Allgemeines:
Die größte Aufmerksamkeit aller Insektengruppen wird von Fliegenfischern den Eintagsfliegen (Maifliegen) geschenkt. Seit einigen hundert Millionen Jahren bevölkern diese bereits die Erde und teilten sich ehemals noch den Lebensraum mit Dinosauriern. In Europa finden sich etwa 350 Arten, wobei ungefähr 140 davon in Mitteleuropa vorkommen. In Deutschland werden etwa 110 Arten vorgefunden und auf den Britischen Inseln, deren Sprachraum Flugangler populäre Namensgebungen zu verdanken haben, weist man an die 50 Arten nach.
Die Körper von Eintagsfliegen sind im Vergleich zu anderen Insekten relativ einfach entwickelt und kennzeichnen sich durch Flügel, die im Ruhezustand nicht am Körper angelegt werden können, sondern über den Rücken hochgeklappt sind. Dieser Formzustand wird gerne mit sich auf dem Wasser befindlichen Segelbooten verglichen. Insbesondere wenn Maifliegen nach dem Schlupf, flußabwärts treibend ihre Flügel trocknen. Des Weiteren verfügen Eintagsfliegen über drei charakteristische Hinterleibsfäden, die dem Insekt als Flugstabilatoren dienen.
Das Auftreten von Eintagsfliegen ist ein wichtiger Indikator über die hochwertige Güteklasse von Gewässern. Immer häufiger anzutreffendes Ausbleiben nachhaltiger Maifliegenmassenschlüpfe, gilt als Indiz für rückgängige Wasserqualität sowie andere Habitatsbeinträchtigungen z.B. Flußbegradigungen. Die Hauptvorkommen der meisten Maifliegenarten sind heutzutage kleine bis mittelgroße Flüsse der unteren Äschenregion und nur noch wenige Arten sind in großen Flüssen anzutreffen. Auch Stehgewässer werden von einigen Eintagsfliegen bevorzugt.
Bis noch vor wenigen Jahrzehnten, gehörten Eintagsfliegen zu den artenreichsten Bewohnern heimischer Fließgewässer und stellten eine wesentliche Nahrungsquelle von Forelle & Äsche als Larven oder adultes Insekt. Dieser Rolle werden heute vielfach andere Insekten gerecht, auch wenn Maifliegen als künstlicher Köder wenig an Popularität verloren haben.
Lebenszyklus – Larve:
Laut Oliver Kite werden Eintagsfliegenlarven sechs Gruppen zugeordnet, die ihre Bezeichnung der Lebensform der Nymphen im Wasser entnehmen.
Grundgräber – Schlammkriecher – Mooskletterer – Steinklammerer – Schlängler – Schnellschwimmer
Die letztgenannte Gruppe spielt dabei für den Fliegenfischer die bedeutendste Rolle. Der zumeist längliche Körper, der die Larve dabei unterstützt mit raschen Vorwärtsbewegungen zwischen Wasserpflanzen in der Drift den Standort zu wechseln, eignet sich besonders zur Nachahmung als künstliche Nymphe. Alle anderen Gruppen werden einzig im Aufstiegs- bzw. Schlupfstadium (Emergers) als Nachahmungen imitiert.
Die meisten Larven ernähren sich von pflanzlichen und anderen frei treibenden organischen Substanzen. Als Insekten mit unvollkommener Metamorphose (hemimetabol) – Larvenstadien sind weitestgehend dem adulten Insekt ähnlich – übergehen Eintagsfliegenlarven das Stadium der Verpuppung.
Zum Schlupf bereite Nymphen aller Gruppen steigern und ändern ihre bisherige Aktivität und Salmoniden und Fische anderer Art nehmen diesen veränderten Zustand wahr. Von der jeweiligen Lebensform abhängig:
- schwimmen die Nymphen an die Wasseroberfläche, um sich von der Nymphenhaut zu befreien und auf dieser treibend, nach dem Trocknen der Flügel in die Ufervegetation zu fliegen (Grundgräber, Mooskletterer, Schlammkriecher, Schnellschwimmer)
- kriechen Nymphen an Steinen oder Pflanzen an Land und befreien sich dort von der Nymphenhaut (Schlängler, manche Schnellschwimmer)
- befreien sich die Nymphen bereits am Gewässergrund aus deren Haut und steigen als geflügeltes Insekt an die Wasseroberfläche (Steinklammerer)
Lebenszyklus – Subimago:
Beim Schlupfakt werden die dicht gefalteten Flügel aus den Flügelscheiden gezogen und durch Eindringen von Körperflüssigkeit entfaltet. Die Subimago (engl. Dun) steigt von der Wasseroberfläche steil, bis in bisweilen beachtliche Höhen auf und verbirgt sich an Laubunterseiten von Bäumen. Zu diesem Zeitpunkt charakterisiert sich die Subimago durch schwächliche Körperfärbung und undurchsichtige (opake) Flügel.
