Wer hoch hinaus möchte, bereite sich gut vor. Dieser Grundsatz gilt besonders auch in den Alpen. Mehr noch als die Angelausrüstung zählt die richtige Zusammenstellung aus Gepäck und Proviant. Wie es der Fliegenfischer schafft, auf einem Höhenunterschied von mehreren hundert Metern die verlockendsten Fischeinstände zu finden, verrät im 2. Teil der Serie ‘Alpines Fliegenfischen’ unser Autor Alexander Bäuerle.
Alpines Fliegenfischen – Alexander Bäuerle
Der Ursprung vieler alpiner Fließgewässer ist äußerst faszinierend. Besonders die fernab gelegenen Oberläufe vieler Bäche und Flüsse sprechen mich sehr an. Dabei sind die hoch gelegenen alpinen Fließgewässer äußerst unterschiedlich. Neben der Höhe des Quellgebiets ist auch die Form des Quellgebietes entscheidend, wie sich der Fischbestand entwickelt. Im Raum der Hohen Tauern, einem bedeutenden Naturschutzgebiet, gibt es aufgrund der hohen Lage viele Bäche, die am Fuße eines Gletschers entspringen. Diese Bäche sind sehr stark der Schneeschmelze unterworfen. In den Sommermonaten schmelzen aufgrund des Klimawandels verstärkt auch die Gletscher ab. Dadurch bildet sich eine graue Eintrübung der Gewässer – die sogenannte Gletschermilch. Die Bachforellen sind daher nicht selten grau gefärbt.
Durch die Lage in Höhen von zum Teil über 1600 Meter über dem Meeresspiegel sind die Gewässer sehr kalt. Auch gibt es über der Baumgrenze deutlich weniger Lebewesen und dadurch weniger Nahrung. Das Nahrungsangebot ist dermaßen gering, dass die Bachforellen verzwergen. Diese sogenannten Steinforellen werden selten größer als handlang. Die Körpergröße ist nicht nur dem Nahrungsangebot angepasst, sondern entspricht auch der Gewässergröße. Die Bäche sind in der Regel 1–2 Meter breit und weisen abgesehen von wenigen Gumpen selten tiefere Stellen auf. Oft kann man diese Gewässer mit einem Sprung überqueren. Andere Gewässer durchfließen moorige Täler und bilden flache, breite und sehr langsam fliesende Bereiche aus. Wenn das Tal beweidet wird und dadurch Nährstoffe durch Kuhmist eingetragen wird, wachsen an manchen hoch gelegenen Gewässern die Forellen besser ab. Was allerdings nur bedeutet, das sie verwertbare Größen erreichen können.
Obwohl die Fische keine Riesen werden, hat die Fischerei in diesen ursprünglichen Bereichen seinen eigenen Reiz. Man befischt natürlich entwickelte Fische in einem unverbauten Gewässer. Durch die Abgelegenheit kann man Stellen befischen, die zum Teil sehr lange Zeit nicht von anderen Anglern begangen worden sind. Dennoch gibt es Strecken, an die man durchaus sehr nah mit dem PKW ranfahren kann. Für den wanderfreudigen Fliegenfischer sind aber oft jene Gewässer die eigentliche Herausforderung, die über mehrere Stunden angelaufen werden müssen. So erreicht man seine eigene individuelle Angelstelle. Der Genießer plant auch gerne eine Einkehr in eine der zahlreichen Almhütten mit ein. Man kann auch sagen, das die Tätigkeiten Fliegenfischen und Wandern kombiniert werden können – ja sogar sollen.
Auch wenn es das Ziel ist, mit der Fliege zu fischen, wird doch die meiste Zeit gewandert. Deswegen wird die mitgebrachte Ausrüstung, auch in erster Linie hinsichtlich der Wanderungen optimiert. Wasserdichte Wanderstiefeln reichen aus, um viele Stellen problemlos durchwaten. Daher bietet es sich bei vielen Touren an, auf die Wathose- und Schuhe zu verzichten und stattdessen eingelaufene Wanderschuhe anzuziehen. Der Verzicht auf das Waten schont auch die empfindliche Struktur der Kleinstlebewesen im Gewässer. Die Bekleidung sollte selbstverständlich nach dem Zwiebelprinzip aufgebaut sein. Es ist notwendig auch bei Sonnenschein eine Regenbekleidung einzupacken. Es gibt diese inzwischen im minimalen Packmaß wie z.B. die Patagonia Houdini Regenjacke und schlägt daher von Gewicht und Größe kaum zu Buche. Sollte das Wetter schnell umschlagen, ist man aber gewappnet. Selbstverständlich sollte man vor dem Aufbruch den Wetterbericht noch einmal durchsehen. Denn ab 2000 Höhenmetern kann es ab August schon durchaus zu Schneefällen kommen. Sollte es in dieser Höhe vielleicht regnen, wird es zudem sehr frisch.
