Seit einigen Jahren verfolge ich mit Spannung den entschlossenen Kampf der Grazer Bürger, den Bau einer Reihe an Staustufen im Stadtgebiet der zweitgrößten österreichischen Stadt zu verhindern. Eine Gruppe an jungen Leuten die dabei immer in Erscheinung tritt, ist das lose Kollektiv AlpineSpey. Ein Trupp an Zweihandfanatikern, die ihre Faszination für Scandi, Skagit und Speytechniken in bedeutetem Ausmaß, dem König heimischer Flüsse zu verdanken haben – dem Huchen. Der sich im Großraum Graz noch natürlich weiter vermehrt, dessen Existenz inmitten einer europäischen Großstadt sinnstiftend war, die traditionelle Fliegenrute gegen eine Zweihandrute einzutauschen. Aus anfangs taktischen, später zunehmend ästhetischen Gründen.
Begonnen hat alles im Jahr 2008, als sich die beiden Salzburger Georg Haitzmann und Harald Tranninger und der Bayer Thomas Schwarzensteiner zum Interessensaustausch trafen. Alle drei fischten in ihrer Jugend bereits intensiv mit Einhandruten. Der mythisch verehrte Huchen ist jedem österreichischen Angler von Kindheit an ein Begriff – was liegt also näher, sich von Kopf bis Fuss dieser ikonischen Fischart des Donaueinzugsgebiets zu verschreiben. Wo andere jedoch zu Blinkern, Köderfischmontagen und Huchenzöpfen greifen, war den drei von AlpineSpey von vornherein klar, dass nur mit Fliege und Zweihandrute eine fischschonende, nachhaltige Fischerei auf diese Majestät der heimischen Flüsse, ethisch und ökologisch zu vertreten sei.
Und wer ein Meister seines Fachs werden möchte, belässt es nicht bei den wenigen Monaten im Jahr – Oktober bis Februar – an denen die Huchenpirsch ausgeübt wird. Bereits mit dem Glück ausgestattet, sich durch den Wohnort in der Nähe großer Flüsse zu befinden – sei es die österreichische Salzach oder der bayerische schwarze Regen – war es naheliegend von der Faszination Zweihandrute, auch während des Frühjahrs und der Sommermonate nicht mehr abzurücken. Und während im Fall eines Teammitglieds die erbliche Vorbelastung der schottischen Mutter aus Inverness vielleicht eine Rolle spielte, so zeigten sich im anderen Fall die Studienjahre in Graz mitverantwortlich, wenig Inspiration zu erfahren sich weiterhin dem klassischen Fliegenfischen mit der Einhandrute zu widmen. Die Betonung liegt hierbei auf wenig, denn die intensive Beschäftigung mit sehr speziellen Zweihand Wurftechniken, seien es Switch- oder Speycast, öffnete den Jungs die Augen für die Anwendung dieser sogenannten Waterborne Casts auch im Einhandrutenbereich. Schliesslich verfallen Zweihandruten Cracks weniger dem Werkzeug (Rute & Schnur), als einem flüssigen Bewegungsablauf beim Werfen, an dessen Ende mittels weniger Rutenbewegungnen an oft eingeschränkten Räumen, die Fliege zu ihrem Ziel befördert wird. Der zenartige Rhythmus des Wurfs, als Motor zur Erschliessung des Gefühls, eins zu werden mit seiner Umgebung.
Da man nicht im Wurf seine alleinige Erfüllung findet und zum absoluten Glück der Fisch am Ende der Leine gehört, wurde bald der Jahreskalender gefüllt mit Destinationen und Anwendungsbereichen, um sich ohne maßgebliche Unterbrechung auch außerhalb der Huchensaison seiner Leidenschaft hingeben zu können. Im Frühjahr Meerforellenfischen in Dänemark und Lachsfischen auf Springer in Irland. Im Sommer dann mit ultraleichten Zweihandruten und schlitternden Sedges auf Forellen. Danach im Frühherbst auf Lachs in Norwegen und Schottland, und schliesslich steht dann die Huchensaison schon wieder vor der Tür. Für die Leute von AlpineSpey gibt es keinen Grund die Zweihandrute ins Eck zu stellen und aus der Übung zu kommen.
Wer genau wie ich zu anfangs das Gefühl hat, beim Zweihandrutenfischen auf Meerforellen – auf Bach- und Regenbogenforellen sowieso – mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen, der möge sich mit diesem von AlpineSpey gedrehten Video eines besseren belehren lassen. Den der Trend geht auch bei diesem Rutentyp in Richtung leichtes Gerät, sodass man selbst bei der Fischerei auf diese untypischen Zielfische, viel Spass haben kann. Dass der Film so nebenbei Licht wirft, auf den für Einsteiger beinahe undurchdringlich erscheinenden Dschungel an Skagit- und Scandischnüren, Polyleader und Grainstärken, ist den Machern von AlpineSpey sehr hoch anzurechnen. Da dringt Leidenschaft, Wissen und Können durch – und der ehrlich gemeinte Wunsch, mehr Fliegenfischer fürs Zweihandrutenfischen zu begeistern. Ein Anliegen, dass man auch mit mehreren, mittlerweile sehr populären Workshops im Jahr zum Ausdruck bringt.