An dieser Stelle tritt ein in der Insektenwelt einzigartiges Phänomen ein. Die Subimago häutet sich erneut und schliesst nun erst die die Entwicklung zum geschlechtsreifen Insekt ab.
Nach dieser abermaligen Verwandlung, die bei den meisten Eintagsfliegen ein bis drei Tage in Anspruch nimmt, erscheint das adulte Insekt in glänzenden, kräftigen Farben. Die Flügel sind nun durchsichtig und die dünnen Schwanzfäden deutlich länger als der Körper.
Lebenszyklus – Imago:
Das kurze Leben der Eintagsfliegen dient einzig der Fortpflanzung. Zur Ausübung dieses Akts ereifern sich Eintagsfliegenmännchen in einem ausgiebigen auf – und abwärts gerichteten Schwarmflug, um paarungswillige Weibchen anzulocken. Steigende und sinkende Eintagsfliegen werden “Spinner” genannt und fälschlicherweise als Bezeichnung auch für weibliche Imagines herangezogen. Denn einzig Männchen ergeben sich diesem Locktanz.
Das letzte für Fliegenfischer bedeutende Stadium, im kurzen Leben der Eintagsfliegen, ist die Begattung. Im Anschluss an die Kopulation fallen die Männchen erschöpft auf die Wasseroberfläche (“spinner fall”) und ergeben eine für Salmoniden leichte Beute.
Die Weibchen fliegen nach der Begattung zur Eiablage flussaufwärts (Kompensationsflug), um eine Verschiebung des Lebensraums durch mit der Strömung abdriftende Eier zu verhindern. Nach der Eiablage, die direkt im Wasser erfolgt, treiben die sterbenden Imagines als “Spent” auf der Wasseroberfläche, um ein letztes Mal als proteinreiche Nahrung Forelle & Äsche zur Verfügung zu stehen.
Imitation – Larve:
Basierend auf den Forschungen G.E.M. Skues and Frank Sawyers, können sich Fliegenfischer zwei wesentliche Stadien im Leben von Eintagsfliegennymphen zum Nutzen machen.
Schlupfbereite Nymphen verstärken ihre Aktivitäten und verlassen dabei ihre gesicherten Verstecke in Unterwasserpflanzen, an Unterseiten von Steinen oder engste Schlammgräben um den gefährlichen Aufstieg an die Wasseroberfläche vorzunehmen. Dieser für Fliegenfischer bedeutende Moment, wird mit der von Frank Sawyer perfektionierten Technik des ‘Induced Take‘, sowie James Leisenrings ‘Lift‘ besonders effizient genutzt. Salmoniden und andere Fische nehmen die gesteigerte Aktivität im Wasser wahr – tausende synchronisierte sich nach oben bewegende Nymphen bilden eine wichtige Nahrungsgrundlage – und sind nun verstärkt bereit oberflächennahe Nahrung zu sich zu nehmen.
Schlanke, unbeschwerte Nymphen die in einem ‘dead drift’ eine in der Strömung treibende Nymphe imitieren, werden den erhofften Biss nicht missen lassen. ‘Emerger’ Muster machen sich den Umstand zu Nutze, dass schlupfbereite Nymphen einige Sekunden im Oberflächenfilm verharren, um die Nymphenhaut zu durchbrechen und als Subimago (engl. Dun) auszuschlupfen. Für viele Fliegenfischer, ist dieser verletzlichste aller Momente im Leben einer Eintagsfliege, mittlerweile die effektivste Form der Trockenfliegenfischerei.
Aufgespülte, von der Strömung mitgerissene, noch nicht schlupfbereite Nymphen, befinden sich hingegen zumeist in Flußgrundnähe. Mehr oder weniger versiert im Schwimmen versuchen diese der gefährlichen Strömung zu entrinnen und abermals einen Platz unter Steinen, oder im Substrat zu finden. Tieferstehende Fische profitieren von der behäbigen Schwimmfähigkeit der meisten Nymphen und machen sich diese zur leichten Beute.
Das Aufblitzen einer hellen Bauchflanke einer Forelle oder Äsche wiederum ist ein sicherer Hinweis, dass diese versuchen kleinere Steine und Geröll umzudrehen, und darunter befindliche Nymphen aufzuscheuchen und zu konsumieren.
Mit körper – oder kopfbeschwerten Nymphen, nutzen Fliegenfischer dieses Moment, um tieferstehenden Salmoniden nach zustellen. Die Beschwerung sorgt dafür, auch in schnelleren Strömungsabschnitten die künstliche Nymphe rasch in die gewünschte Wassertiefe zu befördern.
