik zum Fang von Edelfischen bewährte sich in zahlreichen Situationen. Insbesondere wenn Fische Flugnahrung verschmähten. Dieser Aspekt war besonders schwer einzugestehen.
Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, machte in Fliegenfisch-Wettbewerben eine Taktik auf sich aufmerksam, die nicht aus den bislang tradtionsreichen Siegerländern dieser sicherlich umstrittenen Meisterschaften stammten. Nicht aus England, Frankreich oder Italien kam diese neue Methode des Nymphenfischens, sondern aus der damals noch hinter dem Eisernen Vorhang befindlichen Tschechoslowakei. Die Taktik war eine von tschechischen Fliegenfischern optimierte Fangweise, wie sie im damals ebenfalls politisch bedingten, produkt- und konsumarmen Polen entwickelt wurde. Aus Mangel an Fliegenschnüren wurde ein kurzes Stück Nylon (max. 5m) an die Spitze der Rute gebunden und fischverdächtige Stellen auf Nähe abgefischt. Zielfische waren Äschen, Barben und andere Schwarmfische, denen man sich bei vorsichtigem Waten stark annähern kann. Die kurze Leine, an der sich trotz der Bleibeschwerung am Haken zwei bis drei relative grazile Imitationen von Köcherfliegenlarven (Rhyacophila, Hydropsyche) befanden, wurde dabei mit einem Schlenzer aus dem Handgelenk flussauf geschwungen.
Sowohl Montage als auch Art der Präsentation beim Czech Nymphing befinden sich im Kreuzfeuer der Kritik aus einigen Ecken. Zu Unrecht wie ich empfinde.
Viele Fliegenfischer stossen sich an der multiplen Anbissstelle des Czech Nymphings. Dabei wird aber gerne vergessen, dass ein Vorfach bestehend aus zwei oder drei Fliegen in vielen Ländern absolut der Norm entspricht und das englische North Country fischen ohne ein Trio an Spiders undenkbar wäre. Selbst beschwerte Spiders sind bewährte Muster um die restlichen leichten, kleinen Fliegen so rasch als möglich auf Tiefgang zu bringen. Zuguter letzt wird auch beim North Country Fishing, das Set an Fliegen an kurzer Leine (eineinhalb Rutenlängen max.) flussauf geschwungen. Nach zwei Drifts setzt man einen Schritt nach vor um den Prozess zu wiederholen.
Diese taktische Entscheidung betrachten nicht wenige Fliegenfischer im deutschsprachigem Raum mit zugekniffenen Augen. Vergleiche mit dem Tiroler Hölzl werden dabei aus dem Schrank geholt. Zu gern wird dabei aber mißachtet, das in einem Duo/Trio an Fliegen letztendlich alle Fliegen fischen, auch wenn die beschwerte Nymphe ihre Hauptfunktion darin erfüllt, die verbleibenden Muster in Grundnähe zu positionieren. Die gern über den Grund rollende Nymphe – eine in Polen entwickelte Taktik – versetzt dabei den Springer in Bewegung und reizt Äschen damit zum Anbiss. Ander Länder, andere Sitten.
Das Springermontagen in vielen Gewässern in D/A/CH untersagt sind, trägt sicherlich mit dazu bei, hierzulande wenig Akzeptanz für diese sehr durchdachte und erfolgreich Methode der Präsentation zu finden.
Mit Zweifel beäugt wird auch gerne die fehlende Wurftechnik beim Czech Nymphing. Doch dabei wird gerne vergessen, das erst die Präsentation an kurzer Leine eine optimale Köderführung ermöglicht. Die Strömung am Gewässergrund ist wesentlich geringer als an der Oberfläche. Eine an der Wasseroberfläche treibende Fliegenschnur beschleunigt somit die am Vorfach befestigte Nymphe und verleiht dieser damit ein unnatürliches Verhalten – Stichwort Drag – welches von zurückhaltenden Fischen mit Skepsis wahrgenommen wird.
Für viele Fliegenfischer ist der Wurf sicherlich ein elementarer Bestandteil des Vergnügens. Per se ist der Wurf aber ein Mittel zum Zweck und aus meiner Sicht niemals einziger Zweck des Fliegenfischen. Das fürs pocket waters entwickelte High Sticking verzichtet ebenfalls aus Präsentationsgründen auf das Werfen der Fliegenschnur. Besonders schwere Nymphen werden flussauf geschwungen um nach dem Eintauchen ins reissende Wasser, so schnell wie möglich auf Tiefe der Strömungstaschen zu gelangen, wo sich Forelle & Äsche unter solchen Bedingungen aufhalten. Ähnlich harsche Kritik des High Stickings, wie es das Czech Nymphing erfährt, konnte ich bislang noch nicht begegnen.