Spirituelle Heimat bleibt aber die Mur in Graz, in der die beiden weiteren Mitglieder von AlpineSpey leben – Sebastian Auberger und Matthew Galler. Mit dem legendären Grazer ‘Huchenfranz‘ hat sich eine von gegenseitigem Respekt geprägte Beziehung entwickelt, von der beide Seiten profitieren, in der alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Da die Spezialisten die dem Allroundangler (Europacupsieger im Friedfischangeln in Italien, Welsrekordhalter – 2,43m mit dem Bellyboat, Huchenflüsterer) in der Zwischenzeit vornehmlich aufs Zweihandfischen umpolten, dort der Vollblutprofi der nach eigenen Angaben mit den Windeln im Wasser auf die Welt kam. Der Gewässerstrukturen lesen kann wie kaum ein anderer. Der aufgrund Jahrzehnte langer Erfahrung um Standplätze bescheid weiss, die von Uneingeweihten bezüglich Lebensgewohnheiten und Raubverhalten geflissentlich ignoriert oder überworfen werden.
Als geistiger Ziehvater vermittelt er ‘seinen Buam’ neben praktischen Wissen ideelle Werte, die die Huchenpirsch erst wirklich zum ergreifenden Erlebnis machen. z.B. den Verzicht auf Kescher und das Erlernen der Handlandung. Ja, auch aus Gründen um Verletzung der Schleimhaut vorzubeugen. Mehr noch aber, um dem geistige Auge kein Bild eines ‘gesackelten, eingetüteten’ Huchen aufzustempeln. Ein Bild, das aus seiner Sicht weniger in Erinnerung bleibt, als der Fisch den man sich erarbeitet hat. An Huchen die nach dem Wegschwimmen manchmal zu ihren Fängern zurück kehren, als ob sie sich für das Releasen bedanken wollten. Haben sich solche Erlebnisse erst im Bewusstsein festgesetzt, ist der Schritt zum Ökoaktivisten ein kleiner. Und so setzten sich sowohl AlpineSpey als auch der Huchenfranz aktiv in vorderster Linie, für die Erhaltung des natürlichen Lebensraums, des mitten in Graz frei schwimmenden und sich vermehrenden König der heimischen Salmoniden ein. Ein von AlpineSpey gedrehtes, eindrucksvolles Video unterstreicht die besondere Beziehung die diese Menschen zu ihrem Hauptzielfisch und seinem Lebensraum aufgebaut haben.
Bei soviel Erfahrung drängt sich natürlich die Frage auf, ob man sich von AlpineSpey nicht zum Huchenfischen begleiten lassen kann. Die Antwort darauf ist leider ein kategorisches ‘Nein’. Da keiner der Protagonisten ein Wasserrecht besitzt, könner per se keine ‘Guided Tours’ angeboten werden. Sehr wohl kann man sich aber Unterstützung bei Set-up Abstimmungen einholen, um den Einstieg zu erleichtern große Fliegen zu werfen. Erfrischenderweise halten sich die Jungs nicht bedeckt, was taktische Hinweise betrifft und stehen gerne Rede und Antwort bei Fragen zur Huchenfischerei. Da es nur mehr wenige Flüsse mit einem wilden, selbstproduzierenden Huchenbestand gibt, und noch weniger Gewässer die überhaupt Tageskarten auflegen, müssen sich Interessierte diese Möglichkeit selbst erarbeiten. In Vorbereitung darauf veranstalten AlpineSpey jedoch Seminare und Workshops, um sich an den Umgang mit Zweihandruten heranzutasten. Zu den mehrmals jährlich stattfindenden Ausflügen nach Norwegen, Schottland und Irland, sind jedoch gleichgesinnte Zweihandfanatiker gerne eingeladen, um gemeinsam auf einen anderen König europäischer Gewässer zu fischen – den Atlantischen Lachs.
Mir hat es sehr viel Freude bereitet, an einen kalten Dezembertag am Teich eines Freundes in Graz, eine Einführung ins Zweihandrutenwerfen zu erhalten. Und dank der kompetenten Beratung der Leute von AlpineSpey, stehe ich kurz vorm Kauf eines Set-ups, geeignet für die Fischerei an den Gewässern in meiner Nähe – Rapfen und Zander am Rhein. Die Chance zum Üben vor der Haustür sollte man nicht ungenützt an sich vorbeigehen lassen. Denn wer weiss, wann sich die Gelegenheit ergibt, selbst dem König heimischer Fische nachstellen zu können – dafür möchte ich gerüstet sein.
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