Äußerst wichtig ist ein großer und bequemer Rucksack, der die Last optimal verteilt. Je nach Dauer des Ausflugs müssen viele Getränke mit. Bei einer Tageswanderung sollte man mit nicht weniger als 2 Liter Flüssigkeit im Gepäck losgehen. Dabei bevorzuge ich isotonische Getränke mit Magnesium. Wenn auch nicht jedem empfohlen, genieße ich auch gerne mal einen Oneglass Weinbeutel (0,1 L). Gegen Kräftedurchhänger hilft ein Energieriegel oder ein Shot Gel – platzsparende und schnell wirksame Energielieferanten. Auch wenn man einen Besuch bei einer Alm einplant, sollte man immer eine kleine Brotzeit mitführen für den kleinen Hunger zwischendurch. Sinnvoll sind auch eine Sonnencreme, Verbandszeug, sowie Tabletten gegen Durchfall und Schmerzen. Es gibt nichts blöderes, wenn man viel gewandert ist, die Fischerei aufgrund nerviger Zipperlein nicht genießen zu können. Wenn man dann noch wichtige Gegenstände wie Smartphone, GPS oder Kamera mitführt, ist der Rucksack schon ziemlich gut gefüllt und schwer. Wir haben nun nur sehr wenig Platz für die eigentliche Angelausrüstung übrig.
Nicht notwendig ist in der Regel ein Watkescher. Die kleineren Fische hakt man am besten direkt im Wasser ab, oder greift sie vorsichtig mit feuchten Händen. Unverzichtbar sind die Werkzeuge zum Versorgen der Fische, wie Lösezange, Priest (leicht), Maßband und Messer, die ich mit dem restlichen Tackle in eine kleine Bauchtasche packe. Mit dabei habe ich zwei gezogene Vorfächer und eine kleine Spule mit Tippetmaterial. Aufgrund der geringen Gewässergröße verwende ich sehr kurze Vorfächer bis maximal 8ft. Mit einer möglichst kleine Dose mit Fliegen findet man sein Auskommen und nicht vergessen sollte man natürlich die Polbrille. Als Gerät verwende ich gerne eine 8ft Rute in Klasse 4. Selbstverständlich würden leichtere Ruten in der Klasse 1-3 ebenfalls funktionieren, was Fisch- und Fliegengröße betrifft. Jedoch dürfen wir nicht den Wind (Föhn) im Gebirge unterschätzen. Daher verwende ich lieber etwas kräftigeres Gerät. Interessant ist sicherlich in diesem Falle auch die Tenkara Rute, da damit das Gewicht der Rolle eingespart werden kann.
Als drittes Fliegenmuster für schwierige Tage führe ich noch eine Perdigon-Nymphe in Größe 16 mit. Meine erste Wahl wenn die Fische nicht steigen wollen. Diese montiere ich an die Spitze, während die tragende Foam Fliege am Seitenarm befestigt wird. Mit dieser Doppelmontage angelehnt an den New-Zealand Stil, fischt man sehr effektiv die Wassersäule ab.
Um effektiv zu Fischen ist es ratsam bei der Gewässerbegehung taktisch vorzugehen. Beim Aufstieg wird nur gewandert, es werden Stellen gesichtet und auf das Fischen wird verzichtet. Außer ein wirklich guter, steigender Fisch bietet sich an. Oft befischt man sonst viel zu viele Stellen und lernt dabei die besten kaum kennen. Hat man den Gipfel bzw. das Aufstiegsziel erreicht, wählt man eine handvoll Stellen aus, die man beangeln möchte. Die Fische verteilen sich in der Regel nicht homogen in verschiedenen Gumpen oder Zügen. Meistens konzentrieren sich sehr viele Fische in besonders tiefen, oder großen Gumpen. Gerade unter, oder hinter großen Steinen befinden sich teilweise mehr als fünf Fische. Wichtig dabei ist es auch, nicht jeden Gumpen zu befischen und dabei auch nicht mehr als einen oder maximal zwei Fische aus einen Gumpen zu fangen. Auch beim schonendsten Umgang von Fischen kann es Kollateralschäden geben. Für diese kleinen empfindlichen Ökosysteme wäre es unnötiger Stress, jede verlockende Stelle zu befischen.