Imitation – Subimago:
Neben dem Schlupfvorgang selbst, wird der kurze Moment in dem geschlupfte Insekten auf ihrer Nymphenhaut am Wasser treiben um ihre Flügel zu trocknen, am häufigsten nachgestellt. Moderne Bindemuster (‘Comparaduns’), berücksichtigen auch hier, dass ein Teil des Hinterkörpers sich noch im Wasser befindet, während die Imago sich auf das Abheben von der Wasseroberfläche vorbereitet. Traditionell gebundene Muster sitzen wahrscheinlich doch zu hoch in der Wasseroberfläche und es ist ratsam die Unterseite des Hechelkranzes zu stutzen, um für ein tieferes Eindringen des Körpers in den Oberflächenfilm zu sorgen.
Imitation – Imago:
Nach dem Schlupftanz und der Verausgabung der Paarung finden sich sterbende männliche Imagines (‘Spent Spinner’) massenhaft auf der Wasseroberfläche. Bewegungslos im Oberflächenfilm verhaftet werden sie zur allerleichtesten Beute von Forellen. Der Umstand, das männliche Imagines beim Fall aus der Luft oft seitlich landen und dabei ein Flügel lotrecht weggestreckt (‘half-spent’) bleibt, wird von manchen Fliegenbindern Rechnung getragen. Weibliche Imagines hingegen verweilen noch bis zur Eiablage im Wasser am Leben. Nach vollendeter Tat, überlassen auch diese sich ihrem Schicksal und treiben gefangen im Oberflächefilm ihrem Ende zu.
Bindeanleitungen für Eintagsfliegen findet Ihr mit diesem Link.
Typische Eintagsfliegenlarven- und Nymphenmuster für Flüsse und Seen gibt es in unserem Buch – ‚Nymphenfischen: Geheimnisse entlarvt‘
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Walter Reisinger says
Und noch eine Ergänzung zur Klärung (oder Verwirrung) des Namens Mayfly (Maifliege).
Ephemeroptera ist der wissenschaftliche Name für Eintagsfliegen. Wissenschaftler verwenden allerdings auch den Namen Mayfly für die ganze Ordnung. Dr. Bauernfeind und Prof. Tomàs Soldàn haben ein wissenschaftliches Werk über die Eintagsfliegen Euorpas in englischer Sprache veröffentlicht. Der Titel ist “The Mayflies of Europe”.
Eintagsfliegen heissen also bei
britischen Fliegenfischern “Up Winged Flies”
amerikanischen Fliegenfischern “Mayflies”.
Wenn sich Eintagsfliegenforscher (auch britische) in englischer Sprache unterhalten (was normalerweise üblich ist) meinen sie unter Mayflies die gesamte Ordnung der Ephemeroptera.
W.R.
Tankred Rinder says
Ich mag den Begriff ‘Up-Winged Flies’ sehr gerne. Beschreibt er doch sehr schön das Aussehen der Eintagsfliegen. Beim Anblick von Ephemeropteras, wie sie so den Fluss hinabtreiben, mit ihren Flügel empor gerichtet, vergesse ich oft auf das Casten. Und im Gegensatz zu meiner Trockenen, wünsche ich ihnen unversehrt ihre Reise beenden zu können.
TR
Walter Reisinger says
Hallo Tankred,
der Artikel ist gut.
Ergänzend möchte ich erwähnen, dass die Namensgebung bei den Ephemeroptera nicht einheitlich ist.
Im deutschen Sprachraum werden sie Eintagsfliegen genannt, auf den britischen Inseln Up Winged Flies. Verwendet man dort den Namen One Day Flies erntet man mitleidiges Lächeln oder ungläubiges Staunen.
In Amerika wird die ganze Ordnung Ephemeroptera als Mayflies bezeichnet. Wenn ein Amerikaner also von Mayflies spricht, meint er etwas anderes als wenn ein Engländer von Mayflies spricht. Der Engländer bezeichnet nämlich als Mayfly dasselbe was wir als Maifliegen bennen, nämlich nur die 5 Arten der Familie Ephemera.
W.R.
Tankred Rinder says
Hallo Walter,
danke für diese Ergänzung. In Anbetracht meiner eigenen Verwirrung die ich zu Anfang meiner Beschäftigung mit Fliegenbinden erfahren musste, bezüglich des amerikanischen Gebrauchs ‘Mayflies’für alle Eintagsfliegen, ist dieser Hinweis sehr nützlich. Unter der Annahme, dass sicherlich einige Leser meines Blogs Fliegen basierend auf amerikanischen oder englischen Vorlagen binden oder fertig gebunden von dort beziehen, ist deine Anmerkung besonders hilfreich.
Beste Grüße
Tankred