Das Bewegen der Fliegenschnur mit Leerwürfen ist eine relative junge Bereicherung im Repertoire des Fliegenfischers, welche gegen 1850 erstmals schriftlich erwähnt wurde. Zum Trocknen der damals erst kürzlich eingeführten wasserabsorbierenden Seidenschnüre, griff man auf den Leerwurf zurück. Als willkommener Nebeneffekt dieses Vorgangs wurden wassergetränkte Fliegen ebenfalls von der aufgesogenen Flüssigkeit befreit um beim nachfolgenden Aufsetzen auf das Wasser aufgerichtet wie ein Weinkorken an der Wasseroberfläche zu treiben. Somit schreiben Seidenschnüre, Leerwürfe und Trockenfliegen eine parallele Entwicklungsgeschichte.
Dieser Material – und Technikfortschritt erwies sich damals als so erfolgreich, das dem englischen Tackle Händler James Ogden, das Fischen mit Leerwürfen und Trockenfliegen am Derbyshire Wey 1865 verboten wurde. Diese Episode verdeutlicht, die Idiotie der manchmal zu vernehmenden, lautstarken Rufe nach einem Verbot des Czech Nymphings. Oder wie der verstorbene österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky sagen würde: ‘Lernens amal Geschichte’.
Eine Prise Missgunst ob des Erfolgs des Czech Nymphing, gepaart mit der oftmals kolportierten Schlachtfreude unserer östlichen Nachbarn, schwingt mit in den Aufrufen nach dem Verbot einer äußerst schlanken, effizienten und durchaus spannenden Variante des Fliegenfischens. Zweifelsohne sollte Czech Nymphing in Revieren ausgeübt werden, dessen Struktur – gross, breit, tief – den Gewässern ähnelt, die diese Entwicklung zum erfolgreichen Fischfang unter ganz besonderen Vorraussetzungen z.B. Materialmangel bedingten. Auch ich zeige weniger Begeisterung für bestimmte Formen des Fliegenfischens – Trockenfliege als auch tiefes Nymphenfischen mit mehreren Anbissstellen zählen nicht dazu – würde aber niemals einem verantwortungsvollen, unter Einhaltung gesetzlicher oder gesellschaftlicher Richtlinien handelnden Menschen mit dem Aufruf nach Verboten, ums Recht zur variantenreichen Ausübung des Hobbies bringen wollen. Wo erlaubt und zielführend, kommt der Springer bei mir ans Vorfach.
Jeck, lohß Jegge lahns!
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Alex says
Hallo Tankred,
vielen Dank für diesen lesenswerten Artikel über eine von vielen interessanten Nymphentechniken. Ich habe erst neulich noch in einem interessanten Buch über diese Form der Fischerei gelesen, insbesondere der ganz unterschiedliche Aufbau von Vorfächern ist faszinierend. Auch wenn ich mit den in diesem Zusammenhang entwickelten Nymphenmustern keine besonders guten Erfahrungen gemacht habe, hat mir das Fischen an der kurzen Leine schon so manche schöne Stunde am Wasser gebracht.
Das von Dir erwähnte High-Sticking ist – wie Du weisst – ohnehin eine meiner liebsten Techniken.
Viele Grüsse
Alex
Tankred Rinder says
Hi Alex,
schön von dir zu hören und vielen Dank für deinen Kommentar. Die Montagen sind äußerst interessant, klug und taktisch durchdacht. Zu den Nymphenmustern kann ich nur sagen, dass ich der Meinung bin, käufliche Czech Nymphen sind gelegentlich bauschiger gebunden als eigentlich gedacht. Wie du gelungen vorexerzierst, ist der ständige Kontakt mit der Fliege eines der wichtigsten Kriterien beim Fliegenfischen, deshalb bieten sich Nymphen an kurzer Leine oft als einzig adäquate Taktik.
Lass mir doch bitte den Titel des Buchs zukommen, dass du gelesen hast. Würde mich interessieren.
Viel Spass kommendes Wochenende!
Beste Grüße, Tankred