Da man sich die Stellen gezielt aussucht und nicht eine Strecke abfischt, kann man sich optimal der Position annähern, die für eine Präsentation geeignet scheint. Da wir am Gebirgsbach nicht auf extrem stark beangelte oder kapitale Fische gehen, reichen einfache konventionelle Techniken aus. Auch wenn die Würfe aufgrund der geringen Gewässergröße auch hier tatsächlich oft nur geschlenzt werden. Durch Wasserfälle, Kehrströhmungen und viele Steine sehen die Wildwasserstrecken für den Laien sehr kompliziert aus. Man lernt aber sehr schnell die Einstände kennen. Auch das Verfolgen der Fliege wird mit der Zeit einfacher.
Der Vorteil für uns ist, dass die Fische im Weißen Wasser uns ebenfalls nicht so gut erkennen können. Daher verzeihen diese Gewässer oft viele Präsentationsfehler. Dennoch sollte man sich bei Gelegenheit folgende zwei Trickwürfe aneignen: Den Schlagenwurf für die Präsentation stromab, oder aber den Pile Cast für die Präsentation stromauf in eine Steintasche. Der Pocket Cast wäre ebenfalls eine gute Möglichkeit, vielleicht sogar die Optimallösung für viele Situationen, leider benötigt man für diesen aber ein sehr langes Vorfach. Entscheidend ist meiner Meinung nach die Fähigkeit, Einstände gezielt zu treffen. Zusammengefasst ist die Fischerei im Weißen Wasser deutlich einfacher als es scheint und somit auch für den nur leicht fortgeschrittenen Angler bestens geeignet.
Alpines Fliegenfischen im Hochgebirge ist ein tolles Erlebnis, auch wenn die Fische alles andere als groß sind. Mit der richtigen Vorbereitung und guter Wanderausrüstung kann man das Naturerlebnis Fliegenfischen besonders intensiv genießen. Ohne eine Wanderung ins Gebirge zu den farbenfrohen Saiblingen und Forellen bliebe mein persönliches Angeljahr unvollendet. Im finalen Beitrag dieser Serie in zwei Wochen sehen wir uns noch das Fliegenfischen an den zahlreichen Gebirgsseen genauer an.
Alexander Bäuerle lebt in München und Arbeitet als Agraringenieur in der Qualitätssicherung. Er schreibt für die Zeitschriften Angelwoche und Fisch & Fang und war in naher Vergangenheit als Redakteur für Am Haken tätig. Der fischereiliche Schwerpunkt, liegt in den modernen europäischen Nymphentechniken. Seine besondere Leidenschaft ist das Hochalpine Fischen, dem er mehrere Wochen im Jahr im bekannten Bräurup Revier im Oberpinzgau nachgeht.
Discover more from Forelle & Äsche | Fliegenfischen | Fliegenbinden
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Peter Ebert says
Hallo,
In der Schweiz, im Kanton Graubünden, existieren für alle Liebhaber der hochalpinen Fliegenfischerei, tolle Flüsse und Bäche. Insbesondere im Oberengadin auf 1600 bis über 2000m.
Tolle Hochgebirgsseen beherbergen farbenprächtig Namaycushs in stattlichen bis kapitalen Größen.
Auch der Silser See und Silvaplaner See unweit von St. Moritz zählen zu diesen Top Gewässern.
https://www.suedostschweiz.ch/panorama/2016-05-20/im-silsersee-hat-es-zahlreiche-namaycushs
Ein tolle location ist auch die Villa Marguerita in Zuoz mit den Gastgebern Petra Brütsch und Röbi Egli.
http://www.villamarguerita.ch/
Viel Spaß und Tight Lines,
Peter Ebert
Tankred Rinder says
Hallo Peter,
danke für die interessanten Hinweise. In die Schweizer Alpen wollte ich eh schon gerne einmal.
Tight lines und viele Grüße,
Tankred
Bernhard Niedermair says
Hallo
Wer solche Locations liebt, dem seien die Gewässer in Bad Gastein (Salzburg / Östereich) von Ronny Katsch https://www.mangojerry-fly.fishing/
dringend ans Herz gelegt !
Bilder vom hochalpinen (1600m) Fliegenfischen:
https://www.tenkara-austria.at/6.—7.tenkara-fishing-weekend-2021–bad-gastein-.html
https://www.tenkara-austria.at/5.tenkara-fishing-weekend-2020–bad-gastein-.html
https://www.tenkara-austria.at/4.tenkara-fishing-weekend-2019–bad-gastein-.html
Viel Spaß
Bernhard Niedermair
Tankred Rinder says
Hallo Bernhard,
ich habe eindrucksvolle Bilder von einer deiner Reisen dorthin im Gedächtnis. Das Gasteinerland ist wirklich herrlich.
Grüße, Tankred